Am 5. Oktober startet die Doku "Immer Noch Jung – 15 Jahre Killerpilze" im Kino. Die ist gerade für Nicht-Fans absolut sehenswert.
Dillingen (mab) - Die Bravo ist tot, VIVA und MTV spielen längst keine Rolle mehr. Und viele denken wohl, dass auch die Killerpilze – eine Band, die im Teenageralter gerade über diese Medien groß rauskam – längst Geschichte sind. Denkste. Den Satz "Was? Euch gibts noch?!" haben Max Schlichter, Jo und Fabi Halbig inzwischen wahrscheinlich fast so oft gehört wie vor gut zehn Jahren: "Ich will ein Kind von euch!" Ja, die Killerpilze gibts noch und sie entern anno 2017 nicht mehr nur Konzertbühnen, sondern auch Kinosäle.
Zum 15. Existenzjahr beschenkt das Trio sich selbst, seine Fans, aber auch ganz generell Musikinteressierte mit der Dokumentation "Immer Noch Jung". Federführend dabei waren Drummer Fabi und Mäx' Bruder David Schlichter. Für ihre Regieleistung gewannen die beiden beim diesjährigen Filmfest München den Publikumspreis – angesichts ihrer spannend und vor allem alles andere als einseitig erzählten Aufarbeitung des Killerpilze-Werdegangs sicherlich verdient.
Aus der Provinz zum Gästelistencasanova
Für die viele endete das Kapitel Killerpilze wohl mit dem Rückzug von Major-Label Universal, das die Band nach zwei veröffentlichten Alben vor die Tür setzte. Der Aufstieg von der bayrischen Provinzband zum Zehntausender-Hallen füllenden Teenie-Hype, der fast ebenso abrupt endete wie er begann, nimmt etwa die Hälfte des Films in Anspruch. Dank eines reichen Video-Archivs, aus dem sich die Regisseure ausgiebig bedienen, dürfte dieser Teil zur nostalgischen Zeitreise für so manch alten Fan werden und bietet Einblicke hinter die Kulissen von TV-Auftritten, Labelkram und Groupiewahnsinn.
Aus dem Off steuern die Bandmitglieder Kontext und ihre Erfahrungen bei, in Talking-Head-Interviews kommen etwa Produzent Corni Bartels, der ehemalige Bravo-Chefredakteur Alex Gernandt, Universal-A&R Siegfried Schüler zu Wort und Mama Halbig zu Wort. Letztere erzählt, wie sie – sehr zum Ärger ihrer Söhne – vor dem Haus campende Mädchen aus Mitleid übernachten ließ. Jo verspricht unterdessen am Telefon im TV Total-Dressingroom einer Berliner Bekanntschaft Gästelistenplätze. Solche Anekdoten lockern den Film auf, trotzdem verlieren die Killerpilze nicht den Handlungsschwerpunkt aus den Augen. Insgesamt ist "Immer Noch Jung" straff erzählt, so dass zu keiner Zeit Langeweile aufkommt.
Nach einem Tittenorkan ist alles möglich
Kritische Stimmen bleiben keineswegs außen vor. Gerade der 2007 ausgestiegene Bassist Schlagi nimmt kein Blatt vor den Mund und straft den damals offiziellen Scheidungsgrund "Konzentrieren auf den Schulabschluss" Lügen. "Das hat doch nichts mehr mit Punk zu tun" bellt er in die Kamera. Nein, hat es nicht und auch darauf kommen die Killerpilze zu sprechen. Vorher gilt es aber noch, die Trennung von Universal mit DIY-Mentalität zu kompensieren.
Die Band, die in der zweiten Hälfte des Films in neugefundener Selbstständigkeit Alben veröffentlicht und Kommentare von unter anderem Jennifer Rostock und Klaas Heufer-Umlauf ("Killerpilze – das klingt, als wärs nichts für Erwachsene") einholt, hat mit den Schulkindern von einst kaum noch etwas zu tun. Statt durchgereicht zu werden, kämpft man jetzt vor allem selbst um Anerkennung. Wie Kraftklubs Felix sagt: "Wenn die Killerpilze einen Titten-Orkan entfachen können, dann ist alles möglich."
Eine Bereicherung für die deutsche Doku-Landschaft
In knapp zwei Stunden bietet "Immer Noch Jung – 15 Jahre Killerpilze" ein umfassendes Porträt der Band, die einst mit "Richtig Scheiße (Auf 'Ne Schöne Art Und Weise)" die Charts stürmte und heute als Trio und ohne große Medienpräsenz das Münchener Backstage zum Ausrasten bringt. Das selbstgesteckte Ziel, sich damit von gewöhnlichen Bonus-Material-Banddokus abzusetzen, ist David Schlichter und Fabi Halbig mit ihrem top produzierten Kinofilm definitiv gelungen.
Gerade auf der großen Leinwand machen die eingestreuten Live-Schnipsel Spaß, und auch die vielen Homevideos sind so eingebettet, dass zu keinem Zeitpunkt das Wort "billig" in den Sinn kommt. Schon auf internationaler Ebene sind Kino-Musikdokumentation recht rar gesät, im deutschen Markt gibt es sie so gut wie gar nicht – um so schöner, dass "Immer Noch Jung" richtig gut geworden ist. Für Fans ein Muss, für alle anderen ein Film, um sowohl den imaginären Stempel Teenie-Hype von den Killerpilzen zu lösen als auch um Einblicke ins Innere der deutschen Musiklandschaft zu bekommen.
"Immer Noch Jung – 15 Jahre Killerpilze" startet am 5. Oktober 2017 in den deutschen Kinos. Ende Oktober starten die Killerpilze ihre Jubiläumskonzertreise mit Stops in Frankfurt, Hamburg, Berlin, Stuttgart, Köln, Braunschweig, Dresden und München.
3 Kommentare
hört, hört! klingt tatsächlich spannend!
hört, hört! klingt tatsächlich spannend!
Hört, hört! Klingt tatsächlich... beschissen.