laut.de-Biographie
Tallest Man On Earth
Kristian Matsson ist natürlich nicht der größte Mann der Welt. Ganz im Gegenteil: Nicht viel größer als der schauspielende Winzling Tom Cruise erscheint der schwedische Songwriter, als er im Herbst 2009 sein erstes Deutschland-Konzert auf dem Hamburger Reeperbahnfestival spielt. Und doch hat The Tallest Man On Earth in kürzester Zeit wahrlich Großes vollbracht.
Sein Debütalbum "Shallow Grave" schafft es, ursprünglich nur auf dem kleinen schwedischen Label Gravitation veröffentlicht, bis über den großen Teich in die USA, wo ihn eine äußerst positive Review beim Online-Meinungsmacher Pitchfork schlagartig bekannt macht. In der Folge schwingt eine überlebensgroße Referenz wie ein Damoklesschwert über dem Schweden.
"Es ist ausgenommen schwierig, über den skandinavischen Folksänger The Tallest Man On Earth zu sprechen, ohne die frühen Jahre eines gewissen Bob Dylan zu erwähnen." Der Satz sitzt, zumal das Stehaufmännchen Dylan zu der Zeit auch bei jüngerem Publikum wieder angesagt ist. Es ist vor allem Matssons kratzige Stimme sowie der Bezug auf die Traditionen des Great American Songbook, die den Vergleich mit Dylan unweigerlich erscheinen lassen.
"Ich habe immer versucht, die Gitare wie alte Bluesmusiker zu spielen. Wie Skip James, Son House oder Booka White. Doch ich habe es einfach nicht hinbekommen. Eines Nachts kam ich dahinter, dass ich diese Energie besser für meine eigenen Songs nutzen sollte. Plötzlich hatte ich meinen Stil gefunden", berichtet Matsson, der zuvor lange Jahre in Stockholm in verschiedenen Bands gespielt hat.
Für die Arbeit an "Shallow Grave" verlässt er die schwedische Hauptstadt und quartiert sich wie Dylan in Woodstock idyllisch in einem alten Bauernhaus ein. Dort entstehen mit "The Gardener", "I Won't Be Found" oder "Where Do My Bluebirds Fly" raue Folk-Songs, die mit hochgestimmter Kapodaster-Gitarre und dringlich gezupften Melodien die klassischen Songmotive von Folk, Blues und Country verhandeln.
Schnell schwirrt der Name Tallest Man On Earth durch das Internet. Und während "Shallow Grave" 2008 von Pitchfork zu einem der besten Alben des Jahres gekürt wird, begleitet der Schwede bereits Bon Iver in den USA. Sein größter Traum ist allerdings - auch das bekennt Matsson in einem Interview - ein Duett mit Feist.
Erst im September 2009 spielt der Schwede zum ersten Mal in Deutschland. Dabei erscheint es den Anwesenden geradezu unheimlich, wie fest und sicher der Sänger sein Publikum im Griff hat. Mit eindringlichen Blicken und einer enormen Bühnenpräsenz verleiht Matsson seinen starken Songs noch mehr Ausdruck. Dies entgeht auch dem Label Dead Oceans nicht, das mit Bishop Allen und den Bowerbirds bereits ähnlich vielversprechende Künstler unter Vertrag hat.
Das Label veröffentlicht im April 2010 das zweite Album "The Wild Hunt", das etwas weniger nach klassischem Folk klingt und mehr Pop-Momente in den Songs zulässt. Selbstbewusst und augenzwinkernd singt Matsson in "King Of Spain": "If you could reinvent my name, if you could redirect my days, I wanna be the king of Spain." The Tallest Man On Earth - für heute ein König.
2012 ist der dritte Longplayer "There's No Leaving Now" im Kasten: Drums, Baritongitarre, Holzbläser oder Pedal Steel Gitarre geben nun den Ton mit an. Und Kristian geht nun tatsächlich einiges frontaler auf sein Publikum zu.
Nach vielen Konzerten mit "There's No Leaving Now" im Gepäck fällt der ursprüngliche Plan, ein Jahr Pause zu machen, leider weg. Grund sind einige persönliche und private Probleme. "Ich schrieb diese Songs, als ich sowohl traurig und verwirrt war, als auch Schuld- und Wutgefühle hatte. Ich merkte aber, dass das einfach ein Teil meines Lebens ist. So ist das Leben eben: Man muss ständig mit irgendwas klarkommen." Aus dieser Zeit schöpft Matsson die Songs für sein viertes Album "Dark Bird Is Home", das im Mai 2015 erscheint.
Vom großen Einsatz von Instrumenten verabschiedet er sich schnell wieder und schnappt sich für "I Love You. It's A Fever Dream" (2019) Akustikgitarre und Mundharmonika. Ein Jahr nach Release zieht er von New York zurück in die schwedische Heimat auf seinen Bauernhof. Im Zuge der Pandemie sieht er sich dann mit einer Schreibblockade konfrontiert. Diese löst sich auf, als er ab August 2021 wieder richtig touren kann. Er bringt zu Papier, was später "Henry St." wird. Bevor die Platte 2023 erscheint, veröffentlicht er ein Jahr zuvor das Coveralbum "Too Late For Edelweiss". Den Nachfolger "Henry St." nimmt Matsson erstmals mit einer Band auf. Zusammen mit dieser schafft er erneut ein Werk, das neben dem Folksound auch eine poppige Note enthält.
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