Klassiker-Konflikt
Nur eine Frage stellt sich, wenn man Laas da von seinen Rap-Thron-Ambitionen reden hört: Genau wie Kollaborateur Shindy scheint er auch ein Vollblut-Deutschrap-Nerd zu sein. Die beiden leben in einer Welt von Power-Levels und Legenden, Träumen von Klassikern und dem ganz großen Hak. Aber die Szene ist inzwischen so komplett zersplittert, fast alle großen kulturellen Instanzen gehen auf dem Zahnfleisch, gefühlt kam seit Jahren kein Klassiker mehr heraus - und selbst, wenn es einen gegeben hätte, gibt es niemanden mehr, der noch genug auktoriale Clout hat, um ihn als solchen auszurufen. Dementsprechend mal offene Frage in den Raum: Entstehen eigentlich noch Deutschrap-Klassiker? Wenn ja, wer bestimmt das? Wenn nein, liegt das an der Qualität oder gibt es Anwärter, die einfach unter dem Radar durchrutschen?
Ich hoffe, dass das nicht zu kulturpessimistisch klingt. Ich glaube persönlich auf jeden Fall nicht daran, dass Deutschrap wesentlich schlechter geworden wäre als noch vor zehn Jahren. Klar, Blütezeiten kommen und gehen, aber gerade im letzten Jahr habe ich für mich mehr vielversprechende Newcomer entdeckt als in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts zusammen. Gefühlt hat sich nur die ganze Diskussion der Szene so komplett dezentralisiert, dass es richtig schwer fällt, totale Aussagen zu machen, was gerade taugt und was nicht.
2013 wäre noch jeder an Bord gewesen, einen SSIO oder die damals noch ganz coolen Genetikk abzufeiern. Heute lebt jeder in seiner eigenen Bubble, es gibt immer weniger Reviews, immer weniger relevante Interviews (die nicht mit Fler und Manuellsen geführt werden) und auch Sound-mäßig begegnet man sich weniger. Wenn ich mit meinem Bruder spreche, besteht Deutschrap aus 187, Lugatti und 9ine, BHZ und der Playboysmafia, wenn ich mit Yo Mama Fromm, Ana oder Rinko spreche, kriege ich von einem Dutzend wortgewandter Griesgräme zu hören, die scheinbar auch ganz guten Deutschrap machen. Der gemeinsame Nenner ist gar nicht so einfach, zu finden, aber jede Bubble produziert ihre eigenen kleinen Legenden. Fragt sich nur, ob diese Fragmentierung es nicht erschwert, wenn wir in zehn Jahren daraufschauen wollen, wie Deutschrap 2020 eigentlich so geleibt und gelebt hat.
4 Kommentare mit 9 Antworten
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.
"Gefühlt hat sich nur die ganze Diskussion der Szene so komplett dezentralisiert, dass es richtig schwer fällt, totale Aussagen zu machen, was gerade taugt und was nicht."
Würde mal behaupten, dass das die ganz normale musikalische Entwicklung ist, die in anderen Genres auch so stattfindet/stattgefunden hat. In einer immer vernetzteren Welt, in der auch die exotischste Musik immer leichter verfügbar ist und jede musikalische Facette bedient werden kann, sucht sich halt jeder, was in seine persönliche musikalische Ecke passt. Finde ich als Entwicklung eigentlich auch nicht wirklich negativ. Das gilt aber natürlich nur, bis man irgendwann merkt, dass es eigentlich eh nur die Mucke eines Leonard Cohen, Tom Waits o.ä wirklich braucht und man alles andere eigentlich auch aus dem Fenster kippen könnte, ohne dass es die Welt wirklich ärmer machen würde.
Der letzte Teil war jetzt natürlich nur ein kleiner Jux meinerseits. Bitte nicht stänkern.
Na ja, wenn man darüber nachdenkt, was am Ende übrig bleibt? NLE Choppas Shotta-Reihe oder Songs Leonard Cohen, dann würde ich eher auf letzteres setzen. Lieder über Geld, Drogen, Autos und Ficki-Ficki sind halt genau wie diese Sachen, ein temporärer Spaß, den jeder kann, aber nicht die Welt bewegt.
Ich höre und lese bis heute, dass sich wohl weiterhin (fast) alle Auf Haftis Russisch Roulette einigen können.
Für mich persönlich würde ich noch Caspers XOXO dazuzählen.
Nach den beiden wird es aber schon dünn.
Absolut!
Bla bla bla. Gehen wir Mal die Klassiker der letzten Jahre durch:
Haftbefehl - Russisch Roulette
Hanybal - Haramstufe rot
Celo und Abdi - Mietwagentape
Degenhardt - Handbuch des Giftmischers
Prezident - Kunst ist eine...
Kurdo - 11 Stock Sound 2
Und das fällt mir nur spontan ein. Aus Deutschland. In den USA kommen dann Sachen wie blank face Oder astroworld dazu.
der Großteil davon sind vielleicht deine persönlichen Favoriten. Bei echten Klassikern geht es aber um breiten Impact. 30-50% der Deutschrap Hörer kennen weder Degenhardt noch Prezident. Und Kurdo ist auch nicht als der Klassiker-Überrapper bekannt. Aus deiner Liste höre ich von Fans und anderen Rappern eigentlich immer nur das Hafti-Album.
Bei Klassiker geht es doch nicht darum, dass ein Klassiker einen riesen Impact auf "die Szene" hatte. Was auch immer die ist. Es kann auch in Nischen Klassiker geben.
Abseits dessen war das nur eine begonnene Liste. Und den Impact von Alben wie dem Mietwagentape oder zum Beispiel auch Flers Vibe als massiver Einfluss auf nachfolgende Rapper ist nicht von der Hand zu weisen. Selbst wenn nicht konkret benannt.
Joa, bin da bei Squalli bzgl. Nischen-Klassiker, da würde ich z.B. auch Hollywood Hank mit "Soziopath" anführen.
Mit dem Nischenargument kann man natürlich alles zum Klassiker erklären
Hafti - Unzensiert
Bushido - Sonny Black
Celo und Abdi - Bolchance
Olexesh - Nu eta da
Audio88 und Yassin - Halleluja
Fard und Snaga - Talion 2
RAF Camora - Anthrazit
Kollegah - King
Harry Quintana - 1517
Haiyti - Follow mich nicht
10 solide 2010er Jahre Klassiker. Mag sicher nicht jeder alles, aber schwamm drüber.
DIY, Tru, Geist, PaP
Für die letzten 5 Jahre.