14. Oktober 2013

"Unser Gitarrist kannte The White Stripes nicht"

Interview geführt von

Wer den Frontmann der Gothrock-Legenden an den Hörer kriegen will, muss heutzutage schon ein Ferngespräch nach Südamerika anmelden.

Wir sprachen mit Wayne im Vorfeld der Veröffentlichung des aktuellen Albums "The Brightest Light".

Hallo Deutschland, Wayne Hussey hier!

Hallo Wayne, sag mal, spreche ich gerade mit Brasilien oder London?

Brasilien! Ich sitze hier Zuhause.

Du hast keine Lust mehr auf das berüchtigt üble englische Wetter, nicht wahr?

Lieber Sonnenbrand als Dauerregen, findest du nicht?

Vor allem mit so einer heißen neuen Scheibe im Gepäck. Man muss ja gratulieren. Ist das neue raue Kleid so etwas wie The Missions Antwort auf "Raw Power"?

Der Stooges-Vergleich ist ja wirklich nett. Danke dir. Es war zumindest unsere Intention, diese Platte so klingen zu lassen, wie wir auf der Bühne sind. Wir haben weite Teile live eingespielt und den Sound so echt wie nur möglich gestaltet. (lacht) Das geht gut los, das Gespräch!

Der neue puristische Ansatz ist bei näherer Betrachtung konzeptionell eventuell nicht ganz so neu. Auf "Bare" hast du alles auch sehr essentiell gehalten, wenn auch meist eher akustisch. Könnte man sagen, dies ist im Grunde die 'elektrische' Rockseite derselben Medaille?

Interessante Deutung. Meine ist aber anders. Wenn du als Musiker eine Platte machst, hast du so gut wie immer Lust, bei dem folgenden Album den genau entgegen gesetzten Weg einzuschlagen. Zuletzt hatte ich in der Tat in einem eher intimen Rahmen ohne echtes Bandgefüge gearbeitet.

Mit der Band jetzt ist es aber anders. Da geht es meist weniger um vorher erdachte Konzepte, sondern vor allem darum, das richtige und echte Gefühl miteinander und füreinander zu entfachen. Bei The Mission geht es immer in erster Linie um Atmosphäre. Soundfragen und dergleichen entwickeln sich daraus erst später.

"Du meinst also, wir hätten die Gitarren zu laut gemixt?"

Nun sagt natürlich jeder Künstler meist, die aktuelle Platte sei die jeweils beste. Deshalb will ich dich das gar nicht fragen. Stattdessen: Warum würdest du diese Platte denn als typischste Mission-Platte bezeichnen?

Das würde ich dir auch gar nicht sagen wollen. Einerseits ist die jeweils aktuellste Platte emotional immer sehr nah. Diese Distanzlosigkeit tötet natürlich jeden Ansatz objektiver Bewertung. Um das richtig einordnen zu können, muss schon noch etwas Zeit vergehen. Außerdem weiß ich ehrlich gesagt gar nicht, was denn eine typische Mission-Platte sein soll. Was ist das? Denn geh doch mal zurück in unsere Diskografie.

Jedes der Studioalben klingt anders. Okay, man könnte womöglich sagen, "Carved In Sand" ist vielleicht die einzige LP, von der man sagen könnte, sie klinge genau so, wie das, was das Publikum von uns erwartet. "Masque" war doch ganz anders, so auch "Neverland" oder "Blue". Sogar das Debüt "God's Own Medicine" unterscheidet sich stark von allem danach folgenden. Wir versuchen schließlich nicht, wie The Mission zu klingen. Wir sind es ja selbst. Das ergibt sich von allein. Was ist denn deiner Meinung nach die typische Mission-Platte?

Ich würde das weniger an einzelnen Alben festmachen. Eher an speziellen Elementen. Es fällt doch bei Musik, an der du beteiligt bist, auf: Von der Sisters Of Mercy-Platte "First And Last And Always" bis hin zum aktuellen Album findet sich fast immer dieser eigentümliche, sehr warm klingende Mix aus akustischen und elektrischen Gitarrenarrangements. Das halte ich schon für ein zentrales Charakteristikum.

Ich verstehe, was du meinst. Das ist auch eine Kombination, die ich sehr liebe. Das ist im Grunde ein alter Trick, den ich nutze, um dem jeweiligen Sound einen gewissen Raum, eine gewisse Ästhetik und eine gewisse Wärme zu verleihen. Besagte Bestandteile können als Einheit auftreten oder als Komplementärkontrast. Das kann man in sehr reduzierter Form auch auf "The Brightest Light" hören.

Simon ist für die elektrische Gitarre zuständig, und ich steuere eine Akustikgitarre bei. Das hört man sehr gut auf Liedern wie "When The Trap Clicks Shut" oder "From The Oyster Comes The Pearl". Aber das klingt jetzt so nach starrer Regel. (lacht) Das soll es nicht. Denn es gibt keine Regeln, wir sind ja Rockmusiker. Nimm doch nur "Just Another Pawn In Your Game". Da spielt Simon Piano, und ich übernehme die Gitarre. Das klingt dann ja sofort anders.

Ich empfinde übrigens ein Detail anders als in früheren Zeiten. Durch den Sandpapiersound treten die Gitarren ein wenig mehr in den Vordergrund und bilden einen direkteren Counterpart zu deinen Vocals.

Du meinst also, wir hätten die Gitarren zu laut gemixt? (Im todernster Tonfall)

Oh Gott, nein....

(Lacht herzlich) Kleiner Scherz. Ich verstehe schon. Die Lieder oder Teile von Liedern der neuen Platte habe ich fast alle bewusst nur mit der akustischen Gitarre vorkomponiert, und es den anderen so gezeigt. Durch den Verzicht auf den Ausbau dieser Ideen mit anderen Instrumenten hatten die anderen einfach viel mehr Raum und Möglichkeit eigenen Vorstellungen erst zu entwickeln und dann umzusetzen. So klingt alles jetzt direkter.

Früher hab ich auf den Demos immer noch ein paar Drums, Basslinien oder elektrische Gitarren eingebaut. Aber wenn man so etwas macht, entscheidet und designt man gleichzeitig die Richtung für den jeweiligen Song. Die Band meinte also, ich solle doch auf solche Richtungsvorgaben dieses Mal verzichten. Das konnten Jungs von Anfang an eigenen Input bringen. Das war eine gute Idee. Also beschlossen wir: Alle Songs müssen in den Proberaum und erst im gemeinsamen Spiel sieht man, wo sie hinwollen.

"Ich höre ziemlich altes Zeug"

Guter Plan, aber warum erst jetzt?

Naja, wir sind allesamt ein wenig älter und hoffentlich auch ein wenig weiser geworden. Und natürlich sind wir auch einfach bessere Musiker als früher. Normalerweise lief es immer so: Erst Drums und Bass. Dann die Gitarren und am Ende die Vocals. Stattdessen saßen wir nun alle zusammen und konnten von Beginn an überlegen, was das jeweilige Instrument beisteuern könnte. Wir waren alle im selben Raum mit Blickkontakt und einem Ohr dafür, was der andere gerade als Idee entwickelt. Mehr ein Jam, wenn du so willst.

Und herauskommen solche Lieder wie "Just Another Pawn In Your Game". Das ist für Mission-Verhältnisse doch im Grunde schon Rootsmusic.

(Wayne lacht) Das hat noch keiner gesagt.

Führt mich aber zu der Frage, was denn eure Vorbilder sind. Bei Bands wie den Stones weiß man, es sind die alten Blueser. Wie ist das bei dir und Simon?

Das kann ich für Simon gar nicht so genau sagen. Simon lebte fast 20 Jahre komplett außerhalb des Musikbusiness. Ich weiß gar nicht, ob er privat überhaupt etwas Aktuelles hört. Er hat niemals von den White Stripes gehört. Sogar die frühen Fleetwood Mac kannte er nicht, bis ich ihm mal eine CD schenkte. Das ist schon sehr ungewöhnlich.

Natürlich hat Simon seine Musik, die er gern hört. Aber das muss nichts mit The Mission zu tun haben. Das aktuelle Geschehen interessiert ihn sowieso nicht. Das ist einerseits toll. Denn er klingt dadurch absolut autark. Andererseits macht es die Kommunikation schwieriger. Man kann so jemandem eben nicht sagen: Spiel doch mal so etwas wie X, Y oder Z.

Und bei dir?

Ziemlich altes Zeug. Blues schon auch. Aber sehr gern vor allem die klassischen Songwriter. Hank Williams, Johnny Cash, Neil Young. Weißt du, wirklich organisches Zeug. Oder die Rolling Stones der späten 60er und frühen 70er.

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