30. April 2014
"Ein Pixie springt nicht ins Publikum"
Interview geführt von Kai ButterweckSage und schreibe 23 Jahre mussten Pixies-Fans auf ein neues Studioalbum ihrer Heroen warten. Mit dem Longplayer "Indie Cindy" wagt sich die Band um Frontmann Frank Black nun endlich wieder zurück ins Rampenlicht.
Soundgarden, Pearl Jam, Nirvana, PJ Harvey, Radiohead - die Liste der Musiker, die ohne den Einfluss der Pixies heute wohl eher herkömmlichen Berufen nachgehen würden, ist lang. Die Verantwortlichen selbst konnten in der Vergangenheit mit all den Lobgesängen allerdings nur wenig anfangen. In unzähligen Interviews wunderten sich Frank Black und Co. über nicht enden wollende Kniefälle. Man habe doch schließlich nur Musik gemacht, wie jede andere Band auch, hieß es des Öfteren aus dem Pixies-Lager. Wir trafen uns mit David Lovering und Joey Santiago in Berlin zum Gespräch, und siehe da: Die Wahrnehmung scheint sich mittlerweile etwas verändert zu haben.
Berlin: Ein poppiges In-Hotel nahe der Gedächtniskirche. Die Lobby ist kunterbunt eingerichtet. Mal was anderes. Sehr schön. Wir werden in einen Konferenzraum mit Blick auf den Breitscheidplatz geführt. Dort streckt uns David Lovering bereits zwischen Tür und Angel freudestrahlend die Hand zur Begrüßung entgegen.
Hi David, schön dich zu treffen.
David: Freut mich auch. Komm doch rein. Joey, kommst du?
(Joey Santiago sitzt derweil zusammengekauert in einer Ecke und scheint zu zeichnen.)
Joey: Klar doch. Bin schon da. Sorry, gehts schon los?
Bereit, wenn ihr es seid.
Joey: Alles klar.
Was hast du denn da gezeichnet?
Joey: Oh, nix Spannendes. Purer Zeitvertreib.
(Und weg ist das Blatt.)
Ok. Bevor wir über Aktuelles sprechen, würde ich gerne erst einmal mit euch über das Reunion-Jahr 2004 reden.
Joey: Oh Gott, ist das schon wieder zehn Jahre her?
Fühlt sich immer noch an wie gestern?
Joey: Irgendwie schon. Auf jeden Fall nicht wie zehn Jahre.
Wie schwer fiel euch damals denn die erneute Zusammenkunft? Ihr seid ja zehn Jahre zuvor nicht gerade in Frieden auseinandergegangen.
David: Es war eigentlich ganz easy, oder?
Joey: Ja, würde ich auch sagen. Wir haben uns einfach hingesetzt, kurz geredet und dann losgelegt. Ruckzuck hatten wir wieder zehn Songs im Sack. Das ging wirklich schnell.
"Wir sind doch keine Akkordarbeiter"
Vor allem das exzessive Touren soll damals mit ein Grund für eure Auflösung gewesen sein. Hattet ihr keine Angst, wieder alte Wunden aufzureißen, als plötzlich tonnenweise Anfragen ins Haus flogen?
Joey: Eigentlich nicht. Ich kann mich erinnern, dass wir ziemlich euphorisiert waren. Wir machten wieder zusammen Musik. Das hat alles andere irgendwie unwichtig erscheinen lassen. Außerdem hatten wir relativ früh das Coachella-Angebot in der Tasche. Das hat uns nochmal einen richtigen Kick gegeben.
David: Wir waren zu Beginn aber auch in weniger bekannten Städten unterwegs. Ich glaube, das haben wir auch mit Absicht so gemacht, um der Pressewelle ein wenig aus dem Weg zu gehen. Irgendwann waren wir aber wieder mittendrin im Business. Es fühlte sich allerdings irgendwie reifer und erwachsener an, als zehn Jahre zuvor. Wahrscheinlich lag es einfach nur daran, dass wir nicht mehr so jung waren.
Ihr wart dann fast zehn Jahre lang mit einem Greatest Hits-Paket auf der ganzen Welt zu Gast. Im vergangenen Jahr habt ihr eure Fans dann plötzlich mit dem Song "Bagboy" überrascht, dem kurz darauf drei EPs mit weiteren neuen Stücken folgten. Gab es einen Schlüsselmoment in puncto Neuaufnahmen?
Joey: Wir hatten ziemlich lange das Gefühl, dass es keinen Sinn machen würde neue Songs aufzunehmen. Keine Ahnung, da war irgendwie eine Art Barriere. Ich meine, wir machten wieder Musik zusammen, die Hallen waren voll und wir verstanden uns prächtig. Daran wollten wir nichts ändern. Irgendwann wurde aber mehr draus. Wir merkten plötzlich, dass wir wieder eine richtige Band waren. Und was macht eine richtige Band? Sie geht auf Tour und nimmt Songs auf. Es gab keinen Moment. Es war eher ein Prozess, der sich immer weiter entwickelte und irgendwann dazu führte, dass wir uns mit neuen Songs beschäftigten.
Nach der Veröffentlichung von "Bagboy" hofften natürlich viele Fans auf einen baldigen Nachschlag in Form eines kompletten Albums. Ihr habt aber erst einmal auf die EP-Karte gesetzt. Warum?
David: Es ging uns dabei in erster Linie um den Überraschungseffekt. Wir wollten einfach etwas anderes ausprobieren.
Joey: Hat doch auch gut geklappt, oder?
Ja, schon. Wobei der eine oder andere etwas enttäuscht war, als klar wurde, dass die EP-Songs auch den Ton auf "Indie Cindy" angeben werden.
Joey: Wir sind aber doch keine Akkordarbeiter. Wir sind die Pixies. Und ich denke, dass wir mittlerweile auch Dinge in Angriff nehmen können, die anderen Bands vielleicht das Genick brechen würden. Wir hatten Lust auf das EP-Format und wir hatten auch Lust dazu, das Ganze dann nochmal in einer kompakten Form zu veröffentlichen. Punkt.
"Die Zeiten sind vorbei"
Das klingt sehr selbstbewusst.
Joey: Verwundert dich das?
Naja, ich kenne viele Interviews, in denen ihr euch und euer bisheriges Schaffen eher klein haltet.
Joey: Die Zeiten sind vorbei (lacht).
David: Wir sind halt eher eine ruhige Band, die sich nicht so gerne in den Vordergrund drängt, wenn es um musikhistorische Fakten geht. Damit sind wir bisher auch immer ganz gut gefahren. Das heißt aber nicht, dass wir uns unseres Einflusses nicht bewusst sind.
Hatte Kim Deal irgendwann keine Lust mehr auf dieses vermeintlich unterwürfige Verhalten?
Joey: Nein, ich glaube nicht (lacht). Sie hatte einfach andere Pläne. Das war zwar zuerst ein Schock für uns, aber auch völlig okay. Als sie uns ihre Entscheidung mitteilte, haben wir eine halbe Stunde lang geschwiegen, sind dann aufgestanden, haben uns den Mund abgewischt und weitergemacht. So war es.
David: So war es (lacht).
Dann kam Kim Shattuck…
Joey: Oh je, hör mir auf…
David: Ja, das war nicht so einfach.
Joey: Nicht so einfach? Das hat irgendwie von Anfang an nicht gepasst. Dave, weißt du noch, als sie in Los Angeles plötzlich mitten in der Show ins Publikum hüpfte? Hallo? Gehts noch?
David: Ja, das war schon etwas bizarr.
Zu viel für euch?
Joey: Zu viel für uns. Zu viel für die Pixies. Oder hast du einen von uns schon mal ins Publikum springen sehen? Das funktioniert bei uns einfach nicht.
Sie sei aber so euphorisiert gewesen, sagte sie.
Joey: Das ist mir völlig egal. Dann kann man lächeln, Tränen vergießen oder mal kurz "Yeah" ins Mikrofon brüllen. Aber man springt nicht ins Publikum, wenn man Teil der Pixies ist.
Eure neue Bassistin Paz Lenchantin hat mit derartigen Gefühlsausbrüchen weniger am Hut?
Joey: Sie ist wunderbar.
David: Bei ihr passt alles. Musikalisch und menschlich läuft alles reibungslos. Wir sind mit ihr sehr zufrieden.
Das freut mich für euch. Abschließend würde mich jetzt nur noch interessieren, ob "Indie Cindy" irgendwann noch ein Geschwisterchen bekommt, oder ein Einzelkind bleibt?
David: Ähhh…
Joey: Also momentan haben wir alle richtig viel Spaß zusammen. Und wenn das so bleibt – was ich hoffe – werden wir sicherlich auch noch ein weiteres Mal ins Studio gehen. Warum nicht?
David: Ja, warum auch nicht.
Cool.
3 Kommentare mit einer Antwort
also soundgarden gibt es laenger als die pixies.
Jau, aber das sagt ja nix über gegenseitige beeinflussung aus
"Die Pixies haben uns Ende der Achtziger stark beeinflusst. Wer weiß, wo wir heute stehen würden, wenn wir nicht irgendwann über "Surfer Rosa" gestolpert wären." (Chris Cornell, 1994)
nen einfluss bestreite ich gar nicht.. ist nur so formuliert, als wuerden die bands ohne die pixies gar nicht existieren, so weit kann man besonders bei soundgarden nicht gehen denk ich. aber wie auch immer, schoenes interview!