22. Mai 2003
"Wir hatten keine Lust auf Fußball"
Interview geführt von Philipp Schiedel"Plug me in, plug me in", sangen Add N To X vor drei Jahren. Fragt sich nur wo, denn das ist in der heutigen Zeit für manche nicht so einfach. Zum Beispiel für meine Wenigkeit. Und so überraschte mein Aufnahmegerät nach einem ausführlichen Telefon-Gespräch mit Robocop Kraus-Basser Tobias Helminger mit einer nicht gewollten Stille. Tobi nahm's gelassen, lachte mich nicht mal aus und ließ sich (immer noch) freundlich für ein zweites Gespräch zu Hause anrufen.
Ihr wart jetzt fast einen Monat lang auf Tour durch halb Europa. Habt ihr da schon gemerkt, dass ihr nun viel größer seid als noch vor einem Jahr?
Auf jeden Fall. In Deutschland waren einige Konzert von uns ausverkauft, und wir merken schon, dass viele Leute da sind, die uns noch nicht kennen. Sozusagen der erste Kontakt mit der Band.
Ihr seid ja auch eine Band, die sehr genau darauf achtet, dass alles in einem etwas kleineren Rahmen bleibt. Sollte das dann auch irgendwann seine Grenze haben?
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist es schon so, dass wir uns in kleinen Clubs einfach wohler fühlen, weil dort die Interaktion mit dem Publikum einfacher ist. Je größerer die Bühne, je größer der Saal, um so unpersönlicher wird das Ganze, und dann sollte man dann auch eine ganz andere Bühnenpräsenz haben. Und das müssen wir als Band auf jeden Fall auch noch lernen, um auch in größeren Hallen das Beste rauszuholen. In unserer Heimatstadt Nürnberg mussten wir andererseits für die letzte Show der Tour noch von kleinen auf den großen Saal wechseln. Und da hat es auch mit ausverkauften 500 Leuten geklappt und war richtig schön.
Inwiefern bereitet ihr euch dann anders auf die größeren Clubs vor?
Richtig konzeptionell gibt es da im Moment noch nicht viel. Allerdings sind wir alle gerade vom 83er Talking Heads Live-Video "Stop Making Sense" völlig begeistert. Das ist eine Live-Show, die sehr professionell wie ein großer Musikfilm aufgezogen und unglaublich gut inszeniert ist. Ein super Konzept und alles streng durchchoreographiert. Die ganze Band bewegt sich einfach unglaublich gut auf der Bühne, aber das ist alles überhaupt nicht auffällig oder peinlich. Selbst die Beleuchtung ist auch fast nur auf ein weißes Licht reduziert und außer drei Videoleinwänden im Hintergrund lenkt auch nichts von den Musikern ab.
Könnt ihr euch Videoleinwände überhaupt für euch vorstellen?
Ich will jetzt nicht sagen, dass wir das jetzt schon 1:1 umsetzten, aber U2 sind Mitte der 80er auch nur mit weißem Licht aufgetreten, und jetzt haben sie da irgendwelche Ufos oder halbe Zitronen rumhängen. Unsere Bühnenpräsenz, was auch immer das heißen mag, wollen wir aber gerade auf großen Bühnen verbessern. Das sollte aber alles eher langsam und im Rahmen passieren, und was dann irgendwann an Effekten und Spielereien reinkommt, wird man sehen.
Eigentlich würde das ja schon zu euch passen. Style ist ja bei euren Auftritten sehr wichtig. War das auch bei der Bandgründung ein Thema?
Robocop ist ja als ein Projekt aus zwei anderen Bands (Cyan und Maggat, Anm. der Redaktion) hervor gegangen. Damals waren die Anzüge und Krawatten eher ein Contra-Statement zu dem typischen Hardcore-Hose-Am-Arsch-Und-Nietengürtel-Ding. Das hatte auch nichts mit irgendwelchen Mod- oder Retro-Traditionen zu tun, sondern war genau so wie die Musik von Robocop eine Möglichkeit, einfach alles auszuprobieren, um die damals schon leicht ausgetretenen Pfade der bestehenden Bands langsam zu verlassen. Im Endeffekt ist das bei Anzug und Krawatte hängen geblieben, weil wir das alle sowieso daheim rumliegen und auch kein Geld für irgendwelche Space-Outfits hatten. Eine bestimme Absicht stand da aber nie dahinter.
Stimmt es, dass ihr alle eure Instrumente gewechselt habt, als ihr mit Robocop angefangen habt?
Ja, das stimmt. Es ging dabei eigentlich nur um das Ausprobieren. Robocop Kraus war ursprünglich ein Projekt, um einfach richtig auf die Kacke zu hauen. Ich war Schlagzeuger und spiele jetzt Bass. Jeder konnte natürlich schon ein bisschen was von dem neuen Instrument, aber unserer Schlagzeuger konnte zum Beispiel halt nur einen Beat. Den dafür aber ziemlich laut und straight, wie man auch auf der ersten Platte von uns hören kann.
Die Orgel ist für euren Sound sehr prägend. Wie wichtig ist sie denn beim Songwirting-Prozess?
Sie ist ein gleichberechtigtes Instrument. Wir haben sie damals bei unsren Gitarristen auf dem Dachboden gefunden und einfach losgelegt. Mit der Zeit wurde aus dem ursprünglichen Lärm dann eben doch so was wie Pop-Musik und klang retro, obwohl das gar nicht so gewollt war. Unverzerrte Schrammel-Gitarren und eine Orgel dazu hören sich halt immer ein bisschen so an.
Ihr seit ja sehr Hardcore inspiriert und legt großen Wert auf Do-It-Yourself. Mit politischen Aussagen haltet ihr euch aber eher zurück. Hat das einen bestimmten Grund oder wollt ihr auf nichts festgelegt werden.
Grundsätzlich kann man sagen, dass wir alle sehr politische Menschen sind und dass wir auch sehr viel diskutieren. Ich persönlich denke aber, dass es für eine
Band extrem schwierig ist, politische Inhalte zu transportieren und dabei glaubwürdig zu sein. Bei Robocop kommt noch unser Meinungspluralismus hinzu. Es wäre nicht einfach, uns auf eine für alle gültige politische Grundaussage zu einigen. Ich halte aber manche von Thomas' Texten, wenn auch meistens zwischen den Zeilen, für durchaus politisch. Allerdings aus einer sehr persönlichen Sichtweise und oft auch mit einem großen Interpretationsspielraum
Das Politische kann ja auch schnell an einem vorbeilaufen. Ich meine, hast du dir die Refused Booklets komplett durchgelesen?
Ja, schon.
Ähh. Ok, ich hab da immer nach der Hälfte aufgehört.
Denen habe ich das aber noch eher abgenommen als in diesem ganzen Style-Kontext ihrer Nachfolgeband (die International Noise Conspiracy, Anm. der Redaktion). Sicher ist es ein interessantes Konzept, politische Inhalte über diesen Style-Kontext attraktiv zu machen. Politische Parolen in Musik und Style zu verpacken geht, meiner Meinung nach, nur ganz selten oder mit einem Augenzwinkern mit eigenem Interpretationsspielraum auf. Meistens gibt man den Leuten einfach bereits vordefinierte Konzepte vor und macht sie damit auch nur zu Endkonsumenten, anstatt sie dazu zu bringen, sich selbst ihren Teil zu denken.
Mit dem neuen Album seit ihr von eurem eigenen Label Swing Deluxe zu dem etwas größeren L'Age D'Or gewechselt. Gab es darüber heftige Diskussionen? Eigentlich passt ihr da ja nicht so richtig nach Hamburg, englischsprachig und dann noch aus Bayern.
Also eigentlich passt das ganz gut. Wir haben letztes Jahr vor der Japan-Tour so eine kleine Frust-Phase gehabt, in der wir mehrere Wochen durch Deutschland getourt sind und nichts mehr so richtig vorwärts ging. Wir wollten einfach wieder neue Songs schreiben und endlich wieder eine neue Platte aufnehmen. Das war bei uns eine Orientierungsphase, und da hat auch der Kontakt im Lado angefangen. Die waren schon seit zwei Jahren auf der Suche nach einer Rock-Gitarren-Band, da kamen wir wohl gerade recht. Obwohl sich der Annäherungsprozess sehr lange hingezogen hat, bis das alles unter Dach und Fach war, weil wir am Anfang auch sehr kritisch waren, da es schon eine Stufe größer ist. Als wir dann aber gemerkt haben, dass die Leute dort auch in Ordnung sind und mit einem ähnlichen Enthusiasmus ihre Arbeit machen, ging das ok. Im Moment können wir uns noch gar nicht beschweren.
Kannst du noch was über die Nürnberger Szene und euer Label erzählen? Was können wir aus der Stadt noch erwarten?
Nürnberg ist ok. Einige richtig gute Bands kommen von hier und es gibt diese "Jeder-kennt-Jeden" Atmosphäre, aber der angenehmen Art. Was das Label angeht, da liegt gerade alles ein wenig auf Eis. Thomas und Jo sind im Studiums-Stress und Robo ist natürlich auch viel Arbeit. Der letzte Release von Swing Deluxe war die LP von The A.M. Thawn, die gerade alles wegblasen und wirklich die weltbesten Musiker sind. Die haben auf jeden Fall keine Instrumente getauscht ...
Merkt ihr in Nürnberg, dass dort durch euren Erfolg nun mehr passiert?
Es passiert schon mehr und es wird mehr untereinander kommuniziert. Aber es ist nicht so, dass dort jetzt die neue Rock-City Nürnberg ausgerufen wird. Ich glaube eh' nicht an so was. Eine Stadt an Hand von ein paar Bands abzukulten, sei das jetzt Hamburg oder Weilheim oder Detroit oder was auch immer, halte ich für einen ziemlichen Irrglauben. Gute Bands gibt es überall. Bei uns kamen zu Hochzeiten auch fünf oder sechs annehmbare Bands aus dem Hersbrucker Umfeld, dieses 12.000 Seelen-Kaff östlich von Nürnberg, wo wir alle herkommen. Aber im Laufe der Jahre hat sich dass dann aus verschiedenen Gründen wieder in alle Winde zerstreut. Damals war das eine große Community, in der einfach jeder Musik gemacht hat. So war es in Weilheim oder jedem anderen Provinznest wohl auch. Wenn man halt kein Bock auf Fußball-Verein oder Freiwillige Feuerwehr-Jugend hat, fangen manche eben mit einer Band an.
Ok, tausend Dank.
Willst du gleich noch mal probehören?
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Das Interview führte Philipp Schiedel
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