laut.de-Kritik
Ausgiebige Wortgefechte mit dem "Man in Black".
Review von Benjamin Fuchs"Das ist der erste Song, den ich geschrieben habe, nachdem Jimmy gestorben ist. Darin steckt alles, was Sophia ausmacht, und ihr Fucker habt nichts besseres zu tun, als zu reden, während ich diesen Song spiele?" Sophia-Kopf Robin Proper-Sheppard meint "So Slow" vom Debütalbum "Fixed Water". Kurz zuvor hatte er begonnen, ihn zu spielen.
Jimmy Fernandez war einst Bassist der Band The God Machine, wo auch Proper-Sheppard sang und Gitarre spielte. Bei den Aufnahmen zum zweiten Album starb Fernandez plötzlich. Die sehr gereizte Bemerkung ist der Auftakt eines Schlagabtausches zwischen ihm und einem Fan, der am Abend im ausverkauften Kölner Blue Shell immer wieder aufflammen und den Abend überschatten sollte.
Der Ausgangspunkt: Nachdem Vito, die Neuentdeckung seines Labels The Flower Shop, ein hinreißendes Set mit hochmelodischen, noisigen Popkonstruktionen dargeboten hatte, und das Publikum damit vollständig für eine halbe Stunde in eine Klangwelt zwischen Sigur Ròs, Godspeed You Black Emperor und Aereogramme in sanfteren Momenten hinein gezogen hatte, steigt Proper-Sheppard mit seiner Akustikgitarre auf die Bühne.
Komplett in schwarz gekleidet sieht er aus, als hätte er beschlossen, Johnny Cash mit aller Kraft den Titel des "Man in Black" abzujagen. Freundlich bittet er das Publikum, sich hinzusetzen. Gar nicht so einfach, nehmen sitzende Menschen doch erheblich mehr Platz ein als stehende. "Glaubt mir, das Konzert wird besser, wenn ihr euch setzt". Wer seine Songs kennt, weiß um die teils dramatischen Erlebnisse, die sie verarbeiten und die sich Proper-Sheppard bei der Performance immer wieder vor Augen holt.
Die intime Atmosphäre ist für ein Akustikset notwendig, für das er mit Stift und Zettel bewaffnet, bereitwillig Wünsche entgegennimmt. Ein Fan wünscht sich lautstark und wenig sensibel einen Song von "The God Machine", der Schlagabtausch nimmt wohl hier seinen Anfang. Proper-Sheppard wiegelt ab, scherzt, der Track sei doch mindestens aus den 70ern.
"I Left You" bildet den Auftakt des mehr als einstündigen, sehr intensiven und persönlichen Sets, das einige interessante Einsichten brachte. Unter anderem, dass sogar ein Freund von Proper-Sheppard den Song "Holidays Are Nice" zu fröhlich findet. Raunen im Publikum bezeugt, dass die Mehrheit ähnlich über den Fremdkörper auf "People Are Like Seasons" denkt. "The Sea", das er einst für seine Tochter Hope schrieb, musste Kritik der Besungenen selbst einstecken. Zu langsam und traurig habe Hope den Song gefunden, plaudert der Sänger zwischenzeitlich fast fröhlich aus dem Familienalbum.
Einen Höhepunkt findet das Konzert im bezaubernd-hoffnungslosen "If Only". Immer wieder lässt Proper-Sheppard böse Kommentare in Richtung seines Kontrahenten ab, der sich ab und an verteidigt und damit immer nur mehr "Fuck Yous" des Sängers auf sich zieht. Er könne auch gerne gehen, bietet Proper-Sheppard mehrfach an.
Immer unruhiger wird die Stimmung im Blue Shell, ein leises Rauschen dokumentiert den Diskussionsbedarf, den das Publikum hat. Immer gereizter wird indes der Mann in schwarz, beschwert sich über das Publikum und pickt immer wieder den Kerl heraus, der einem jetzt schon fast leid tun muss. Die Ahnung eines vorzeitigen Konzertendes flammt auf. Vorerst geht es aber weiter.
"Oh My Love" kommt in der veränderten Live-Version wesentlich weniger poppig daher als auf CD, ein Segen für den Song. Schließlich ist das Maß voll. Etwas später bricht der Sänger mitten in einem Stück ab und ruft seine Mitmusiker auf die Bühne. "Come On Vito, let's rock these fucking bastards!" Gesagt, getan. Erleichterung bei all jenen, denen man die bis zum Gesäß eingeschlafenen Beine an den Augen ablesen kann. Dank des rifforientierten, rotzigen Rocks brennt bald die Hütte. Proper-Sheppard schwitzt, klampft und singt sich den Frust von der Seele. Ob alles nur inszeniert war, um einen besseren Start in den Rockteil des Abends zu bekommen?
Lautstark fordert das Publikum Zugaben, die Band kehrt zurück. "Eine Freundin dieses Kerls hat mich gerade angeschrien, wie ich so gemein sein könnte", verkündet er durchs Mikrofon. "She can fuck right off. She can go straight to hell as far as I am concerned." Deutlicher gehts nicht. Ob das unbedingt nötig ist? "Ich denke, ihr seid alle gekommen und habt Geld bezahlt, um Sophia zu hören und nicht irgendeinen Typen, der meint, ständig reden zu müssen", setzt er nach. Lauter Applaus gibt ihm Recht. Ein dicker Nachschlag Rock'n'Roll von seinem Projekt "The Mayqueens" bringt den denkwürdigen Abend zu einem furiosen Ende.
Bleibt die Frage ob ein Sänger so mit seinem Publikum umspringen sollte. Nett war das sicher nicht, aber andererseits stört bei einem Akustikset Kaffeehausgeplapper aus dem Hintergrund doch enorm. Geht man nicht zu einem Konzert, um Musik zu hören? Reden kann man auch woanders. Im Zweifelsfall hat Dieter Nuhr recht: Einfach mal Fresse halten!