2. August 2001

"Ich musste mich einfach ausziehen, um die Nervosität loszuwerden"

Interview geführt von

Es ist 15 Uhr und noch zwei Stunden hin bis zum Auftritt der Steinzeit-Königinnen. Die Sonne brennt runter wie in der Palm Desert, was unserem Gesprächspartner Nick Oliveri eigentlich bekannt vorkommen müsste.

Ob der bärtige Glatzkopf-Bassist uns deswegen wohl gesonnen sein wird, wissen wir noch nicht, als wir durch sorgfältig abgeriegelte Grünflächen in den Backstage-Bereich gebracht werden, wo uns ein etwas unausgeschlafener Oliveri auf dem Flur entgegenwankt. Während des Gesprächs kam er allerdings recht schnell zu sich und zeigte sich auch sonst gut gelaunt.

Hi, Nick. Wie lief euer Gig gestern auf dem Hurricane Festival?

Nick: Großartig. Gestern wars ziemlich kühl und bewölkt. Heute ist es ja wahnsinnig heiß. Als wir hier ankamen, dachte ich erst ich wäre in LA, Mann. Aber die Crowd ging gut ab.

Wie gefällt es euch in Europa? Gibt es einen Unterschied zwischen eurer Popularität hier und in den Staaten?

Nick: Ich ziehe es vor, im Ausland zu sein. Daheim ist alles viel langweiliger. Ich mag es, herumzureisen, auf andere Leute und Kulturen zu treffen. Deutschland gefällt mir wirklich gut. In Europa sind wir auch ein wenig beliebter als in den USA. Das liegt wohl daran, dass wir nicht viel mit den gerade angesagten Bands in Amerika gemein haben. Unser Musikstil passt irgendwie nicht in die gängigen Genres. Zunächst war es schwer für uns, in den Staaten Fuß zu fassen. Jetzt sind wir aber an einem guten Level angelangt, denke ich. Manchmal füllst du 2000er-Hallen in NYC und spielst danach dann vor 300 Leuten in St. Laurence, Kansas. Amerika ist einfach verdammt groß.

Letztes Jahr haben wir euch zusammen mit Monster Magnet in Hamburg einen Hammergig abliefern sehen. Irgendwie war es aber schade, dass ihr nur so kurz gespielt habt.

Nick: Ja, das lag daran, dass wir die Opener für Monster Magnet waren. Wir mussten uns an die Setzeit halten, die uns vorgeschrieben war. Aber es war trotzdem sehr cool. Ein schnelles Rein-Raus-Spiel. Die Tour mit Monster Magnet war schon was Besonderes, denn die Typen sind ja unsere Kumpels. In England haben wir das Ganze dann umgedreht und Monster Magnet waren unsere Anheizer. Das liegt jedoch auch daran, dass wir dort populärer sind als in Deutschland.

Ist es angenehmer für euch, kürzer zu spielen?

Nick: Nein, nicht unbedingt. Es ist ok für uns, als Opener die Leute anzuheizen. Trotzdem: gib dich nie mit weniger zufrieden als du kriegen kannst. Heute haben wir ne ganze Stunde auf der Bühne, das ist eine gute Länge. Da bleibt genug Zeit, um Spaß zu haben.

In Hamburg und bei Rock In Rio hast du vor allen Leuten die Hüllen fallen lassen. In Rio hat man dich deswegen von der Bühne verhaftet. Wie war es denn im brasilianischen Knast?

Nick: Oh, ich war nicht im Gefängnis. In Rio haben sie einen Richter, der an der Seite der Bühne das Konzert überwacht. Der wollte mich zuerst unter Arrest stellen, doch letztendlich reichte ihm eine öffentliche Entschuldigung von mir aus. Also hab ich "Sorry" gesagt (lacht). Aber als mich diese Gorillas von der Bühne gezerrt haben, war mir schon ziemlich mulmig. Die ganze Zeit dachte ich: das darf doch nicht wahr sein Mann, du bist doch in Rio. Warum sollten die sich aufregen, wenn ich sowas sogar im prüden Arkansas ungestraft machen kann? Sexualität wird in Rio doch viel offener gelebt und Nacktheit ist dort praktisch allgegenwärtig.

Noch dazu ist Rio der Ort des Karnevals, wo die Mädels oben ohne im Fernsehen rumhüpfen. Jesus, die Brasilianer haben doch den String Tanga erfunden! Und außerdem war es heiß draußen. Normalerweise werde ich nicht mehr nervös vor Konzerten. Aber dort waren 250.000 Leute vor Ort und ich musste mich einfach ausziehen, um die Nervosität loszuwerden. In solchen Momenten musst du einen Punkt überwinden, damit es dir besser geht. Das war der eigentliche Grund dafür, warum ich mich ausgezogen habe. (lacht)

Hast du das Gefühl, dass es hier liberaler zugeht?

Absolut. In Hamburg hat sich keine Sau darum geschert. Im Gegenteil, die wussten das zu schätzen. Eigentlich mag ich überhaupt keine Klamotten anziehen. Sie sind viel zu unbequem. Außerdem bin ich nicht gerade die größte Modepuppe (lacht). Ich ziehe mir keine besonderen Klamotten an, um damit irgendein Statement zu transportieren. Ihr kennt doch das Gefühl, wenn euch einer in voller Montur in den See schmeißt, mit Jeans, T-Shirt, Socken, Stiefeln und so. Alles ist hinterher nass und schwer. So fühlt es sich für mich meistens nach einem Konzert an. Deshalb ziehe ich mich eben aus. Das ist angenehmer.

Mark Lanegan ist seit kurzem ein offizielles Mitglied der Band.

Nick: Ja, er ist zur Band dazugestoßen. Wir haben gerade ein paar Shows in England gespielt. Er sang etwa vier Songs pro Abend, z.B. "Autopilot", das ich auf dem Album singe. Dann "In The Fade", das er ja ohnehin auf der Platte singt. Dann singt er noch den ZZ Top-Song "Precious and Grace" vom "Tres Hombres"-Album. Und ähm, ja, Josh wird ihn "Walking On The Sidewalk" singen lassen. Auf dem neuen Album werden wir drei uns die Songs aufteilen, jeder wird zwischen 3 und 4 Songs singen. Es wird keinen Leadsänger geben.

Leider musste uns Mark in England schon wieder kurzfristig verlassen, weil gerade sein Soloalbum "Fieldsongs" herauskommt und er sich etwas um sein eigenes Business kümmern musste. Aber wenn wir in die Staaten zurückkommen - so um den 6. Juli - dann treffen wir uns alle im Studio und werden die neue Platte aufnehmen. Davor haben wir gerade noch einen Tag frei, um unseren Jetlag auszukurieren (lacht). Alle Songs sind schon geschrieben. Wir haben sie aber noch gar nicht live ausprobiert, weil wir die ursprüngliche Energie der Songs fürs Studio aufbewahren wollen.

Habt ihr Mark aus Freundschaft ins Team geholt oder weil er euren Gitarrensound druckvoller gestalten könnte?

Nick: Ich glaube, es war ein wenig von beidem. Er hat eine unglaubliche Röhre und ist einfach ein fabelhaft guter Sänger. Mit QOTSA haben wir jetzt hoffentlich klar gemacht, dass wir uns ständig Veränderungen unterziehen. Unterschiedliche Bandmitglieder, vielfältige Elemente, etc. Und so kam eben die Idee auf: lass uns Mark dazuholen. Er kann bei uns bleiben, solange er will und wenn er gehen will, kann er wieder gehen. Es gibt keine strengen Bindungen.

Kannst du die Gerüchte über eine Zusammenarbeit mit Dave Grohl bestätigen?

Nick: Ja und nein (lacht). Ihr wisst ja, wir haben Gene Troutman als Drummer. Aber vielleicht wird Dave Grohl bei ein oder zwei Songs auf unserer neuen Scheibe mitspielen. Das wird eine ziemlich kraftvolle Version von QOTSA geben. Außerdem hat Grohl schon seit Ewigkeiten kein Schlagzeug mehr malträtiert. Das wird sein erstes Rock-Ding an den Drums seit Nirvana. Er ist ein sehr intensiver Drummer und er hat einfach einen Trademark-Beat, verstehst du? Jeder weiß, dass es Dave Grohl ist, wenn er spielt (lacht).

Wenn ihr auf Tour seid und euch Ideen für neue Songs kommen, wie geht ihr mit dem neuen Material um? Habt ihr einen Minidisc-Player im Tourbus?

Nick: Wir haben Akustik-Gitarren im Bus, aber wir müssen uns die Ideen merken. (lacht) Josh und ich haben alle neuen Songs schon fertig, jetzt müssen wir sie nur noch der Band vorspielen. Wenn wir mit unserem Zeug fertig sind, kann's losgehen.

Aber man spricht doch über die Songs, die man schreibt.

Ja schon, wir spielen uns ab und zu gegenseitig unsere Ideen vor und ich sage: "Hey, was hältst du davon?" Josh: "Ich finds scheiße!". Okay. Dann sage ich: "Und was ist damit?" Und er: "Cool, lass uns weiter daran arbeiten." So ungefähr läuft das ab.

Aber keiner von uns kommt an und sagt: (Nick mit verstellter Stimme) "Hee Dude, ich habe jetzt die ganze Woche an dem Song gearbeitet. Du verletzt meine Gefühle!" (alle lachen). Nichts von dem Scheiß. Es ist entweder gut genug oder nicht. Vielleicht bringt man die Idee ein Jahr später noch mal an und dann passt es. Aber wenn es im Moment nicht geht, dann schafft es das Teil auch nicht auf die Platte.

Meinst du, es wird mit der neuen Platte schwierig, etwas ähnlich intensives wie "Rated R" zu schaffen?

Nick: Also, wir haben uns etwa eine Minute darüber den Kopf zerbrochen (lacht) und uns dann gesagt: es wird wesentlich einfacher! Die neue Platte wird ziemlich fette Gitarren haben, ähnlich der ersten Platte. Es wird aber auch diese dunklen Popmelodien von "Rated R" geben und viele neue unterschiedliche Elemente. Wir haben uns vorgenommen, mit jeder Platte etwas völlig anderes als auf den Vorgängern zu schaffen. Und wir werden uns immer weiterentwickeln, egal ob hinsichtlich der Bandmitglieder oder dem Songwriting. Das Ganze wird sich immer nach vorne bewegen.

Steht ihr nicht unter massivem Druck, neue Songs schreiben zu müssen?

Nick: Ab und zu schon. Aber ich glaube, wir sind ziemlich über diesen Druck hinweg, wenn die Songs erst mal stehen. Natürlich ist es stressig, immer an die neue Platte denken zu müssen, wenn noch nicht alle Tracks geschrieben sind. Aber man kann die Songs ja nicht aus sich herauspressen. Wenn sie leicht aus einem herausfließen, dann sind das meist die besten. Wir haben auch keinen Druck vom Label oder vom Management. Der Titel des Albums steht jetzt schon fest. Es wird "Songs For The Deaf" heißen. Nach dem Motto: Selbst wenn du nichts hörst, diese Scheibe wird jeder hören können! (lacht)

Es wird wohl eine ziemlich laute Angelegenheit. Dreh das Teil auf und ab geht's! (lacht) Wir müssen nur noch das Coverartwork fertig machen. Die Grundidee steht auch schon. Auf der letzten Platte hatten wir dieses Film-Ding. Dieses Mal ist es ein Radio-Thema. Die Platte wird mit den Geräuschen anfangen, die entstehen, wenn jemand am Radio herum dreht, mit diesen Störgeräuschen und dann geht's ab. Nach dem Song kommt dann wieder Rauschen, dann der nächste Song usw.

Ihr habt erst kürzlich einen Song zum Turbonegro-Tribut beigesteuert.

Nick: Yeah! "Back To Dungaree High". Ich muss mir sofort eine CD holen! Die haben uns gar keine zugeschickt. Ich war sogar auf zwei Songs vertreten! Ich spiele noch Bass auf dem Dwarves-Cover. Ich war schon immer ein Turbonegro-Fan, da gab es nichts zu überlegen, als sie uns nach einem Song fragten. Natürlich machen wir das. (lacht)

Welche Band könntest du dir noch vorstellen zu covern?

Motörhead wäre cool, etwas in diese Richtung. Oder irgendwas von Björk.

Was ist eigentlich aus deinem Nebenprojekt Mondo Generator geworden?

Nick: Wenn ich heimkomme, werde ich zunächst die neue QOTSA aufnehmen. Danach geht's gleich weiter ins Studio mit Mondo Generator. Ich war zwar noch nie mit denen auf Tour, aber es wird ganz sicher neues Material kommen.

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