Porträt

laut.de-Biographie

Sham 69

Auf dem Lokus fallen einem die interessantestes und manchmal auch abstrusesten Sachen ein. Jimmy Pursey wird das mit Sicherheit bestätigen, denn auf einer öffentlichen Toilette entdeckt er beim Strullern ein Graffiti, das eigentlich an den Fußballclub Hersham 69 erinnern soll. Das 'Her' war allerdings kaum mehr lesbar und da Jimmy aus dem Kaff kommt und beinharter Fan des Clubs ist, nennt er seine Band 1975 einfach Sham 69.

Von den anderen Musikern aus den Anfangstagen ist zwölf Monate später schon keiner mehr dabei, und als sie ihre ersten Konzerte geben, stehen neben Jimmy noch Gitarrist Dave Parsons, Basser Albert Maskell und Drummer Mark 'Dodie' Cain auf der Bühne. Musikalisch sind sie im Punk verwurzelt, bringen aber auch typische Fußball-Gesänge mit ein und etablieren sich - dank ihres Backgrounds aus der Arbeiterklasse - bald als eine der führenden Bands im Oi Punk-Bereich. Auf ihren Konzerten ziehen sie hauptsächlich ein Skinhead-Publikum an, das aber zu der Zeit nicht unbedingt dem rechten Lager zuzuordnen ist.

In Sachen Gewalt geht es bei ihren Gigs aber dennoch hoch her und bei einem Rock Against Racism-Konzert mit Elvis Costello und anderen 1978 stürmen sogar ein paar rechtsextreme Skins die Bühne und lassen den Gig platzen. Das bekommt Albert allerdings schon als Tourmanager mit, denn den Bass hat er nach der ersten Single "I Don't Wanna" an Dave 'Kermit' Treganna abgegeben.

Der spielt somit auf dem Debütalbum "Tell Us The Truth", das im Frühjahr '78 über Polydor erscheint und über Sire auch in den USA auf den Markt kommt. Dem voran gehen die Singles "Angels With Dirty Faces" und vor allem "If The Kids Are United", das u.a. die Toten Hosen 1991 auf ihrer "Learning English"-Platte covern.

Sind auf dem Debüt neben Studiosongs noch einige Live-Aufnahmen zu finden, legen sie im selben Jahr mit "That's Life" nochmal ordentlich nach. Die rechte Szene versucht die Band derweil immer stärker für ihre Belange und Aktivitäten einzuspannen, obwohl sich Jimmy deutlich von der National Front und allen anderen, ähnlichen Gruppierungen distanziert. Bevor sie sich an die Aufnahmen zum nächsten Album machen, verlässt Mark die Band und gibt die Sticks an Rick Goldstein (Ex-Automatics) ab.

"The Adventures Of Hersham Boys" nehmen sie im Le Chateau-Studio in Nordfrankreich auf und entfernen sich darauf musikalisch etwas vom Punk. Es geht etwas mehr in Richtung Rock, kommerziell wird die Band immer erfolgreicher. Allein die Tatsache, dass man auf ihren Konzerten leicht eine auf die Schnauze bekommt, ist der Sache etwas abträglich. Vor allem haben sie sich damit erst mal jede Möglichkeit verscherzt, in den USA aufzutreten. Allerdings sind ihre Gigs bei Top Of The Pops bis heute legendär!

Für "The Game" geht es in die Super Bear-Studios in die französischen Alpen. Pink Floyd haben dort gerade "The Wall" aufgenommen und Sham 69 wollen ebenfalls einen Klassiker aufnehmen. Für einen weiteren Auftritt bei Top Of The Pops fliegen sie zwischen den Aufnahmen nach London und entgehen nur mit viel Glück einem Flugzeugabsturz. Auch die Limousine, welche sie ins Fernsehstudio bringen soll, hat einen Unfall und Jimmy ist danach dermaßen von der Rolle, dass er nicht mehr nach Frankreich zurückkehren will, sondern seine Vocals in Shepperton einsingt.

Der Rest der Band beendet das Album in den Super Bear-Studios, doch nachdem die Scheibe kommerziell floppt, lösen sich Sham 69 bald auf. Jimmy will eigentlich mit Steve Jones und Paul Cook der Sex Pistols eine neue Band starten, doch das ganze geht schnell in die Hose und Jimmy versucht sich solo. Rick und die beiden Daves gründen derweil mit Stiv Bators von The Dead Boys die Truppe The Wanderers, ehe der mit Dave Treganna die Lords Of The New Church gründet. 1981 kollaboriert Jimmy sogar für die Single "Animals Have More Fun" mit Peter Gabriel, jedoch ohne großen Erfolg.

So wundert es nicht großartig, dass die Band 1987 eine Reunion startet. Neben Jimmy und Dave Parsons sind nun Basser Mat Sargent und Drummer Ian Whitewood dabei. In dieser Besetzung nehmen sie "Volunteer" auf und ärgern sich darüber, dass McDonalds ihren Song "If The Kids Are United" als Musik für ihre Werbung benutzen. Die Rechte an dem Song sind schon lange verkauft und Jimmy ist inzwischen Veganer und strikter Gegner von McDonalds. Über die Jahre hinweg spielen sie immer mal wieder ein paar CDs ein, erlangen aber lange nicht mehr den Stellenwert, den sie in den 80ern inne hatten.

Pursey ist nebenher immer wieder als Solokünstler aktiv, lässt aber mehr und mehr erkennen, dass er an Auftritten und Konzerten kaum mehr Interesse hat. Erst 2005 tauchen Sham 69 wieder im Rampenlicht auf, als Tony Blair "When The Kids Are United" als Hintergrundmusik zu seinem Einmarsch auf der Konferenz der Labor-Partei wählt. Auch im folgenden Jahr sind sie für eine Überraschung gut, als die überragende Mehrheit der Breakfast Show auf Virgin Radio die Band auswählt, um den Titelsong der englischen Fußball-Nationalmannschaft zu schreiben und zu singen. Aus "Hurry Up, Harry" wird also "Hurry Up, England".

Ende des Jahres gehen Jimmy und der Rest der Band getrennte Wege. Parsons, Whitewood und der neue Basser Rob Jefferson suchen sich mit Tim V. einen neuen Shouter und veröffentlichen im November 2007 "Western Culture". Jimmy Pursey zetert derweil gegen diese Konstellation und hat derweil ein eigenes Album namens "We Interrupt This Program" aufgenommen. Beide behaupten natürlich, die einzig wahren Sham 69 zu sein und eine Einigung ist nicht in Sicht.

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