Von Extreme Metal, Speed, Thrash bis Viking und Funeral Doom: Die Szene feierte in Thüringen.

Flugplatz Obermehler-Schlotheim (laut) - Nach der langen Zwangspause gab sich das Party.San Metal Open Air gewohnt Death Metal-lastig, zeigte aber trotzdem eine Bandbreite an Genres und Bands, die von Veteranen der Extreme Metal-Szene wie Cannibal Corpse oder Mayhem über Speed und Thrash Metal bis zu Viking Metal und sogar einer Funeral Doom-Band reichte. Die Diversität spiegelte sich auch im Publikum wider: Neben den jährlich anwesenden Death Metal-Hardlinern tummelten sich heuer viele jüngere Gäste und Metaller:innen. Von der Pandemie war auf dem Schlotheimer Flugplatz in Thüringen übers vergangene Wochenende nichts mehr zu sehen, dafür war die Stimmung nach der langen Auszeit umso besser.

Achterbahn der Emotionen

Secrets Of The Moon, ein deutsches Black Metal-Urgestein, verbreiteten am ersten Nachmittag bittersüße Stimmung, es soll einer ihrer letzten Auftritte gewesen sein. Aus genau diesem Grund lieferten sie ein nostalgisches Set, das von ihren schwarzmetallischen Wurzeln über bis hin zu den neuen Post Metal-Stücken alles bot. In Kontrast zu den Künstlern der überwiegend älteren Generation kamen Der Weg Einer Freiheit im Hipsterlook als nun etablierte und respektierte Band der jüngeren auf die Mainstage. Sie präsentierten Songs ihres aktuellen Albums "Noktvrn", das ihren modernen, atmosphärischen Sound fortführt. Zwischen ätherisch cleanen Gitarren-Arpeggios und Blastbeat-Geballer lieferten sie eine mitreißende Achterbahn der Emotionen.

Alcest brachte zur Dämmerung Abwechslung ins Line-up des Donnerstags. Die stilistisch deutlich weicheren Klänge der Franzosen nahmen aber selbst den härtesten Blastbeat-Elitisten mit träumerischen, melodischen Sounds auf eine Gefühlsreise mit: in Sachen Atmosphäre das absolute Highlight des Abends.

Durchgehend diabolisch

Nach dem Durchatmen gings mit Mayhem weiter, eine der historischsten und einflussreichsten Bands auf dem Festival - im positiven wie im negativen Sinne. Während der Sound zu Beginn des Auftritts nicht überzeugte, erhörten die Norweger die Bitten der Fans und spielten hauptsächlich alte Songs. Neben Szenehits wie "Freezing Moon", der in keinem Mayhem Set fehlen darf, spielte die Band auch Songs der "Deathcrush"-EP, die deutlich besser ankamen als das neuere Material. Zu jeder Ära absolviertenb Mayhem einen Kostüm- und Bannerwechsel, die Stimmung blieb aber, wie gewünscht, durchgehend diabolisch.

Mit Spannung erwartet und dem größten Zulauf rissen Cannibal Corpse als Donnerstag-Headliner die Hauptbühne ab. Das Bühnenbild bestand, wie gewohnt, lediglich aus dem klassischen Logo-Banner und durchgehend rotem Stroboskop, was bei einer Band dieses Kalibers völlig ausreichte. Gnadenlos prügelten die Amerikaner dem hysterischen Publikum einen Klassiker nach dem anderen in die Ohren, der mit Abstand größte Moshpit des Tages. Das Deathmetal-Massaker wurde nur durch die üblichen Parolen von Sänger George "Corpsegrinder" Fisher unterbrochen, der etwa den Song "Fucked With A Knife" den weiblichen Fans widmete und alle Anwesenden zu einem Headbang-Duell herausforderte. Und als Cannibal Corpse unerwartet doch noch den Fan-Favoriten "Hammer Smashed Face" spielten, waren die Trommelfelle endgültig zerstört.

Es wird politisch

Am Freitagmittag wurde es politisch: Die aus der Ukraine stammende Band 1914 hatte aufgrund des Kriegs in ihrem Heimatland Schwierigkeiten eine Ausreiseerlaubnis für das Festival zu erhalten, wurde dann aber glücklicherweise doch im Line-up bestätigt. 1914 liefern brachialen Black Metal mit Erster-Weltkriegs-Ästhetik. In den Pausen zwischen den Stücken richtete die Band harte Worte an Putin und rief zu Spenden für die Ukraine auf. Das Publikum zeigte Unterstützung, viele blau-gelbe Flaggen waren zu sehen, "Slava Ukraini!"-Rufe hörte man ebenfalls. Nicht die einzige Band auf dem Party.San, die Krieg thematisierte, aber leider und mit Abstand die glaubhafteste. Malevolent Creation, Death Metal-Veteranen aus Florida, spielten im Anschluss ein ausgewogenes Set, die Songs ihrer ersten beiden Alben "The Ten Commandment"“ und "Retribution" kamen bei den Festival-Hardlinern sehr gut an.

Ein Highlight wartete nachmittags noch auf der zweiten Bühne: Bütcher, die man als Motörhead in schneller und härter beschreiben könnte, füllten das Zelt bis zum Rand und machten richtig Laune. Die Mischung aus Black- und Speed Metal, die die belgische Kapelle auftischte, stahl der Hauptbühne die Show und ließ traditionelle Metal-Nostalgie im Nieten- und Corpsepaint Mantel aufleben und zeichnete jedem Lemmy-Enthusiasten ein Lächeln ins Gesicht. Die Newcomer bedankten sich nach der Show ausgiebig. Mit klassischem Metal ging es weiter: Messiah hatten sichtlich Spaß auf der Bühne und produzierten dabei noch Thrash-Metal, der so hart war, dass man ihn kaum von dem Todesmetall der vorherigen Bands unterscheiden konnte. Den Schweizern, mit dem Gründungsjahr 1984 eine der ältesten Bands auf dem PSOA, merkte man dies nicht im Ansatz an. Im Gegenteil: Sie zockten ihre Klassiker vom Album "Extreme Cold Weather" in jugendlicher Frische.

Uada werden ihrem Hype gerecht

Die Wikinger von Heidevolk machten mit ihren nordisch-folkloristischen Hymnen super Stimmung. Mit Klargesang und Hintergrund-Geigen waren die Schweden wahrscheinlich die einzige Band auf dem Festival, zu der man richtig tanzen konnte. Plötzlich wurde es aber still und ein lautes Dröhnen tönte von der Mainstage. Uada treten in Kapuzen aus dem Nebel. Ohne ein Wort bretterte die Band aus Portland los, um den düstersten Auftritt des Tages hinzulegen. Trotz ihrer vergleichsweise kurzen aktiven Zeit, seit 2014, sah man im Publikum viele Uada-Patches und -Shirts. Ihrem Hype wurden die Amerikaner auch völlig gerecht.

Die Favoriten am Freitag heißen aber ganz klar Asphyx. Beim vierten Auftritt auf dem Party.San hatten die Death Metal-Veteranen aus der Niederlande die hohen Erwartungen der größten Publikumssparte zu erfüllen, den Death Metal-Hardlinern. Diese demonstrierten ihre Loyalität zur unvergleichlichen Band mit lautem Gegröle und langsamem Kopfnicken, passend zum Death-Doom, dem Kern des Asphyx-Sounds. Songtechnisch war für jeden etwas dabei, wobei die Tracks des Fan-Favoriten "Last One On Earth" überwogen. Der letzte Song des Konzerts mit selbigem Titel und das Stück "M.S. Bismarck" waren die Höhepunkte. Sänger Martin Van Drunen meinte vor Letzterem noch, ihr "Bismarck" sei ja viel besser als derjenige von Sabaton.

Carcass vernichten die Stimmung

Katatonia boten am Freitag den Kontrast zu den anderen stahlharten Headlinern. Völlig losgelöst von ihren Wurzeln lag der Fokus des Sets auf der mittleren Bandgeschichte sowie den neueren Werken. Mit epischem Post-Rock und ein paar Metal-Einlagen beruhigten Katatonia die Zuhörer:innen, bevor Carcass diese Stimmung vernichten sollten. Die Grindcore-Legenden aus Liverpool ließen ihre frühen Alben ebenfalls außen vor. Gespielt wurde Melodeath mit gelegentlichen Blastbeats, wobei von "Heartwork" bis zur neuesten Platte "Torn Arteries" alles dabei war.

Der Samstag startete bereits um 10 Uhr morgens mit Caroozer und Motorowl auf der Zeltbühne. Richtig los gings aber mit Nunslaughter, die auf der Hauptbühne Blasphemie zelebrierten. Mit Sicherheit eine der besten Death Metal-Bands aus Australien: roh, kompromisslos und mit leichten Black Metal Einflüssen. Genau der richtige Wachmacher für alle verkaterten Festivalbesucher:innen. Ein weiterer Ausreißer aus dem Extreme Metal-Getummel waren Lunar Shadow mit ihrem modernen und trotzdem klassischen Heavy-Sound. Die Band bot beeindruckenden Gesang und melodische Gitarrensoli.

Ein fahrlässigenr Umgang mit Alkohol

Ein Highlight am Samstag waren sicher Blood Incantation. Die Alien-Enthusiasten aus Oregon landeten mit "Hidden History Of The Human Race" 2019 einen Hit in der Extreme Metal-Szene und präsentierten live neben einem Song ihrer ersten Platte "Starspawn" zwei extrem lange Stücke des "Hype"-Albums. Beeindruckende Rhythmuswechsel des Schlagzeugers Isaac Faulk in Kombination mit den sich drehenden und wendenden Riffs der Gitarristen erzeugten einen geradezu außerirdischen Sound - aus musikalisch technischer Sicht der klare Kandidat für die Goldmedaille.

Impaled Nazarene führten diesen Wahnsinn fort. Das Image der Szeneikonen zeigte sich bereits beim Soundcheck, als Flüche und Beleidigungen auf Finnisch über die Menge hallten. Es folgten vertonte Gewalt und Perversion, wie sie das Black Metal-Herz begehrt, wobei neben neuen Songs vor allem die punkig angehauchten Tracks des Albums "Suomi Finland Perkele" beim Publikum einen fahrlässigen Umgang mit Alkohol auslösten.

Finnlands traurigste Band

Weiter gings mit Black Metal im besonderen Aufzug: Dark Funeral kamen im Vergleich zu ihren Vorgängern nicht in Kutte und Bandshirt auf die Bühne, sondern in Rüstungen à la "Herr der Ringe". Ein kurzes Intro und schon gings los mit dem Blastbeat-Dauerbeschuss. Gleichgültig, ob neues oder altes Material, der auditive Mahlstrom der Schweden fand bis zum letzten Song "Where Shadows Forever Reign" kein Ende. Geheimtipp des Festivals waren übrigens Shape Of Dispair, die einzige Funeral-Doom-Metal-Combo. Finnlands traurigste Band präsentierte melancholisch melodischen Death-Doom im Schneckentempo mit einem - sogar für diese enge Nische - sehr eigenen Sound. In Sachen Atmosphäre die einzige Band, die mit Alcest mithalten konnte.

Die rote Laterne des Abends und des Festivals insgesamt, aber auch bei den meisten die am sehnsüchtigsten erwartete Band blieben die Stockholmer Death Metal-Giganten Dismember. Die größte Crowd der ganzen Veranstaltung begrüßte die Headliner mit tosendem Beifall und war von Anfang bis Ende mit voller Begeisterung dabei. Unter den Songs fanden sich natürlich vor allem Stücke des Jahrhundertalbums "Like An Everflowing Stream", die von einem Großteil der Fans Wort für Wort mitgeschrien wurden. Höhepunkt und gleichzeitig würdiger Abschluss des Party.San Metal Open Airs 2022.

Text: Salomon Dreher, Fotos: Jochen Dreher.

Fotos

Party.San, 2022 Düster, düster, am düstersten: Mayhem, Cannibal Corpse, Dismember, Alcest, Dark Funeral u.a. beim Extreme Metal-Festival in Thüringen.

Düster, düster, am düstersten: Mayhem, Cannibal Corpse, Dismember, Alcest, Dark Funeral u.a. beim Extreme Metal-Festival in Thüringen., Party.San, 2022 | © laut.de (Fotograf: Jochen Dreher) Düster, düster, am düstersten: Mayhem, Cannibal Corpse, Dismember, Alcest, Dark Funeral u.a. beim Extreme Metal-Festival in Thüringen., Party.San, 2022 | © laut.de (Fotograf: Jochen Dreher) Düster, düster, am düstersten: Mayhem, Cannibal Corpse, Dismember, Alcest, Dark Funeral u.a. beim Extreme Metal-Festival in Thüringen., Party.San, 2022 | © laut.de (Fotograf: Jochen Dreher) Düster, düster, am düstersten: Mayhem, Cannibal Corpse, Dismember, Alcest, Dark Funeral u.a. beim Extreme Metal-Festival in Thüringen., Party.San, 2022 | © laut.de (Fotograf: Jochen Dreher) Düster, düster, am düstersten: Mayhem, Cannibal Corpse, Dismember, Alcest, Dark Funeral u.a. beim Extreme Metal-Festival in Thüringen., Party.San, 2022 | © laut.de (Fotograf: Jochen Dreher) Düster, düster, am düstersten: Mayhem, Cannibal 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