laut.de-Biographie
Nina Hagen
Eigentlich will die am 11. März 1955 in Ostberlin geborene Nina Hagen ja - wie ihre Mutter Eva Maria Hagen - Schauspielerin werden, doch die anvisierte Schauspielschule lehnt das Aufnahmebegehren ab. An mangelnder Begabung der 17-jährigen kann das kaum gelegen haben, eher schon am Stiefvater Wolf Biermann: Der berühmte Dissident und Liedermacher ist zu dieser Zeit den Ostberliner Bonzen bereits ein Dorn im Auge.
Im Studio für Unterhaltungsmusik sieht man das nicht so eng und so schließt Nina 1974 eine einjährige Gesangsausbildung mit Auszeichnung ab. Mit dem Alfons Wonneberg Orchestra, Fritzens Dampferband und der ersten eigenen Kapelle namens Automobil tingelt sie nun durch die DDR und singt melancholisch schöne Lieder wie "Du hast den Farbfilm vergessen".
Zwei Jahre später weist die DDR Wolf Biedermann aus, und in seinem Gefolge verlässt auch Nina Hagen das Land. Nach einem Ausflug in das Mutterland des Punk gründet Nina 1977 die Nina Hagen Band, die später (ohne Nina) als Spliff bekannt werden sollte. Die ersten zwei Veröffentlichungen der Nina Hagen Band schlagen im alternativen Milieu der Bundesrepublik ein wie eine Bombe, "TV Glotzer" von der ersten LP "Nina Hagen Band" (1978) und der "African Reggae" von "Unbehagen" (1979) laufen Ende der Siebziger auf jeder coolen Party.
Zwar orientiert sich die Musik eher am amerikanischen New Wave Sound als am englischen Punk und ist nicht eben revolutionär. Doch die kraftvolle Vortragsweise der Band und vor allem die kehlig ausdrucksstarke Stimme, die Nina zudem überaus variationsreich einsetzt, legen den Grundstein für den legendären Ruf der Diva.
Aber die meisten Radios ignorieren zunächst die Musik der unbequemen Punklady, deren Texte sich konsequent gegen das Establishment wenden und so verlässt Nina Hagen noch 1979 die Band und versucht ihr Glück in der Fremde. Musikalisch weder in Paris, noch in Rio oder New York so richtig erfolgreich, floppt auch ihr erstes englischsprachiges Album "Nunsexmonkrock".
Dafür schafft sie es mit ihren Ufotheorien, autoerotischen Demonstrationen, dem großen Interesse an Esoterik und Buddhismus, sowie ihrem Engagement für Tierschutz immer wieder in die Schlagzeilen, was ihr bald das Image als schrillster Pop-Star Deutschlands einbringt.
Stilgerecht nennt sie ihre 1981 geborene Tochter dann auch Cosma Shiva Hagen.
Der erste Name wegen ihrer Ufo-Sichtung am Strand von Malibu, Shiva als Tribut an die gleichnamige indische Gottheit. Einer der Höhepunkte dann die Hochzeit mit einem 17-jährigen Punkmusiker auf Ibizia, der nach nur einer Woche die Trennung folgt.
Doch solche Eskapaden erweisen sich für die musikalische Karriere eher hinderlich. Schließlich wendet sie sich 1989 mit "Nina Hagen" wieder dem deutschsprachigen Publikum zu.
Doch so ganz kann sie sich weder für deutsch noch englisch entscheiden und findet auch in ihrer Musik nicht den richtigen Ton. So schlägt sie sich in "Street" 1991 selbst zur Präsidentin vor, bis sie zwei Jahre später zusammen mit dem Produzenten Phil Manzanera auf "Revolution Ballroom" wieder neu beginnen möchte.
1995 zieht sie nach Los Angeles, unterstützt dort tatkräftig die Tierschutzorganisation PETA und schreibt dazu das Lied "Tiere" aus dem Album "Freud Euch" das im selben Jahr erscheint. Auch wenn sie sich durch Behauptungen wie Aids käme nicht von HIV sondern den Medikamenten dagegen immer wieder Spott einhandelt, hat sie doch musikalisch immer wieder einiges zu bieten.
Vor allem aber beweist sie ein Gefühl für starke Partner. So unterstützt sie 1998 Thomas D von den Fantastischen Vier auf "Solo", der ersten Single seines gleichnamigen Albums. Mit dem Stück schafft Nina es zum ersten Mal seit Anfang der Neunziger wieder bis in die Top 20 der deutschen Charts.
Es folgen weitere Kollaborationen mit Oomph und Apocalyptica und so nimmt die deutsche Öffentlichkeit Nina Hagen auch als das wahr, was sie eigentlich ist: Eine brillante Sängerin.
Neben ihrer Musik tritt sie aber auch immer wieder als Schauspielerin in Erscheinung, 2004 zum ersten Mal gemeinsam mit ihrer Tochter in "7 Zwerge" und zwei Jahre später in der Fortsetzung "7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug". Außerdem beteiligt sie sich als Jury-Mitglied an der Seite von Detlev D! Soost 2006 und 2007 an zwei Popstars-Staffeln, die dem deutschen Publikum Monrose und Room2012 bescheren.
Nina lebt zeitweise noch immer in den Staaten, wo Sohn Otis seinen High School-Abschluss macht. Anno 2009 und mit ihrer Rückkehr nach Deutschland endet die lebenslange innere Suche beim evangelisch-reformierten Glauben: manifest im Buch "Bekenntnisse" oder später in Songs wie "Jesus Ist Ein Freund Von Mir". Fortan bleiben dieser Glaube sowie ihr bekanntes Engagement für gesellschaftspolitische Dauerbrenner wie Frieden, Gerechtigkeit und Bürgerrechte ihr Ding.
So auch im Rock- und Punk-orientieren Album "Volksbeat", mit dem Nina 2011 nach Ausflügen ins Big Band- oder auch Gospel-Metier ("Personal Jesus", 2010 und "Irgendwo Auf Der Welt", 2006) wieder gewohnteres musikalisches Terrain betritt.
Zu ihrem 65. Geburtstags erscheint mit "Was Denn...?" eine Sammlung ihrer frühen Aufnahmen für das DDR-Label Amiga auf CD, Vinyl und digital. Darunter finden sich einige Jazz-inspirierte Nummern. Die Aufnahmen entstanden unmittelbar nachdem Nina ihre Gesangsausbildung absolviert hatte. Der Hang zur Provokation findet sich bereits in diesen ganz frühen Songs.
Mit "Shadrack" gelingt Nina Anfang 2022 wieder einmal eine einzigartige Kombination von Bausteinen, die konventionell betrachtet nicht zusammen gehören. Nina spielt im Text auf die biblischen Figuren 'Shadrach, Meshach und Abednego', beschrieben im Alten Testament, an. Diese stammten aus Israel und waren zum Spracherwerb im benachbarten Babylon. Dort erhielten sie babylonische Namen, eben z.B. "Shadrack". Hagen spielt im Subtext mit Dub-Elementen, die sowieso gerne auf das 'Babylon System' als Symbol der ungerechten Gesellschaft verweisen.
"Shadrack" wirkt so knarzend, dass man auch von Electropunk sprechen kann. Zudem verbreitet Hagen mit dem Text den Eindruck, die Geschichte in Form einer Predigt vorzutragen. Sie rappt phasenweise, hält sich teils an den vom Offbeat vorgegeben Rhythmus, in manchen Zeilen bricht sie aus und trägt die Worte eher wie eine Synchronsprecherin in einem Polizeifilm vor.
Schon in den '80ern hatte sie Dub in Remixes und auf der Bühne für sich genutzt, 2020 ist der BlackLivesMatter-Song "Unity" eine Gospel-Dub-Nummer. Hagen bekundet, dass Gospel einen neu entdeckten Reiz auf sie ausübe. In "Unity" zitiert sie das Spiritual "Wade In The Water". "Ich singe Gospel-Songs als Einladung an uns alle, vor allem auch die Hochnäsigen und die Hochmütigen, in der Hoffnung, dass wir uns alle inspirieren lassen, von der Nächstenliebe".
Fürs gleichnamige Album "Unity" (Ende 2022) macht die Genre-Hopperin auch vorm US-Folk der 1940er und '50er nicht Halt und covert den Klassiker "16 Tons" in ihrer rauchigsten und maskulinsten Stimmlage. Zum Advent 2023 covert sie einen christlichen Songwriter, Larry Norman, unterlegt dessen besinnliche Zeilen für "Rock The Flock" mit wiehernder E-Gitarre und blickt mit ihrer Synthie-Aufnahme seines Stücks "UFO" in die Zeit zurück, als man an ein Leben auf anderen Planeten für möglich hielt.
1 Kommentar
schade ist, das sie ihre wirklich gute stimme , durch dieses manchmal bis oft sehr nervende ..ich weiß nicht wie ich es nennen soll...krächzen,stöhnen,gackern us.w. verhunzt. und das vor allem bei ihren live auftritten. aus diesem grund habe ich auch auf einen besuch eines ihrer konzerte verzichtet.