25. November 2015

"In mir herrscht keine Bitterkeit."

Interview geführt von

Sozusagen als kleine Releasetour sind Subsignal im Herbst 2015 in ein paar deutschen Clubs unterwegs, um dort das aktuelle Album "The Beacons Of Somewhere Sometime" auf dessen Livetauglichkeit abzuklopfen. Nebenbei müssen auch Drummer Dirk Brand (Axxis) und Keyboarder Markus Michael (Dante) zeigen, dass sie vollkommen zurecht die Posten in der Band besetzen.

Da der Abschluss der Tour im Nachtleben in Frankfurt stattfindet, bietet sich die Möglichkeit, zusammen mit Markus Steffen und Arno Menses ein wenig über Vergangenheit, Zukunft und natürlich das neue Album zu sprechen. Und außerdem den Beweis anzutreten, dass es auch im Progressive Metal/Rock Humor geben darf.

Markus, "The Beacons Of Somewhere Sometime" ist ein sehr interessanter Titel. Gibt es das als stehenden Begriff, oder woher hast du das?

Markus: Nein, das ist dichterische Freiheit, die ich mir erlaubt habe (lacht). Wir haben eine Metapher für Hoffnung gesucht, und den Anstoß für den Titel habe ich mir auch ein wenig bei "Der Herr Der Ringe" geklaut. Da sagt Aragorn bei einer Gelegenheit: 'The beacons of Gondor al lit', was der Gruppe wieder Hoffnung gibt. Außerdem finde ich das Wort beacons sehr schö, und irgendwie hatte ich diesen Titel dann im Kopf und es erschien mir als gute Metapher für Hoffnung. Auch die Lautmalerei hat einfach einen sehr schönen Klang, was ja auch nicht ganz unwichtig ist. Ich wollte einen Titel, der das Ausmaß des Albums repräsentiert und als ich ihn Arno geschickt hatte ...

Arno: Hab ich gesagt, der is echt scheiße!

Markus: So richtig scheiße. Und deswegen haben wir den Titel dann genommen (alle lachen).

Sehr gut. So würde ich das in meiner Band auch machen. Während der Titel aber Hoffnung impliziert, drückt da Coverartwork und das komplette Inlay der CD eher Einsamkeit und quasi das genaue Gegenteil aus.

Markus: Der Schwan ist ein sehr altes Symbol, für ein unvorhersehbares Ereignis, welches es bereits seit der Antike gibt. Die Idee gefiel mir im Zusammenhang mit den Songs sehr gut und so hab ich das Motiv an Thomas Eberhard weitergegeben und wir waren vom ersten oder zweiten Entwurf gleich so überzeugt, dass wir den genommen haben.

Ich musste im Zusammenhang mit dem Schwan daran denken, dass das eines der wenigen Lebewesen ist, das wirklich vollkommen monogam lebt.

Markus: Stimmt. Soweit bin ich jetzt nicht gegangen, ist aber auch eine schöne Interpretation.

Du hast auf dem Album ein paar sehr schwere und extrem intime Momente verarbeitet. War denn schwer für dich, diese Texte dann aus der Hand zu geben und von jemand anderem singen zu lassen?

Markus: Eigentlich gar nicht, schließlich kennen Arno und ich uns schon sehr lange und ich wusste, dass meine Texte bei ihm in sehr guten Händen sind. Das sind ja auch keine singulären Erfahrungen, die nur ich in meinem Leben mache. Das sind Dinge, die passieren, die täglich passieren. Ich denke, man müsste nur hier im Raum mal rumfragen und da wären einige dabei, die ähnliche Geschichten erzählen könnten. Entsprechend habe ich auch versucht, die Texte so zu halten, dass quasi jeder damit was anfangen kann, egal ob das jetzt eine persönliche Erfahrung von mir ist, oder nicht. Es geht gar nicht darum, dass ich meine intimsten Erfahrungen und Erlebnisse in den Texten beschreibe, sondern dass sich jeder ein eigenes Bild machen und vielleicht auch darin wieder finden kann.

Aber es sind ja nichtsdestotrotz deine persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse.

Markus: Schon richtig, aber das trifft doch auf alle meine Texte zu. Das habe ich ja schon früher so gehandhabt. Wenn ich was schreibe, dann muss das was sein, das mich beschäftigt und womit ich mich auskenne. Das ist mit der Musik ja nicht anders. Auch dort versuchen Arno und ich nur das auszudrücken, was wir tief drinnen fühlen. Da geht es nicht darum, irgendwelche Erwartungen zu erfüllen oder Vorgaben zu erreichen.

"Welche Metapher ist besser als das Meer?"

Ich bin von den beidem zutiefst beeindruckt. Gerade auch die Tatsache, dass ich aus den Texten keine Bitterkeit herauslese. Alles ist sehr deskriptiv gehalten.

Markus: Genau, die Texte sind auch eher eine Zustandsbeschreibung, keine Abrechnung. Dafür gäbe es auch keinen Anlass, in mir herrscht keine Bitterkeit.

Arno: Ich schon!

Markus: Ja, ich auch, wenn ich dich jeden Morgen sehe, aber da muss man durch (lacht). Aber zurück zu den Texten, da muss man einfach ehrlich sein, auch mit sich selber. Ich denke, man kann nur dann etwas kreieren, was für sich auch in Anspruch nehmen kann, ehrlich zu sein. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen hochgestochen, aber wir versuchen wirklich ehrliche Musik zu machen. Ähnlich, wie bei einem Theaterstück, entstehen auch meine Texte erst mal im Dialog mit mir selber. Wenn das nicht der Fall ist, fühlt sich das schnell konstruiert an und das merken die Leute, meiner Meinung nach. Wobei ich auch nicht das Talent dazu hätte, beispielsweise über die Flüchtlingsproblematik zu schreiben und daraus eine Oper zu machen. Du verstehst, was ich meine. Wobei ich aber auch nicht ausschließen möchte, mich eines Tages wirklich an ein echtes Konzeptalbum zu wagen.

Im Groben ist das ja – vom vierteiligen Titeltrack mal abgesehen – bereits mehr oder weniger ein Konzeptalbum. Wenngleich die Texte nicht in chronologischer Reihenfolge sind.

Markus: Nein, das auf keinen Fall. Und es ist auch keine Geschichte, die von vorne bis hinten durch erzählt wird. Es ist einfach eine Beobachtung und Schilderung von Zuständen und Gefühlen. Wobei ich bewusst versucht habe, das ein wenig allgemeiner zu halten. "The Tempest" könnte auch sowas wie die Beschreibung des Hurricans Kathrina sein. Im Verlauf des Textes geht es dann vom globalen auf die private Ebene. Von daher sind sämtliche Texte sowas wie Variationen des selben Themas.

Wasser im Allgemeinen und die See im Besonderen werden von dir sehr oft als Metapher und Bilder aufgegriffen. Wie kommt es dazu? Weder Wien, noch München haben besonders großen Zugang zum Meer.

Markus: Nicht wirklich, da hast du recht (lacht). Aber ich habe eine gewisse Besessenheit vom Meer und würde dort auch sehr gern leben. Hätte ich die Gelegenheit, ich würde sofort ans Meer ziehen. Das kommt sicherlich aus meiner Kindheit, weil wir damals viel Zeit dort verbracht haben. Welche Metapher ist besser als das Meer? Das funktioniert auf so vielen Ebenen für so viele Sachen.

Da kommt mir auch spontan ein Titel wie "The Art Of Navigating By The Stars" in den Sinn (das erste Sieges Even-Album, bei dem Arno und Markus zusammen gearbeitet haben).

Arno: Ja, das kommt daher, weil mein Vater Astronaut war.

Ich dachte, deine Mama war Astronaut? (alle lachen) Wie ist das denn für dich, wenn du Texte liest, in denen Markus einen Seelenstriptease hinlegt. Fällt es dir leicht, die da hinein zu versetzen? Immerhin singst du die Sachen auch sehr emotional.

Arno: Nein, das fällt mir nicht wirklich schwer. Allerdings denke ich beim Singen oft gar nicht an die Wörter oder die Geschichte, die ich gerade erzähle. Dann sind es mehr die Melodie und die Noten, die ich mit der Stimme spiele. Aber Markus und ich kennen uns ja mittlerweile so ein bisschen. Ich weiß, was sich in seinem Leben abspielt und was ihn beschäftigt. Von daher kann ich mich ganz gut in ihn und seine Texte hinein versetzen. Und wenn er nicht meckert, weiß ich, dass ich einen guten Job gemacht habe.

Wie oft kommt das vor?

Arno: Wenn ich genug bezahle, meckert er fast nie (lacht). Wir arbeiten seit zwölf Jahren jetzt nicht nur sehr eng mit einander, wir sind auch sehr enge Freunde geworden in der Zeit. Vielleicht singe ich nicht immer alles genau so, wie er es sich beim Schreiben vorgestellt hatte, aber da er sich nicht beklagt hat, denke ich, ich bin auf dem richtigen Weg.

Das bedeutet aber auch, du gibst ihm keine Gesangslinien vor?

Markus: Nein, das ist Arnos Job und da mische ich mich nicht ein.

Arno: Songwriting läuft bei uns so, dass Markus die Musik komponiert, oder auch mal wir beide zusammen, und dann setz ich mich hin und arbeite Gesangslinien aus. Zunächst mit Ghostlines oder einfach nur lalala, ach die Chöre. Die Demos schick ich ihm dann wieder zu und dann weiß er, wie das Timing und die Melodie der Texte in etwa funktionieren sollte. Und daraufhin schreibt er seine Texte. So arbeiten wir aber schon seit Sieges Even-Zeiten und das klappt sehr gut auf die Art und Weise.

Ich habe beim Lesen der Texte weitgehend alles, bis auf den Titeltrack, auf das Ende deiner Ehe gemünzt. Ist das überhaupt richtig, oder sehe ich das zu einseitig?

Markus: Ich würde sagen, dass es so etwas wie eine Melange geworden ist, aus dem Ende meiner Ehe und dem Tod meiner Mutter letztes Jahr. Es geht quasi in allem um Endlichkeit und Verlust und wie man damit umgeht. Wie man das für sich verarbeiten kann und doch noch ein Licht am Ende des Tunnels findet. Eben das Leuchtfeuer in der Nacht, das einen leitet und Mut schöpfen lässt.

Durchlebst du diese emotionalen Zustände dann auch jedes Mal wieder, wenn ihr auf der Bühne steht?

Markus: Hm (überlegt etwas), das kommt schon vor. Aber jetzt nicht in dem Maße, dass ich emotional so aufgewühlt wäre, dass ich nicht mehr spielen kann oder abgelenkt wäre. Aber das ist ja nicht erst seit diesem Album so, dass meine Texte eine wahre emotionale Geschichte haben. Anders hab ich ja noch nie geschrieben.

"Der Song steht im Vordergrund"

Wäre es dann nicht mal an der Zeit, so etwas in einem intimeren Umfeld, also im Rahmen von Akustiksets zu spielen? Ihr habt jetzt zwar nicht unbedingt die Stagediver auf der Bühne und nen Circle Pit davor, aber es ist ja letztendlich doch noch ein Rockkonzert.

Markus: Klar, könnte ich mir vorstellen, sowas mal in einem akustischen Rahmen zu präsentieren. Nur ist das ein finanzieller und organisatorischer Aufwand, den wir nicht so ohne weiteres stemmen können. Das ist deutlich aufwändiger, als es auf den ersten Blick erscheint, denn nur mit Gitarre und Gesang fände ich das ein wenig schwierig und auch witzlos. Das müsste man dann schon aufwendiger arrangieren, zumindest für ein Streichquartett oder ähnliches. Das wird gleich merklich komplizierter und auch teurer. Tatsächlich diskutieren wir bereits seit Jahren über eine solche Möglichkeit und ich hoffe sehr, dass wir auch irgendwann die Gelegenheit dazu haben.

Ließe sich so etwas nicht mit Studenten von Musikhochschulen relativ preiswert umsetzen?

Das mag sein, aber wenn man bedenkt, wie anstrengend es schon war, nur die paar Releaseshows mit den Stundenplänen aller beteiligten zu synchronisieren und zu organisieren, da seh ich einen unglaublichen Aufwand auf uns zukommen. Wenn der Zeitpunkt für solch eine Aktion gekommen ist, werden wir das auch durchziehen, aber so schnell wird das noch nix.

WGitarren und Drums sind ja im Gesamtmix gar nicht so prominent in den Vordergrund gemischt, wie das beispielsweise bei einer Band wie Dream Theater der Fall wäre. Du bist da relativ uneitel, oder?

Markus: Was heißt uneitel. Klar kann man die Gitarren fett und fetter machen, aber unser Sound lebt ja gerade von dem Wechselspiel zwischen akustischen und verzerrten Gitarren. Und letztendlich steht der Song im Vordergrund, nicht wie fett die Gitarren sind oder wie laut der Gesang ist. Wir arbeiten da mittlerweile sehr eng und sehr vertraut mit unserem Produzenten Charly Czajkowski zusammen und das funktioniert für alle Beteiligten sehr gut. Ich muss mich nicht mehr als Gitarrist profilieren oder ein bestimmtes Klientel bedienen.

Arno, du hast mir nebenbei mal erzählt, dass es bei den Drumaufnahmen nicht ganz unproblematisch ablief. Was war denn da los?

Ja, das war leider nicht ganz so einfach. Wir hatten ursprünglich geplant, mit einem anderen Drummer zu arbeiten, dessen Namen wir aber nicht nennen wollen. (Markus beept im Hintergrund sicherheitshalber alles raus). Der war auch schon vor Ort und hat angefangen aufzunehmen, aber das lief alles nicht ganz so, wie wir uns das vorgestellt hatten ... und dann war er wieder weg (lacht). Charly arbeitet glücklicherweise neben uns auch noch mit Axxis, und so kam der Kontakt mit Dirk zustande, der sehr daran interessiert war, mit uns das Album aufzunehmen. Der hatte dann schlappe zwei Wochen Vorbereitungszeit und hat dann das Album eingespielt. Ab da lief alles ganz easy und die Songs waren im Nullkommanix im Kasten.

Programmieren kam nie in Frage?

Markus: Neee. Das kann man heute zwar alles super machen und es merkt in der Regel auch kein Schwein. Aber mit einem echten Drummer ist das doch deutlich dynamischer, und gerade bei einem Bewegungstier wie Dirk macht das schon einen Unterschied. Wir würden uns da nur selber beschneiden. Ich geb durch meine programmierten Sachen allen beteiligten Musikern zwar immer die grobe Richtung vor, aber im Endeffekt haben Dirk, Ralf und natürlich gerade Keyboarder Luca alle Freiheiten, sich einzubringen. In einem gewissen Rahmen, versteht sich.

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