laut.de-Biographie
Monrose
5189 kleine Popstarlein gingen einst ins Casting rein, 5186 fielen einst beim Casting rein.
Am 23. November 2006 steht die Besetzung der sechsten Popstars-Band fest. Die "Last Girls Standing" Senna, Mandy und Bahar sind Monrose, die neuen Engel. Und die himmlischen Geschöpfe aus Frankfurt, Mannheim und Freiburg haben eine große Aufgabe: Sie sollen nach den mehr oder weniger kurzweiligen Flops von Bro'sis, Overground, Preluders und Nu Pagadi an den nachhaltigen Erfolg der einzig wahren deutschen Girl-Band anknüpfen: der No Angels.
Zu einem direkten Vergleich kommt es bereits im Viertelfinale, als Ex-Angel Sandy in der Pause einen Song performt. Und untergeht. Selbst die letzten zehn Teilnehmerinnen der 2006er Popstars sind bessere Sängerinnen und im Fall von Senna kreativere Künstlerinnen als die kleine Blonde. Genau wie alle anderen Gewinner früherer Castings wäre auch Sandy wohl nicht mal unter die letzten Zehn der diesjährigen Ausscheidung gekommen.
Aus gutem Grund: Denn die heutige Generation hat große Souldiven wie Mary J. Blige, stimmlich überragende Pop-Sängerinnen wie Mariah Carey oder kreative Genies wie Missy Elliott zum Vorbild. Und so wurden Monrose zwar gecastet, um die No Angels vergessen zu machen, als musikalische Vorbilder stehen jedoch Destiny's Child, TLC und vor allem die Sugababes Pate. Sie haben die Spice Girls (Vorbild für die Preluders), die Backstreet Boys (Vorbild für Overground) und der S Club7 (Vorbild für Bro'sis) abgelöst.
Das Niveau der "Popstars"-Sendung 2006 ist für Casting-Verhältnisse recht hoch (die Einschaltquoten sowieso), die Atmosphäre menschlicher und unterhaltsamer als je zuvor. Dafür sorgt die Jury, bestehend aus Tanzbär Detlef D! Soost, Esoterik-Tante Nina Hagen und Pur-Komponist Dieter Falk. Was Detlef D! Soost als Magath für Mädchen anrichtet, biegt Nina als Stammesmutter wieder gerade. Musikant Falk dagegen, erst nur ein blasser kleiner Mann jenseits des Rampenlicht, mimt überzeugend den Profi mit einer ansteckenden Natürlichkeit. Gute Voraussetzungen für die 5189 Möchtegern-Popstars. Doch hinter ihnen und dem Publikum liegen zum Zeitpunkt des Finals trotz positiver Vibes vor allem eins: Tränen.
"Die Mädels mussten viel investieren und ihr Talent auf aller höchstem Niveau in einem rasenden Tempo weiter entwickeln", so Nina Hagen. Und Dieter Falk ergänzt: "Disziplin spielt natürlich auch eine wichtige Rolle, denn neben der Show und den dazu nötigen Vorbereitungen sangen die Kandidatinnen ein komplettes Album ein, drehten ein Video und standen für unzählige Interviews und Fotoproduktionen vor der Kamera. Da heißt es, die Kräfte sinnvoll einzuteilen." Es war ein harter Weg, denn: "Nur singen alleine reicht nicht", so Detlef D! Soost. "Bekanntermaßen sind Performance und Staging genauso wichtige Parameter wie Fitness und Teamfähigkeit."
Drei Statements, die verdeutlichen, dass
"rosarot" nur eine TV-Kommissarin ist. Und so wird viel geheult, Anspannung, Trauer und Freude müssen in jeder Sendung ja irgendwie raus. Wenn jemand eine Runde weiter kommt, wird geheult. Wenn jemand rausfliegt, wird geheult. Und nicht nur die Teilnehmer heulen. D! heult, wenn es durchschnittlich singende Tanztalente nicht weiter schaffen. Dieter heult im Finale, als er seine Favoritin Kati aus der schon sicher geglaubten Band kicken muss. Im Zusammenhang mit ihrer tadellosen Leistung und dem Amazon.de-Coverskandal, der nahelegt, dass die Monrose-Mitglieder schon vor dem Finale feststehen würden, der erste wirkliche Tiefpunkt der Staffel. Auch wenn Tränen ja bekanntlich nicht lügen, bleibt bei vielen ein schaler Nachgeschmack. Trotzdem oder gerade deswegen sprengt der Hype um die Gewinner Senna, Mandy und Bahar im Dezember 2006 alle Rahmen.
Die Deutsch-Marokkanerin Senna Guemmour ist eine 26-jährige, Frankfurt/Nordweststadt-erfahrene, mit allen Wassern gewaschene Rap-Sängerin, die bei den Popstars trotz anfänglicher Streitigkeiten alles zusammen- und alle auf dem Boden der Tatsachen hält. "Durch 'Popstars' habe ich ein komplett neues Leben geschenkt bekommen – und ich bin dankbar dafür", so die ehemalige Kellnerin im Hardrock-Café. Senna gibt Monrose eine gewisse Street-Credibility, ist ja nicht umsonst mit Azad und Bushido per Du. Sie provoziert, sie veräppelt und sie nimmt als gläubige Muslimin auch kein Blatt vor den gesellschaftskritischen Mund. Kurz um, sie ist abseits der Bühne die klare Frontfrau.
"Mit Senna kann man leidenschaftlich diskutieren, sie findet immer wieder einen Kompromiss und gibt den anderen Hilfestellung", lobt Bahar ihre Kollegin. "Die Frauen sollten stärker werden und ihre Meinung sagen – so wie Senna zum Beispiel", meint Mandy. Bahar und Mandy verbindet eine Freundschaft, die manche Fans besonders mit Senna als Gegenpol als möglichen, bandinternen Streitpunkt in der Zukunft sehen. Auch wenn Bahar und Mandy unterschiedlicher nicht sein können.
Bahar Kizil ist die heiße Powersängerin mit türkischen Wurzeln, deren Energie gerade auf der Bühne zum Tragen kommt. Die 18-jährige Schülerin spielt sie bereits vor dem Popstars-Casting mit vier verschiedenen Bands auf den Bühnen in ihrer Heimatstadt Freiburg. Im Alter von zwölf Jahren beginnt sie mit klassischem Ballettunterricht, schreibt in ihrer Freizeit eigene Songtexte und lässt sich dabei gern von ihrem Vorbild Mary J. Blige inspirieren. "Ich kann ohne Musik einfach nicht leben. Ich gehöre auf die Bühne, will die Menschen mit meinen Songs und meiner Emotion verzaubern."
Mandy Capristo dagegen begeistert als Küken mit Monsterstimme die Jury. Die 16-jährige Halbitalienerin aus der Nähe von Darmstadt siegt schon als Kind beim "Kiddy Contest" mit dem No Angels-Song "Daylight In Your Eyes". Zudem hat sie sieben Jahre Tanzunterricht, Videoclipdancing und bereits mehrere Auftritte vorzuweisen, bevor sie sich bei "Popstars" bewirbt. Und ihre Stimme dominiert auch Monroses erste Single "Shame", die am 1. Dezember offiziell in den Läden und Download-Shops steht. Eine Woche später erscheint das Debütalbum "Temptation" und gewinnt im direkten Duell locker gegen den Erstling der No Angels.
Anfang des Jahres 2007 wird bekannt, dass die Mädels beim deutschen Vorentscheid zum "Eurovision Song Contest" in Helsinki antreten, der am 8. März in Hamburg über die Bühne geht. Konkurrenten sind u.a. Roger Cicero und Deutschrocker Heinz Rudolf Kunze. Was im Vorfeld nach einer sicheren Sache aussieht, entpuppt sich als erste Niederlage in der Karriere des Trios, denn Swinger Cicero entscheidet das Rennen für sich.
Mit der angesagten Mischung aus Pop und R'n'B veröffentlichen die Girls anschließend wieder Platten, die ihre jugendliche Klientel noch in ausreichendem Maße ansprechen, dass der Plattenvertrag mit dem Großkonzern Warner weiter Bestand hat. Was nicht jede Castingband von sich behaupten kann.
Nicht einmal ein halbes Jahr ach dem vierten Studio-Album "Ladylike", das 2010 erscheint, kommt dann aber das Ende. Mandy Capristo, Senna Guemmour und Bahar Kizil entschließen sich, Monrose zu Grabe zu tragen. Einen letzten Auftritt bestreitet das Trio im Februar 2011.
Noch keine Kommentare