6. Dezember 2009
"Noch mal so einen Wurf schaffen"
Interview geführt von Volker Rueß15 Jahre bestehen The Rasmus inzwischen im Musikgeschäft. Erst nationale, dann internationale Erfolge versüßten das anstrengende Musikerleben und ausgiebige Touren über die ganze Welt.Nun ist der Labelvertrag ausgelaufen, eine willkommene Zeit der Erholung und Neuorientierung für die Finnen. Sänger Lauri Ylönen spricht am Telephon über die nächste Pläne der Band, vergangene Erfolge und liebgewonnenen Freiheiten.
Ich hab noch nie mit jemandem in Finnland telefoniert. Wie lange hat die Sonne bei euch heute geschienen?
Sehr kurz. Ich war den ganzen Tag im Studio. Ich glaube, zu dieser Jahreszeit geht die Sonne so nach drei Uhr unter. Dann wird es ziemlich dunkel, it really sucks. Aber andererseits macht es einen sehr dankbar für den Frühling, wenn die Sonne wieder rauskommt. Als wäre sie einen Moment weg gewesen. Das ist wie bei vielen Sachen im Leben. Wenn einem etwas sehr wichtig ist und wenn man es verliert.
Was sind die nächsten Pläne von The Rasmus? Es wird eine Best-Of 2001-2009 Compilation geben?
Ja, die kommt diesen Monat raus. Es geht so ein bisschen darum, die letzten zehn Jahr zusammenzufassen. Wir wollten eine Compilation rausbringen, um unseren Plattenvertrag abzuschließen. Um dann hoffentlich einen neuen, frischen Anfang zu haben. Wir haben damals schon eine Compilation veröffentlicht, allerdings nur in Finnland über die ersten drei Alben, die in Finnland veröffentlicht wurden. Das war das Ende eines Kapitels in der The Rasmus-Geschichte. Danach sind einige tolle Dinge passiert, deshalb hoffe ich, dass wir nach dieser Best Of die Vergangenheit abschließen können.
Im Moment sind wir schon im Studio, diese Woche nehmen wir neue Lieder auf. Wir haben unser eigenes Studio in Helsinki. Es ist gerade eine schöne Zeit. Wir haben keinen Plattenvertrag, wir jammen einfach nur. Wir haben so viel Spaß, es gibt keine Erwartungen, keine Druck jeglicher Art, das ist ein wirklich gutes Gefühl.
Das hört sich interessant an. Aber noch mal zur Compilation zurück. Wer hat die Songs ausgewählt?
Ehrlicherweise haben wir nur die Singles und größeren Radiosongs drauf gepackt, aber auch einige Lieder, die für uns wichtig waren. Ich wollte zum Beispiel "Immortal" dabei haben, eines meiner Lieblingslieder, in einer speziellen, extralangen Version. Und auch ein paar andere Lieder, die es verdienten. auf einer Platte mit den Hit-Songs zu sein, "Ghost of love" etwa. Ein gutes Live-Lied, vielleicht kennen es dann mehr Leute nach dieser Best Of.
Außerdem ein neues Lied mit der Nightwish-Sängerin, Anette Olzon. Ein sehr altes Lied, das vor 10 - 15 Jahren geschrieben wurde. Ich mochte schon immer die Melodie, die etwas sehr Kindliches hat. Dazu habe ich die Lyrics geschrieben, eigentlich könnte man das für ein Kind singen.
"Wir haben die Musik wieder entdeckt"
Was hat das mit dem Plattenvertrag auf sich?Die letzte Platte war die letzte im Vertrag. Ich weiß nicht, ob wir mit dem Label weiter arbeiten werden. Aber im Moment fühlt es sich einfach schön an, so frei zu sein.
Also kann man auf der nächsten Platte etwas komplett Neues erwarten?
Ja, sicher. Wenn die Dinge so laufen, wie sie gerade laufen, dann wird es wirklich eine Überraschung geben. Aber es ist einfach noch zu früh, schon Details zu erzählen. Die Dinge können sich auch wieder ändern, wenn das Album rauskommt. Oftmals schreiben wir sehr viele Lieder und am Ende kommen nur die aufs Album, die zusammenpassen.
Eine Best Of CD ist ein guter Zeitpunkt, um einmal zurückzublicken. Würdest du irgendetwas anders machen, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?
Nein, ich glaube nicht. Weil jeder Fehler und jede Sache etwas bedeutet haben. Manche Dinge haben Verunsicherung und Aufregung verursacht, aus denen man gelernt hat. Dann musst du kurz innehalten und nachdenken. Es kann nicht immer alles reibungslos verlaufen. Wir haben zwei Drummer verloren – sie sind nicht gestorben (lacht) – aber sie haben die Band verlassen. Das war nicht einfach, wir mussten Ersatz finden. Aber das hat jedes Mal geklappt und daraus sind neue, positive Dinge entstanden, die die negativen aufgehoben haben.
Trotz allem habt ihr euch als Band nie getrennt. Und das obwohl ihr sehr hart arbeitet und viel tourt?
Ja, wir sind nach wie vor sehr enthusiastisch über unsere Band. Wir spielen jetzt 15 Jahre zusammen und ich sehe keinen Grund, warum es nicht noch mal 15 Jahre sein sollten. Viele Bands lösen sich auf, machen ihre Solo-Alben und kommen vielleicht nach fünf Jahren wieder zusammen. Aber mir wäre das zu einsam. Ich war jetzt erst in Berlin auf der EMA. Ich saß alleine im Publikum und habe mir die Show angeschaut.
Ich dachte mir: Wenn ich ein Solo-Künstler wäre, würde ich immer so allein hier sitzen. Höchstens vielleicht Leute von der Plattenfirma, die mich eventuell nicht mal mögen. Es ist so schön, eine Band zu haben, Freunde um sich zu haben. Man kriegt so viel mehr raus, wenn man es teilen kann. Gute und schlechte Sachen.
Zum Beispiel heute. Ich war im Studio mit Pauli, dem Gitarristen, und wir haben die Musik wieder entdeckt. Wir haben uns unsere Aufnahmen von heute angehört und wir lachten total (lacht), wir waren richtig aufgeregt. Das ist das Beste, was man erleben kann. Man fühlt die Musik wirklich.
"Ich wünsche mir, dass wir diesen Erfolg erhalten können"
Das ist ein gutes Stichwort. Ich würde gerne über Musik und Erfolg sprechen. Was ist deine Definition von guter Musik?(Überlegt sehr lange:) In letzter Zeit bin ich durch alle Lieder gegangen, die ich so in meinem I-Pod habe, und habe nach Liedern mit wirklich starken Gefühlen gesucht. Es ist sehr schwierig, sich so etwas auszudenken. Es braucht manchmal nur eine oder zwei Sekunden einer guten Melodie, die einen Song außergewöhnlich machen. Da ist etwas mit diesen Noten, mit den Akkorden darunter, es passiert etwas Magisches. Es fühlt sich gut an, es bewegt dich. Nach diesem Etwas habe ich in den Liedern gesucht, egal bei welcher Art von Musik.
Wie wichtig ist dir persönlich Erfolg? Geld, Ruhm und diese Sachen.
Naja, mir gefällt es natürlich, schöne Autos zu kaufen, das macht Spaß. Ich bin froh, dass ich um die Welt reisen kann. Auch wenn wir nicht auf Tour sind, wenn ich heimkomme. Ich verreise auch gerne privat. Geld kann dir diese Dinge ermöglichen. Ich wünsche mir, dass wir diesen Erfolg erhalten können.
Was mit "In the Shadows" passierte (Single aus "Dead Letters"), das war der Höhepunkt unserer Karriere. Davon kamen wir runter, was auch sehr normal ist. Aber ich hoffe, dass wir noch mal so einen Wurf schaffen. Das war eine verrückte Zeit. In so vielen Länder Nummer eins der Singlecharts zu sein, das ist ein einmalige Lebenserfahrung.
Würdest du auch Musik machen, wenn du nicht derart erfolgreich wärest? Kleine Gigs in Finnland spielen?
Ja, ich denke schon. Ich war so enthusiastisch, als wir vor fünfzehn Jahren unser erstes Konzert spielten, damals auf dem Weihnachtsfest unserer Schule. Ich hatte das Gefühl zu wissen, was ein guter Song ist. Wir fingen an, unsere eigenen Lieder zu schreiben. Wir spielten nur wenige Cover, zum Beispiel von Nirvana, aber wir waren sofort darauf fokussiert, unsere eigenen Lieder zu schreiben. Es fühlte sich so leicht an. Wir kopierten vielleicht ein bisschen von hier und da, aber am Ende hatten wir unsere eigenen Lieder, auf die wir stolz sein konnten. Jeder kann Metallica covern, aber die eigenen Lieder zu performen, das ist etwas ganz anderes.
Ist gute Musik immer erfolgreich?
(Überlegt) Normalerweise findet gute Musik die Leute. Aber was bedeutet erfolgreich? Es kann auch erfolgreich sein, wenn es sich nicht millionenmal verkauft, wenn es frei im Internet verfügbar ist, oder so. Wie definiert man Erfolg?
Manche Genres sind kleiner. Ich habe mich mal im Internet nach Psychobilly-Bands umgeschaut. Das sind verrückte, coole Bands, viele aus Amerika. Die sehen so cool aus und haben eine derart starke Szene, das macht mich wirklich ein bisschen neidisch. Die gehören zu etwas, über jedes einzelne Haar steht präzise festgeschrieben, wie es auf dem Kopf zu sein hat, die ganzen Tattoos, ich fand das cool. Es ist keine kommerzielle Musik, es verkauft sich nicht sehr gut. Aber es ist trotzdem ein Erfolg.
Aber ein gutes Lied wird immer seinen Weg zu den Leuten finden.
Und andersherum. Ist erfolgreiche Musik immer gute Musik?
Nein, natürlich nicht. Die Leute haben verschiedene Geschmäcker, manche können gewisse Musik nicht tolerieren, manche mögen ein bisschen von allem. Die Musik reflektiert die Persönlichkeit der Menschen, ihre Gefühle. Manche benutzen Musik als ein Statement, wie die Klamotten, die sie tragen. Sie wollen etwas damit ausdrücken.
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