Das Lebensbild Ciceros hat seine Risse bekommen. Wenig ist übriggeblieben von überschäumendem "Frau'n Regiern die Welt"-Swing, leisere Töne stehen im Vordergrund. Auf den ersten Blick lässt die Fixierung auf die Trennung von Frau und Kind ein womöglich zu verinnerlichtes Album erwarten. Doch mit …
Das Album erzählt von Selbstreflektion und Neubeginn. Mit der neuen Roger Cicero CD „Was immer auch kommt“ wird zumindest der „swinggwohnte/swingliebende“ Fan nach „In diesem Moment“ (2011) abermals gefordert, sich schon wieder auf ein gänzlich neues Sound- und Textkonzept einzulassen. Tiefgreifende Ereignisse in Ciceros Leben sind die Motivation für ein Album, welches von neuen Sichtweisen, spirituellem Bewusstsein gepaart mit Selbsterkenntnis und natürlich auch von Trennung und der damit verbundenen Melancholie handelt.
Aber trotzdem ist diese CD keineswegs von durchdringender Traurigkeit geprägt - wie das zunächst klingen mag. Es stimmt - in vier Songs thematisiert Cicero Trennung, - aber es gibt kein „sich im Kreise der Trauer oder des Unabwendbaren drehen“. Jeder dieser 13 neuen Songs unterscheidet sich textlich und musikalisch und eröffnet Aussichten auf nötige Änderungen, optimistischen Neuanfang, aber auch auf kritisches Überdenken der eigenen Lebensthematik.
„Transformation“ nennt Cicero dies in einigen aktuellen Interviews. Ich nehme ihn ernst, nachdem ich die neuen, gemeinsam im Cicero-Team erarbeiteten Songtexte kenne: niemals zuvor waren sie persönlicher, differenzierter, klarer, ehrlicher und ironieabweisender als auf dieser neuen CD. Auch der Humor fehlt nicht! Natürlich seltener und der oft gerühmte „Wortwitz“ scheint mir im Gegensatz zu früher klischeefreier und weniger „zwingend“ die Erwartungen erfüllen zu wollen.
Es gefällt mir außerdem, dass hier nicht mit Lösungen geprahlt wird. Wie immer ein Neubeginn sich gestaltet - eine Restskepsis, ein Zweifel oder eine fast unbezwingbare Sehnsucht nach dem alten Zustand taucht realitätsnah auf: In einem seiner besten „Trennungs-Songs“ „Endlich wieder frei“ bekennt Cicero im Refrain des Songs:
„endlich wieder frei - ich bin obenauf - und ich sag' es in den Spiegel - solang' bis ich's selber glaub - endlich wieder frei - leb' ohne jeden Kompromiss - aber dann kommt zum Schluss: Gott wie ich dich vermiss'
Nicht nur wegen Benny Browns Flügelhorn-Solo hat dieser Song gemeinsam mit „Hollywood“ die deutlichsten Jazzakzente. Dass die neue Cicero CD in den Jazzcharts bei Amazon auf Platz 1 schon länger steht (oder stand) wird beim ersten Anhören der CD nicht gleich plausibel. Hört man die CD öfter - am besten über Kopfhörer - offenbaren sich hier und da feine Jazzakzente, die unauffällig in den Arrangements fast „versteckt“ liegen. Ich war auch erstaunt, was ich an Instrumenten (z. B. die wunderbar eingesetzte Hammondorgel) und Ideen in den Arrangements gehört habe. Fast auf allen Songs sind Bläser zu hören - allerdings meistens leise und weich im Mix des Soundkokon integriert.
Ich denke, würde man Songs wie „Endlich wieder frei“ und besonders „Hollywood“ von Cicero mit englischen Lyriks hören, wäre die Einsortierung in die Jazzcharts überhaupt nicht bestreitbar, denn der Jazzgehalt ist definitiv vorhanden: So könnte eine Jazzballade der Jetztzeit klingen. Ohne Ciceros jazzerfahrene Musiker, die immer wieder auf dieser CD mit ihren akustischen, handgespielt-jazzigen Kostbarkeiten unaufdringlich auffahren, würde sich diese CD mit Sicherheit anders anhören.
„Unaufdringlich“ passt zu dem Album, bei dem Musik und Ciceros Gesang überwiegend zurückgenommener und dezenter eingespielt wurde als man es von Cicero-Aufnahmen sonst gewohnt ist. Cicero arbeitet auf dieser CD außerdem noch öfter mit Chorstimmen als auf früheren Alben. Oder er lässt seine Stimme im Hintergrund multiplizieren. Aber das ist sehr feinfühlig abgemischt und wird vordergründig kaum wahrgenommen. Generell gefällt mir die unverfälschte Solostimme, besonders wenn sie so gut ist wie bei Roger Cicero - immer besser als die Vervielfältigung einer Stimme. Jedoch ist der Wechsel von diesem Stimm-Mischklang zu Ciceros Singstimme „pur“ sehr reizvoll. Das Ganze ist vielleicht eine auf Mainstream angepasste Soundangelegenheit, die zudem eine gut hörbare Radiotauglichkeit aufweist - was hauptsächlich bei der Single „Wenn es morgen schon zu Ende wäre“ zutrifft. Aber trotzdem kann ich deshalb nirgendwo "seichte“ Instrumentierung entdecken.
Bei diesem Album entdeckt man die vielen sorgfältigen Details und musikalischen Kostbarkeiten in den Arrangements erst nach mehrmaligem Hören, aber dann um so nachhaltiger und wirkungsvoller. Mit Gesangsexkursionen, in denen Cicero seine Stimme ausreizt wie zum Beispiel bei „Von Dunkelheit zu Licht“ (CD „In diesem Moment“ 2011) wird man auf dieser neuen CD nicht bedient. Sei es die klangtechnische Ausführung oder bewusste Intention von Cicero: hier ging es nicht vorrangig um eine kraftvolle, umfassende Präsentation seiner Ausnahmestimme, sondern darum, für die subtilen Texte ein angepasstes Klangbild zu schaffen: den Songs tut dieses gewisse Understatement sehr gut. Deshalb ist diese CD so völlig anders geworden als seine vier Vorgänger. Und deshalb bin ich mit dem Pressetext zur CD einverstanden, wenn es da heißt: “Intensität durch Reduktion“
Beim einzigen Cover der CD - Rio Reisers Song „Strasse“ - erreicht Cicero mit seinen Musikern eine geradezu kongeniale Verschmelzung von textlicher Aussage mit der Musik. Intensiver, tiefer Bass gleich zu Beginn, sanft schleichen sich Keyboard/Percussionklänge, Gitarre, und später ein Bläserensemble ein. Die Drums bleiben in diesem Song im Gegensatz zu allen anderen Songs zurückhaltender. Die Melodie ist einfach, fast monoton - die immer gleichen Akkorde wiederholen sich.
Aber das hat was - der Hörer vollzieht intensiv dieses immer „weitergehen“ auf der Strasse, dazu die Gedankengänge, die Reflexionen über die gewesene Beziehung von denen der Song erzählt. Trotz dieser „Einfachheit“, (oder gerade deswegen?) hat der Song etwas „sperriges“ und man findet nicht auf Anhieb Zugang. So ging es Cicero nach eigenem Bekunden - und mir ebenso. Der Song ist auch ein gutes Beispiel für dieses Album, dass sich einem die musikalische Schlüssigkeit nicht sofort erschließt. Die durchweg guten Texte dürften dagegen sofort überzeugen.
Vom Neubeginn und sprühend lebensbejahenden Gefühlen handeln die Songs „Du bist mein Sommer“, und „Wenn es morgen schon zu ende wär“. Auch „Durch deine Augen“ erzählt enthusiastisch die Geschichte einer neuen Beziehung. Klanglich inspiriert hat man sich hier am Sound der Beatles - nach meinem Gehör so etwa um die Zeit von „Abbey Road“ herum. Der Höhepunkt des Songs ist ein eindrucksvolles, längeres Gitarrensolo von Ulrich Rode. „Du bist mein Sommer“ könnte ich mir als einzigen Song auch gut auf dem Vorgängeralbum „In diesem Moment“ vorstellen. Der Song wirkt auf mich wie ein Pendant zu „Erste Liebe“.
„So sieht man sich wieder" behandelt humorvoll und deshalb etwas durch die rosarote Brille gesehen, was nach der Trennung passieren kann, wenn sich Patchworkfamilien bilden. Hier sehe ich vor meinem geistigen Auge lustige Bilder einer typisch überdrehten Hollywood-Komödie ablaufen.
Das realistische Gegenstück ist dann ganz klar der Song „Hollywood“, ein Glanzlicht mit Saxophon und Orgel, in dem es heißt: “.. und zum Abschied fällt kein Regen - es gibt keinen letzten Kuss - kein Orchester zum Finale - komm, wir machen keine Szene - das hier ist nicht Hollywood“.
Das wirkliche Drama findet VOR einer Trennung statt und auch noch danach hat jeder für sich daran zu nagen. Der tatsächliche Moment der Trennung scheint oft so erschreckend banal und undramatisch. Weder verdüstert sich der Himmel, die Erde öffnet sich nicht, kein Sturm erhebt sich - höchstens ein Hund bellt, ein Kind schreit auf dem Supermarktparkplatz an einem Dienstagnachmittag , wo ein Paar sich gerade endgültig trennt. So beschreibt es der Song in guter Beobachtung. Die Szene wirkt nicht filmgerecht, das ist wahrlich nicht Hollywood.
Wunderbar gelungen und musikalisch schwebend „leicht“ ist der Song „Glück ist leicht“ Poppiges Arrangement mit starken Drums und immer wieder mehrstimmig abgemischt. Ein rundum perfekter Song.
Sehr interessant ist „Knapp daneben“ mit schönen Harmonien, weichen Bläsern und großartigem Text. Als Gegenpol zu den Pop- und Jazzakzenten finden wir bei den zuletzt erwähnen Titeln auch stark die Singer/Songwriter Seite dieses Albums.
Wirklich ernst und herzzerbrechend traurig ist der 13. Song des Albums „Frag nicht wohin“. Für wen dieser Song geschrieben wurde, ist klar. Hier kommt sinngemäß Entschuldigung, Wiedergutmachung, Besänftigung, Abbitte, Fürsorge und Liebe in einem Lied sehr berührend zum Ausdruck. Roger Cicero singt diese lyrische Ballade im Klavier- und Streichersound überaus gefühlvoll mit klarer, unvermischter Stimme. Trotz starker Emotionen wirkt der phantasievolle Text mit seinen Bildern und Metaphern wenig sentimental.
Was das künstlerische Verarbeiten seiner persönlichen Gefühlszustände betrifft, ist dieses nicht neu bei Roger Cicero. Er hat den wunderbaren Song "Ich hätt so gern noch Tschüß gesagt" für seinen Vater geschrieben. Oder "Für 'nen Kerl" behandelt die Freude über die Geburt seines Sohnes. Berühmte Künstler wie Eric Clapton , Reinhard Mey haben ihren Schmerz in Liedern über ihren Sohn ausgedrückt und Grönemeyer hat den Tod seiner Frau thematisiert.
Die Liste der Künstler, die ihre privaten Befindlichkeiten, ihre Sorgen und Nöte in ihren Werken ausgedrückt haben ist endlos. Ob sie damit nur ihre Plattenumsätze befeuern wollten, ist eine sehr einseitige Unterstellung.
Zum Song von Clapton "Tears in Heaven" habe ich niemals Kritik gehört, die in diese Richtung ziehlt. Warum sollte man einem Roger Cicero weniger glauben? Gilt sein sein Schmerz weniger?
Den ersten, schwungvollen Titelsong der CD „Was immer auch kommt“ kann man eigentlich als Resümee und Schlüssel aller nachfolgenden sehen. Eine Erfahrung hat sich vollzogen, ein Bewusstseinswandel ist eingetreten und der bestimmt eine Neuordnung der eigenen Lebensumstände. Melancholie ist verflogen! Jetzt gilt, was Cicero in Interviews zum Album seinen Hörern mitgibt: „Das Leben zu leben - und zwar jetzt!“
Trotz mancher Enttäuschung einiger Cicero - Fans die dem Swing-Sound immer noch nachtrauern, stelle ich für mich fest, dass Roger Cicero mit diesem ersten und sehr persönlichen Konzeptalbum eine thematische Dichte und musikalisch adäquate Form erreicht, die bemerkenswert ist. Ich finde es positiv, dass er etwas ganz anderes gewagt hat - auch wenn es aus seiner Lebenssituation heraus entstanden ist.
Das Lebensbild Ciceros hat seine Risse bekommen. Wenig ist übriggeblieben von überschäumendem "Frau'n Regiern die Welt"-Swing, leisere Töne stehen im Vordergrund. Auf den ersten Blick lässt die Fixierung auf die Trennung von Frau und Kind ein womöglich zu verinnerlichtes Album erwarten. Doch mit …
Das Album erzählt von Selbstreflektion und Neubeginn. Mit der neuen Roger Cicero CD „Was immer auch kommt“ wird zumindest der „swinggwohnte/swingliebende“ Fan nach „In diesem Moment“ (2011) abermals gefordert, sich schon wieder auf ein gänzlich neues Sound- und Textkonzept einzulassen. Tiefgreifende Ereignisse in Ciceros Leben sind die Motivation für ein Album, welches von neuen Sichtweisen, spirituellem Bewusstsein gepaart mit Selbsterkenntnis und natürlich auch von Trennung und der damit verbundenen Melancholie handelt.
Aber trotzdem ist diese CD keineswegs von durchdringender Traurigkeit geprägt - wie das zunächst klingen mag. Es stimmt - in vier Songs thematisiert Cicero Trennung, - aber es gibt kein „sich im Kreise der Trauer oder des Unabwendbaren drehen“. Jeder dieser 13 neuen Songs unterscheidet sich textlich und musikalisch und eröffnet Aussichten auf nötige Änderungen, optimistischen Neuanfang, aber auch auf kritisches Überdenken der eigenen Lebensthematik.
„Transformation“ nennt Cicero dies in einigen aktuellen Interviews. Ich nehme ihn ernst, nachdem ich die neuen, gemeinsam im Cicero-Team erarbeiteten Songtexte kenne: niemals zuvor waren sie persönlicher, differenzierter, klarer, ehrlicher und ironieabweisender als auf dieser neuen CD. Auch der Humor fehlt nicht! Natürlich seltener und der oft gerühmte „Wortwitz“ scheint mir im Gegensatz zu früher klischeefreier und weniger „zwingend“ die Erwartungen erfüllen zu wollen.
Es gefällt mir außerdem, dass hier nicht mit Lösungen geprahlt wird. Wie immer ein Neubeginn sich gestaltet - eine Restskepsis, ein Zweifel oder eine fast unbezwingbare Sehnsucht nach dem alten Zustand taucht realitätsnah auf: In einem seiner besten „Trennungs-Songs“ „Endlich wieder frei“ bekennt Cicero im Refrain des Songs:
„endlich wieder frei - ich bin obenauf - und ich sag' es in den Spiegel - solang' bis ich's selber glaub - endlich wieder frei - leb' ohne jeden Kompromiss - aber dann kommt zum Schluss: Gott wie ich dich vermiss'
Nicht nur wegen Benny Browns Flügelhorn-Solo hat dieser Song gemeinsam mit „Hollywood“ die deutlichsten Jazzakzente. Dass die neue Cicero CD in den Jazzcharts bei Amazon auf Platz 1 schon länger steht (oder stand) wird beim ersten Anhören der CD nicht gleich plausibel. Hört man die CD öfter - am besten über Kopfhörer - offenbaren sich hier und da feine Jazzakzente, die unauffällig in den Arrangements fast „versteckt“ liegen. Ich war auch erstaunt, was ich an Instrumenten (z. B. die wunderbar eingesetzte Hammondorgel) und Ideen in den Arrangements gehört habe. Fast auf allen Songs sind Bläser zu hören - allerdings meistens leise und weich im Mix des Soundkokon integriert.
Ich denke, würde man Songs wie „Endlich wieder frei“ und besonders „Hollywood“ von Cicero mit englischen Lyriks hören, wäre die Einsortierung in die Jazzcharts überhaupt nicht bestreitbar, denn der Jazzgehalt ist definitiv vorhanden: So könnte eine Jazzballade der Jetztzeit klingen. Ohne Ciceros jazzerfahrene Musiker, die immer wieder auf dieser CD mit ihren akustischen, handgespielt-jazzigen Kostbarkeiten unaufdringlich auffahren, würde sich diese CD mit Sicherheit anders anhören.
„Unaufdringlich“ passt zu dem Album, bei dem Musik und Ciceros Gesang überwiegend zurückgenommener und dezenter eingespielt wurde als man es von Cicero-Aufnahmen sonst gewohnt ist. Cicero arbeitet auf dieser CD außerdem noch öfter mit Chorstimmen als auf früheren Alben. Oder er lässt seine Stimme im Hintergrund multiplizieren. Aber das ist sehr feinfühlig abgemischt und wird vordergründig kaum wahrgenommen. Generell gefällt mir die unverfälschte Solostimme, besonders wenn sie so gut ist wie bei Roger Cicero - immer besser als die Vervielfältigung einer Stimme. Jedoch ist der Wechsel von diesem Stimm-Mischklang zu Ciceros Singstimme „pur“ sehr reizvoll. Das Ganze ist vielleicht eine auf Mainstream angepasste Soundangelegenheit, die zudem eine gut hörbare Radiotauglichkeit aufweist - was hauptsächlich bei der Single „Wenn es morgen schon zu Ende wäre“ zutrifft. Aber trotzdem kann ich deshalb nirgendwo "seichte“ Instrumentierung entdecken.
Bei diesem Album entdeckt man die vielen sorgfältigen Details und musikalischen Kostbarkeiten in den Arrangements erst nach mehrmaligem Hören, aber dann um so nachhaltiger und wirkungsvoller. Mit Gesangsexkursionen, in denen Cicero seine Stimme ausreizt wie zum Beispiel bei „Von Dunkelheit zu Licht“ (CD „In diesem Moment“ 2011) wird man auf dieser neuen CD nicht bedient. Sei es die klangtechnische Ausführung oder bewusste Intention von Cicero: hier ging es nicht vorrangig um eine kraftvolle, umfassende Präsentation seiner Ausnahmestimme, sondern darum, für die subtilen Texte ein angepasstes Klangbild zu schaffen: den Songs tut dieses gewisse Understatement sehr gut. Deshalb ist diese CD so völlig anders geworden als seine vier Vorgänger. Und deshalb bin ich mit dem Pressetext zur CD einverstanden, wenn es da heißt: “Intensität durch Reduktion“
Beim einzigen Cover der CD - Rio Reisers Song „Strasse“ - erreicht Cicero mit seinen Musikern eine geradezu kongeniale Verschmelzung von textlicher Aussage mit der Musik. Intensiver, tiefer Bass gleich zu Beginn, sanft schleichen sich Keyboard/Percussionklänge, Gitarre, und später ein Bläserensemble ein. Die Drums bleiben in diesem Song im Gegensatz zu allen anderen Songs zurückhaltender. Die Melodie ist einfach, fast monoton - die immer gleichen Akkorde wiederholen sich.
Aber das hat was - der Hörer vollzieht intensiv dieses immer „weitergehen“ auf der Strasse, dazu die Gedankengänge, die Reflexionen über die gewesene Beziehung von denen der Song erzählt. Trotz dieser „Einfachheit“, (oder gerade deswegen?) hat der Song etwas „sperriges“ und man findet nicht auf Anhieb Zugang. So ging es Cicero nach eigenem Bekunden - und mir ebenso. Der Song ist auch ein gutes Beispiel für dieses Album, dass sich einem die musikalische Schlüssigkeit nicht sofort erschließt. Die durchweg guten Texte dürften dagegen sofort überzeugen.
Vom Neubeginn und sprühend lebensbejahenden Gefühlen handeln die Songs „Du bist mein Sommer“, und „Wenn es morgen schon zu ende wär“. Auch „Durch deine Augen“ erzählt enthusiastisch die Geschichte einer neuen Beziehung. Klanglich inspiriert hat man sich hier am Sound der Beatles - nach meinem Gehör so etwa um die Zeit von „Abbey Road“ herum. Der Höhepunkt des Songs ist ein eindrucksvolles, längeres Gitarrensolo von Ulrich Rode. „Du bist mein Sommer“ könnte ich mir als einzigen Song auch gut auf dem Vorgängeralbum „In diesem Moment“ vorstellen. Der Song wirkt auf mich wie ein Pendant zu „Erste Liebe“.
„So sieht man sich wieder" behandelt humorvoll und deshalb etwas durch die rosarote Brille gesehen, was nach der Trennung passieren kann, wenn sich Patchworkfamilien bilden. Hier sehe ich vor meinem geistigen Auge lustige Bilder einer typisch überdrehten Hollywood-Komödie ablaufen.
Das realistische Gegenstück ist dann ganz klar der Song „Hollywood“, ein Glanzlicht mit Saxophon und Orgel, in dem es heißt: “.. und zum Abschied fällt kein Regen - es gibt keinen letzten Kuss - kein Orchester zum Finale - komm, wir machen keine Szene - das hier ist nicht Hollywood“.
Das wirkliche Drama findet VOR einer Trennung statt und auch noch danach hat jeder für sich daran zu nagen. Der tatsächliche Moment der Trennung scheint oft so erschreckend banal und undramatisch. Weder verdüstert sich der Himmel, die Erde öffnet sich nicht, kein Sturm erhebt sich - höchstens ein Hund bellt, ein Kind schreit auf dem Supermarktparkplatz an einem Dienstagnachmittag , wo ein Paar sich gerade endgültig trennt. So beschreibt es der Song in guter Beobachtung. Die Szene wirkt nicht filmgerecht, das ist wahrlich nicht Hollywood.
Wunderbar gelungen und musikalisch schwebend „leicht“ ist der Song „Glück ist leicht“ Poppiges Arrangement mit starken Drums und immer wieder mehrstimmig abgemischt. Ein rundum perfekter Song.
Sehr interessant ist „Knapp daneben“ mit schönen Harmonien, weichen Bläsern und großartigem Text. Als Gegenpol zu den Pop- und Jazzakzenten finden wir bei den zuletzt erwähnen Titeln auch stark die Singer/Songwriter Seite dieses Albums.
Wirklich ernst und herzzerbrechend traurig ist der 13. Song des Albums „Frag nicht wohin“. Für wen dieser Song geschrieben wurde, ist klar. Hier kommt sinngemäß Entschuldigung, Wiedergutmachung, Besänftigung, Abbitte, Fürsorge und Liebe in einem Lied sehr berührend zum Ausdruck. Roger Cicero singt diese lyrische Ballade im Klavier- und Streichersound überaus gefühlvoll mit klarer, unvermischter Stimme. Trotz starker Emotionen wirkt der phantasievolle Text mit seinen Bildern und Metaphern wenig sentimental.
Was das künstlerische Verarbeiten seiner persönlichen Gefühlszustände betrifft, ist dieses nicht neu bei Roger Cicero. Er hat den wunderbaren Song "Ich hätt so gern noch Tschüß gesagt" für seinen Vater geschrieben. Oder "Für 'nen Kerl" behandelt die Freude über die Geburt seines Sohnes. Berühmte Künstler wie Eric Clapton , Reinhard Mey haben ihren Schmerz in Liedern über ihren Sohn ausgedrückt und Grönemeyer hat den Tod seiner Frau thematisiert.
Die Liste der Künstler, die ihre privaten Befindlichkeiten, ihre Sorgen und Nöte in ihren Werken ausgedrückt haben ist endlos. Ob sie damit nur ihre Plattenumsätze befeuern wollten, ist eine sehr einseitige Unterstellung.
Zum Song von Clapton "Tears in Heaven" habe ich niemals Kritik gehört, die in diese Richtung ziehlt. Warum sollte man einem Roger Cicero weniger glauben? Gilt sein sein Schmerz weniger?
Den ersten, schwungvollen Titelsong der CD „Was immer auch kommt“ kann man eigentlich als Resümee und Schlüssel aller nachfolgenden sehen. Eine Erfahrung hat sich vollzogen, ein Bewusstseinswandel ist eingetreten und der bestimmt eine Neuordnung der eigenen Lebensumstände. Melancholie ist verflogen! Jetzt gilt, was Cicero in Interviews zum Album seinen Hörern mitgibt: „Das Leben zu leben - und zwar jetzt!“
Trotz mancher Enttäuschung einiger Cicero - Fans die dem Swing-Sound immer noch nachtrauern, stelle ich für mich fest, dass Roger Cicero mit diesem ersten und sehr persönlichen Konzeptalbum eine thematische Dichte und musikalisch adäquate Form erreicht, die bemerkenswert ist. Ich finde es positiv, dass er etwas ganz anderes gewagt hat - auch wenn es aus seiner Lebenssituation heraus entstanden ist.