Porträt

laut.de-Biographie

Shaggy

"Wenn ihr mich noch nicht kennt, kommt einfach zu einem meiner Konzerte. Ich garantiere euch, anschließend werdet ihr ein Shaggy-Fan sein". Bescheidenheit ist eine Zier. Der Werdegang dieses Mannes, der durchaus gerne mal 'ne dicke Lippe riskiert, zeigt jedoch, dass man ohne ihr zuweilen weiter kommt. Spätestens seit seinem Single-Erfolg mit "Boombastic" im Jahr 1995 dürften sich die Banken New Yorks nach diesem Kunden die Finger lecken.

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Das war nicht immer der Fall: Orville Richard Burrell wird am 22. Oktober 1968 in Kingston, Jamaica, in eher ärmliche Verhältnisse hinein geboren. Ein Freund verpasst ihm in Anlehnung an einen Charakter aus der Zeichentrick-Serie Scooby-Doo schon bald den Namen Shaggy. "In meiner Familie war niemand besonders musikalisch", erinnert er sich. Trotzdem bemerkt Shaggy recht schnell, dass ihm die Musik mehr als nur ein Hobby zu bieten hat und saugt die Klänge des heimatlichen Eilands tief in sich auf: Ska, Reggae genauso wie Dancehall, R'n'B und Rock Steady hinterlassen ihre Spuren.

Shaggy zählt 18 Lenze, als die Familie den Entschluss fasst, nach Brooklyn auszuwandern. Es dauert nicht lange, bis sich eine Plattenfirma findet, die seine ersten Gehversuche veröffentlicht: Die Tunes "Mample" und "Big Up" kommen in einigen New Yorker Reggae-Clubs zum Einsatz. Zum Leben reicht dies allerdings nicht.

1988 tritt Shaggy dem US Marine Corps bei. "Ich würde das heute nicht mehr tun", sinniert er im Interview. "Aber damals war ich ein Junge aus dem Ghetto, und die Army bot mir eine Möglichkeit, an einen Gehaltsscheck zu kommen." An den Ernstfall denkt er kaum: "Manche sind jahrelang Soldaten und haben nie einen Einsatz." Für Shaggy läuft der Hase anders. 1991 wird er im Rahmen der Operation Desert Storm im Irak eingesetzt, eine Erfahrung, die nachhaltig prägt: "Krieg ist schlimm. Als ich zurück war, wusste ich, dass ich mit Musik meinen Erfolg finden muss".

Gedacht, getan. Mit "Oh Carolina", einer Coverversion eines Rock Steady-Hits der 60er Jahre von Prince Buster, landet er 1993 einen Wahnsinns-Treffer. Sein Debüt-Album "Pure Pleasure" klettert daraufhin unaufhaltsam an die Spitzen der Charts. Shaggy begibt sich erstmals auf Welttournee und tritt als erster Reggae-Star im von der Apartheid befreiten Südafrika auf.

1995 setzt die Single "Boombastic" dem ohnehin vielversprechenden Karrierestart noch eins drauf. Die Verwendung der Nummer in einem scheinbar omnipräsenten Werbespot für Jeans trägt dazu bei, Shaggys Popularität noch weiter zu schüren. Er gilt inzwischen als einer der erfolgreichsten Reggae-Popstars der westlichen Welt.

Sein rauhes Timbre auf pop-orientierten Ragga-Tunes setzt die Dancefloors sämtlicher Kontinente in Brand. Auf dem ebenfalls "Boombastic" betitelten Album behält Shaggy den eingeschlagenen Kurs bei. Diesmal nimmt er sich unter anderem Ken Boothes Klassiker "The Train Is Coming" vor, der auch im Film "Money Train" zu Ehren kommt. Der Longplayer wird vielfach dekoriert, unter anderem mit dem Grammy für das beste Reggae-Album des Jahres. Unnötig zu erwähnen, dass Shaggys erneute Welttour zum Volltreffer wird.

Das dritte Album "Midnite Lover" verzeichnet keinen Single-Hit und erntet beim europäischen Publikum kaum Aufmerksamkeit. Shaggy lässt sich davon nicht beeindrucken: Er freut sich an seinem Team, an den Resultaten, und lässt die Welt willen, kein Tag seines Lebens komme ihm wie Arbeit vor. Beneidenswert.

Zumal der nächste Höhenflug nicht lange auf sich warten lässt: 2001 legt Shaggy mit "Hot Shot" ein Comeback hin, das sich gewaschen hat. "It Wasn't Me", die Schmachtnummer "Angel" sowie "Luv Me, Luv Me" werden rauf und runter gespielt. "Hot Shot" macht seinem Titel alle Ehre und setzt sich umgehend an die Spitze der Billboard-Charts.

Vergleichbaren Erfolg hat das Folgejahr trotz emsigen Outputs nicht mehr zu bieten. "Lucky Day" fährt mit "Hey Sexy Lady" unter Beteiligung Barrington Levis einen weiteren Hit auf und untermauert, auf starke R'n'B-Einflüsse bauend, Shaggys Immage als Ladies' Man. Einige interessante Kombinationen, darunter ein Duett mit Chaka Khan, gefallen zwar. Der Knall, den "Hot Shot" mit sich brachte, bleibt allerdings aus. Eine Remix-Version von "Hot Shot" wird von der Kritik als wenig mutig aufgenommen.

Auch das haut einen Shaggy nicht um: Er liefert unterdessen die Titelmusik zum Film "Showdown". Gemeinsam mit Ali G. fabriziert er zudem "Me Julie". "Wenn ich das heute höre, frage ich mich schon, warum ich das gemacht habe", windet er sich fünf Jahre später im Gespräch. Ohne Reue allerdings erinnert er sich an "Gebt Das Hanf Frei", eine Kollaboration mit Stefan Raab aus dem gleichen Jahr.

"Clothes Drop" heißt es 2005: Der Titel nimmt den Inhalt des Albums vorweg. Bei den Feature-Gästen setzt Shaggy diesmal auf populären Hip Hop und R'n'B. Neben Will.I.Am von den Black Eyed Peas geht unter anderem Pussycat Dolls-Frontfrau Nicole Scherzinger an den Start.

2007 knallt mit "Church Heathen" der erste Vorbote des nächsten Albums in die Dancehall. Eigentlich gar nicht als Single-Auskopplung vorgesehen, hält sich der Tune satte 13 Wochen auf der Spitzenposition der jamaikanischen Charts. Am zugehörigen Album wird gefeilt: "Intoxication" erscheint im Herbst 2007, bewegt sich zurück zu den Dancehall-Wurzeln, von denen sich Shaggy trotz aller Mainstream-Tauglichkeit nie wirklich trennen wollte, und lockt unter anderem mit Gastauftritten von Sizzla und Akon.

Shaggy - Com Fly Wid Mi
Shaggy Com Fly Wid Mi
Shaggy & Sting stöbern in Frank Sinatras Repertoire.
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Die weiteren Singles "Bonafide Girl" mit Desmond Dekker-Sample, "What's Love (feat. Akon)" und "Feel The Rush" funktionieren in Europa gut, aber nicht mehr so sehr gut wie einst. Der Sinkflug des Dancehall trifft sogar den Mista Boombastic-Romantic-Fantastic, der ihn für den Mainstream salonfähig machte. Erst ein gemeinsames Album mit Sting und zwei Tourneen mit ihm ziehen wieder Medienaufmerksamkeit auf Shaggy und bringen ihm einen zweiten Grammy ein.

Nach diesem Erfolg und Hype läuft Shaggy restlos umtriebig zur Hochform auf. Jedenfalls quantitativ. Mit "Wah Gwaan?!" liefert er wieder einen Schwung neues eigenes Material und deutet eine neue Vorliebe für Techno-artige Sounds an. Mit dieser Klangfarbe überzieht Shaggy auch im Herbst 2019 seine 'stand-alone'-Single, "Stuckie Teacher", die ohne Album erscheint.

Als Co-Producer tritt er vielfach in Erscheinung. Zum Beispiel ertränkt er den Engländer Maxi Priest auf dessen Platte "It All Comes Back To Love" in besagtem technoid-Sound. Für die jamaikanische Dancehallerin Spice und deren Debüt "10" überkommen ihn an den Reglern wieder mehr Verve und Vibez. Als Gast findet man ihn auf Olly Murs' Album.

Alte Classics wie "It Wasn't Me" erfahren auf der Jubiläums-CD "Hot Shot 2020" neuen Glanz. Der Release feiert auch das 25-jährige Jubiläum von "Boombastic" mit einigen Hits in neuen Verpackungen. Gleich zwei Mal erscheint in beiden Lockdown-Wintern eine ungewöhnliche Weihnachts-CD namens "Christmas In The Islands", einmal mit 15, dann mit 19 Tracks. Nur die ein oder andere Textanspielung macht Christmas zum Thema.

Vor allem aber zeigt sich Shaggy von einer sehr poppigen Seite und hat eine Armada an Duett-Gästen: den "Cheerleader" Omi, Jamaikas funkiest Dancehaller Ding Dong, Schmachtschnulzer Romain Virgo, die großen 'B' Beenie und Bounty, Soca-Star Bunji Garlin, Newcomerin Shenseea, Reggae-Heroen seiner Generation (Richie Stephens, Junior Reid, Sanchez), Sting, dessen junge Background-Sängerin Hannah Brier, Neuentdeckung Jamila Falak (geboren 1993) und natürlich Shaggys ewiger best mate Rayvon. Als schönstes Weihnachtslied nimmt Mista Luva Luva mit der Karibik-begeisterten Joss Stone das locker-flockige "Sunny Celebration" auf.

In Deutschland macht sich der Boombastische die ganzen 2010er-Jahre lang recht rar. Die Tour mit Sting führt ihn immerhin 2018 auf ein paar Bühnen in Füssen, Fulda und Mainz. Warum es aber mit einem Festival, das wie geschaffen für Shaggys Stilfusionen erscheint, nicht mehr klappt, erklärt uns der Charts-Spitzenreiter im Interview: "Mit den Leuten vom Summerjam bin ich irgendwie nicht zurecht gekommen." Und tatsächlich: Kaum begibt sich einer der beiden Geschäftsführer des Events in Rente, kommt es zu einem Shaggy-Booking.

Das ist auch unausweichlich, will man den ersten weltweiten Dancehall-Hit der 2020er auf eine deutsche Bühne holen: "Go Down Deh" mit Sean Paul, Shaggy und Spice, die alle drei in Köln aufkreuzen. Somit sieht man den so fantastischen, romantischen 53-Jährigen nach acht Jahren auch wieder mit einem Solo-Slot in Deutschland.

Dass er die Musik der 50er und 60er schätzt - daraus machte der Crossover-Künstler nie einen Hehl. "That Girl" etwa, sein Duett-Hit mit Maxi Priest, beruht auf einem Uralt-Song von Booker T. und Steve Cropper. 2022 dürfen Stücke von Cole Porter und anderen ran - Merkmal für alle: Frank Sinatra hat sie schon mal geträllert. Ob Willie Nelson Sinatra-Album inspirierte?

Fürs Tribute-Album "Com Fly Wid Mi" findet sich zwar keine Plattenfirma, dafür treten zwei Großkaliber an. Sting produziert das Teil und singt auch mit. Lenky, alter Hase, der Sean Paul und Wayne Wonder gepusht und Assassin (Agent Sasco) für seine Riddims auf dem 40/40-Label entdeckt hat, taucht nach anderthalb Jahrzehnten aus dem Off auf. Er trimmt die Jazz-Standards auf Reggae-One Drops, arrangiert sie hübsch - und siehe da: der Jazz-Crooner Shaggy ist geboren!

Einmal in die Gegenrichtung, nach Trinidad und Tobago, schwimmt er im Mai 2023. Eine Soca-EP ist dieses Mal angesagt. "Die Sache mit Soca-Musik ist, dass sie immer sehr saisonal war", erläutert Shaggy dem karibischen Online-Portal Newsday. "Was ich liebe, ist, wenn du sie nicht einer bestimmten einmaligen Karnevals-Saison überlässt. Ich mache einen Hybrid, den man weltweit von Jahr zu Jahr wieder auflegen kann. Und den Feel-good-Vibe, den man aus Trinidads Soca und dem Karneval ziehen kann, könnte man auf den Rest des Jahres verteilen. Deswegen finde ich es crazy, dass es Leute das Format in der Nische halten wollen."

Ende 2023 lanciert Shaggy seinen eigenen Radio-Kanal 'Boombastic Radio' im milliardenschweren US-Satellitenradio-Netzwerk Sirius XM. Die Musikfarbe des Senders soll Dancehall, Afrobeats und Reggae rund um die Uhr bringen, mit besonderem Augenmerk auf neue afrikanische Trends. Auch über die Sirius-App wird das Programm zu hören sein. Shaggy moderiert dort auch eine wöchentliche Sendung namens 'Shaggy's Yaad'. Sie verspricht eine "kulturelle Reise mit einem breiten Mix aus raren Tracks und Klassikern und umfasst dabei die Genres Hip Hop, Dancehall und Reggae."

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Shaggy - Wah Gwaan?!: Album-Cover
  • Leserwertung: 1 Punkt
  • Redaktionswertung: 3 Punkte

2019 Wah Gwaan?!

Kritik von Philipp Kause

Funktioniert in starken Momenten wie ein DJ-Mixtape. (0 Kommentare)

Surftipps

  • Shaggy Official

    Offizielle, recht spartanisch ausgestattete Seite.

    http://www.shaggyonline.com
  • Shaggys Tweets

    Eigenlob, Lob für Musikkollegen, Ankündigung von Ticketverkauf und Featuring-Kollabos.

    https://twitter.com/direalshaggy
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