Porträt

laut.de-Biographie

The Durutti Column

Wenn einen der ehemalige Chili Pepper John Frusciante als "weltbesten Gitarristen" bezeichnet, man zu den besten Freunden von Ian Curtis und Joy Division gehörte bzw. zu den eben solchen von New Order zählt und bereits Ende der 70er einen komplett neu- wie eigenartigen Gitarrensound entwickelt, dessen Einfluss auf die folgenden Dekaden maßgebend ist, erwartet man eine extrovertierte Medienpersönlichkeit im Rockstargestus. Doch Vini Reilly, der Mastermind von Durutti Column, ist ganz und gar anders.

Als eher scheuer unbekannter Gitarrenheld und Steuermann seiner Wegweiserband hat er sich ein kleines, dabei historisch betrachtet sehr wichtiges Puzzleteil in der Musikgeschichte gesichert. Zwar bestehen DC nicht selten auch aus dem hinzu stoßenden Bruce Mitchell an den Drums. Doch in künstlerischer Hinsicht bleibt in Bezug auf Komposition, Ästhetik und Aufbau der Musik alles in den Händen von Reilly.

Das Manchester-Label Factory Records OMD, A Certain Ratio oder etwa die Happy Mondays und unterstützt Cabaret Voltaire. Als ersten Act nehmen sie allerdings The Durutti Column unter Vertrag. Parallel zu "Unknown Pleasures" und "Closer" von Joy Division entsteht nur eine Tür weiter das Debüt "The Return Of The Durutti Column".

Das Album liefert nicht nur die Blaupause für alles, das auf Bandseite später folgen soll. Auch stilistisch verdient sie den Titel der womöglich außergewöhnlichsten Platte des frühen Postpunks. Die Drums reflektieren das brandaktuelle Bild des zeitgenössischen Geistes. Der Bass klingt direkt, aber weniger rollend als bei anderen typischen Genrebands. Den unangefochtenen Superstar im Zentrum des DC-Universums gibt dennoch von Anfang an Reillys Gitarre.

Mit dieser treibt er die sechssaitige Klangästhetik des Postpunk auf die Spitze. Im Ergebnis kommen die Töne einer Verfremdung gleich. Dazu gesellen sich eigentümliche Hall- und Delayeffekte plus eine ganz eigene Handschrift in Anschlag und Picking. Die Vorstellung, seine Gitarre könne gewöhnlich klingen wie jeder andere konventionelle Sechssaiter, war Vini von Anfang an ein Greuel. So webt er als Verzierung verschiedenste Elemente aus Klassik, Blues, Jazz und Rock ein.

Heraus kommt ein hoch intensives Gitarrengeklingel, dessen außergewöhnliches, exotisches Klangbild lange nichts von seiner unkonventionellen Anziehungskraft verliert. Für unzählige Gitarristen, egal ob Hobby- oder Profispieler, markiert dieses Album im Allgemeinen und der Opener "Sketch For Summer" im Besonderen die Initialzündung, zum Instrument zu greifen.

Gesegnet mit britischem Humor, basteln Durutti Column unter tatkräftiger Mithilfe der kompletten Joy Division die Erstauflage der Cover eigenhändig aus Sandpapier. Heraus zu finden, ob die raue Hülle die anderen Scheiben im Plattenregal zerkratzen würde, halten die Beteiligten wohl für lustig. Reilly geht zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich davon aus, ein Publikum zu bekommen, das sich tatsächlich für die Musik interessiert.

Mit dem Nachfolgewerk "LC" - eine der Lieblings-LPs von Bewunderer Brian Eno - und Platten wie "Circuses And Bread", "Obey The Time" oder "Dry" bringt Reilly eine erstaunliche Qualitätsdichte auf über 20 Alben. Auch die schwierigsten Kollegen outen sich als Fan des Virtuosen. Sogar Diva Morrissey schnappt sich Reilly nach der Smiths-Auflösung. Für das Solodebüt "Viva Hate" (1988) übernimmt Vini hörbar den Großteil der Gitarren- und Keyboard-Parts. Hinzu kommen so unterschiedliche Künstler wie Anne Clark oder FGTHs Holly Johnson, die gern die kreativen Dienste des Saitenhexers in Anspruch nehmen.

2010 ereilt Reilly ein leichter Schlaganfall, der die Geschwindigkeit seines Spiels beeinträchtigt. Ungebrochen von derlei medizinischem Unbill möchte Vini Reilly sich nunmehr Gitarrenstücken zuwenden, die langsamer gespielt werden. Angesprochen darauf, wie er sich die Faszination seiner Musik erkläre, sagt er:

"Im Grunde kann ich nicht wirklich sagen, ob es gute oder schlechte Musik ist. Aber es ist immer ehrliche Musik voller Wahrheit des jeweiligen Moments. Das kann ausgelasene oder auch schmerzerfüllte Wahrheit sein. Am Ende wirkt es auf jeden Fall kathartisch."

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