laut.de-Biographie
Phoenix
Musik aus Frankreich. Damit verbindet man oft House respektive Acts wie Daft Punk (ältere Semester kennen natürlich noch Edith Piaf, Serge Gainsbourg, MC Solaar oder Les Rita Mitsouko). Dass Franzosen erstens nicht nur rein elektronische Musik sehr gut hinkriegen und zweitens auch englisch singen können, beweisen Phoenix.
Eine Band, die man so nicht erwartet hätte. Ihr Sound ist vielseitig wie ein Fünf-Gänge-Menü. Basierend auf einem amerikanischen folky funky Country als Hauptgang servieren sie einen Aperitif aus 80s-Kitsch, zur Vorspeise kommt ein housig-eklektischer Salat und nach der Hauptspeise gibt es Gitarrenrockbretter und ein Funpop-Softeis. Hört sich nicht gerade leicht verdaulich an, ist es aber!
Phoenix schaffen es, die leicht skurril wirkende Mischung so zusammenzustellen, dass stets ein eingängiges, schmeichelndes Album dabei herauskommt, das dem geneigten Musikhörer keinerlei Bauchschmerzen bereitet. Angefangen haben Thomas Mars (Vocals, früher auch Drums), Deck D'Arcy (Bass) and Christian Mazzalai (Gitarre) 1991 als Garagenband. Sie proben in Thomas' Haus in einem Vorort von Paris und vor maximal einem betrunkenen Kneipenpublikum covern die Teenager Songs von Prince und Hank Williams. 1995 kommt Christians älterer Bruder Laurent Brancowitz als zweiter Gitarrist hinzu.
1997 erscheint ihre erste Single in 500er Auflage auf dem eigenen Label "Ghettoblaster". Man einigt sich auf Phoenix als Bandnamen. Eine Kopie fällt in die Hände des Pariser Labels Source. Die Folge: ein Plattenvertrag. Doch bevor ein eigenes Album ansteht, gehts erst mal auf eine bizarre kleine Tour: Man spielt als Backgroundband für die Labelkollegen und Freunde Air. Das wäre ja weiter nichts besonderes, würde man nicht ausschließlich in britischen Fernsehshows auftreten.
Es folgen die Aufnahmen zum Debüt. Zwei Monate verbringen die Franzosen im Studio. Und dort sind sie nicht allein. Unterstützung kommt von Thomas Bangaltar (Daft Punk, Keyboard auf "Embuscade") und Philippe Zdar (Cassius, mixte einen Großteil des Albums). Man kennt sich eben in der Pariser Szene - Laurent spielt mit den beiden Daft Punks vor deren Erfolg in einer Band namens Darlin.
Kritiker preisen das Album "United" in den Himmel und die erste kleine Clubtour durch Deutschland Ende 2000 ist bereits mehr als gut besucht. Und das zu Recht, live erinnert Sänger Thomas Mars von Attitüde und Aussehen her ein klein wenig an Pulps Jarvis Cocker und hat doch seinen ganz eigenen Charme. Abgehoben sind sie trotz des Zuspruchs jedoch nicht - so wohnen sie zu der Zeit noch mit einigen Freunden in einer WG in Paris zusammen.
Rund vier Jahre nach dem vielgelobten Debütalbum kommt der Zweitling "Alphabetical". Statt "Too Young" heißt der Singlehit nun "Everything Is Everything", das Album fällt insgesamt aber ruhiger aus. Von der gut besuchten Tour, die die Band durch 15 Länder auf fünf Kontinenten führt (rund 150 Konzerte), erscheint der rockende Livemitschnitt "Live! Thirty Days Ago".
Mit dem Gitarren-lastigen "It's Never Been Like That" (2006), eingespielt während eines zweimonatigen Berlin-Aufenthalts, und vor allem dem wieder elektronischer orientierten "Wolfgang Amadeus Phoenix" (2009) festigt die Truppe ihren Ruf als unprätentiöse Vorzeigeband mit einem sicheren Händchen für klar strukturierte Popsongs. Für Kitsuné stellen sie noch vor dem "WAP"-Release eine Compilation zusammen.
Das 2009er Werk zieht Ende Januar 2010 in Los Angeles gar einen Grammy ab. In der Kategorie "Best Alternative Music Album" lassen Phoenix renommierte Acts wie Depeche Mode, David Byrne & Brian Eno, Death Cab For Cutie und die Yeah Yeah Yeahs stehen. Thomas und Co. werden in den einschlägigen US-Late Night Shows wie "Saturday Night" als Gäste geradezu herum gereicht, ebenso wie auf großen Festivals. Beim Konzert im Madison Square Garden kommen gar kurz Daft Punk auf die Bühne.
Die Franzosen auf dem bisherigen Karrierezenit - den Weg dorthin halten Antoine Wagner und Francisco Soriano in der TV-Doku "From A Mess To The Masses" fest, die Phoenix auf Albumtour begleitet. Drummer Thomas Hedlund und Robin Coudert (Keys, Percussion) gehören mittlerweile fest zum Live-Line-Up.
Thomas Mars, der deutsche Wurzeln hat (der Literaturkritker und Journalist Hellmuth Karasek ist sein Onkel), ist seit 2005 mit der US-Regisseurin Sofia Coppola liiert. Das Paar hat zwei Töchter und lebt in New Yorks Greenwich Village - 2010 steuern Phoenix den Soundtrack zu Coppolas Streifen "Somewhere" bei. Schon früher findet sich "Too Young" auf dem "Lost In Translation"-Score. Im Streifen "Marie Antoinette" hat der Vierer dann einen Kurzauftritt: Hofmusiker in Rokoko-Kostümen.
2010 nimmt langsam aber sicher die Arbeit am Grammy-Nachfolger Fahrt auf - zuerst in Manhattan, wo Thomas mittlerweile wohnt, ab 2011 in Frankreich (zum mittlerweile dritten Mal mit Philippe Zdar in Montmartre, Paris).
Im Januar 2013 verraten sie den Albumtitel: "Bankrupt!. Der Titel und das asiatisch angehauchte Pfirsich-Cover spiegeln eher ästhetische denn inhaltliche Motive wider. Noch bevor die Scheibe, die in der Limited Deluxe-Edition mit 71 Studiooutput-Fragmenten auf einer Extra-CD erscheint, steht fest: Die Franzosen spielen erst mal nur die richtig großen Festivals.
Nachdem "Bankrupt!"-Nachbereitung zum Großteil gelaufen ist, gehen es Phoenix ruhiger an, gleichwohl beginnen bereits im September 2014 die Arbeiten am nächsten Album. Für kurze Abstecher ins heitere Fach mit Schauspieler Bill Murray ("A Very Murray Christmas", 2015) ist natürlich immer Zeit. 2017 kündigen die Franzosen dann eine große Tour an, die von Amerika bis Japan und Indonesien reicht. Auch der Titel des Albums steht nun fest: "Ti Amo" erscheint am 9. Juni. Pierrick Devin produzierte die Platte mit, zuvor nahmen Phoenix wieder hunderte Stunden Musik auf.
Gitarrist Laurent verspricht der NY Times dazu 'sommerliche Gefühle und Italo-Disco'. Es deute aber auch dunklere Farben an: So war Gitarrist Christian während den Terror-Attacken auf das Bataclan 2015 im Pariser Studio (in einem alten Opernhaus nahe Centre Pompidou, das heutzutage als Bürohaus fungiert) eingeschlossen, als die Polizei die Stadt abriegelte. Das Livedebüt der Single "J-Boy" geben Phoenix im Mai im US-TV in der Jimmy Fallon-Show. Im selben Jahr schreiben Phoenix für Coppolas Film "Die Verführten" wieder die Musik.
2017 führt die Band Residency-Shows in Paris, New York City, Los Angeles, Tokio und Mexiko-Stadt unter dem Titel "A Very Speciale Night with Phoenix" durch. Sie beinhaltet exklusive Merchandise-Artikel, einen Phoenix-Automaten, Eiscreme, eine Discoteca-Afterparty, Live-Musik, besondere Gäste und Phoenix-Sake. Im gleichen Jahr arbeiten di8e Franzosen mit Tatenokawa, Inc. zusammen, einer Brauerei aus der japanischen Präfektur Yamagata, als Hommage an einen verstorbenen Freund Toshiro Kuroda, einen japanischen Gastronomen, der in Paris einen Lebensmittelladen namens Workshop Isse betrieben hat.
Dieser Laden befand sich im Erdgeschoss des Wohnhauses von Christian Mazzalai. Während der Japan-Tournee der Band im Rahmen der Promotiontour zu "Bankrupt!" zeigte Kuroda der Band Sake-Brauereien in Japan, darunter besagte Tatenokawa, Inc. Gemeinsam kreiert man eine Sake Collection, die Tatenokawa Phoenix (auch als Rainbow Label bezeichnet): Die Sparkling Sake wird anlässlich des 20-jährigen Jubiläums von Phoenix kreiert. Ein Teil des Erlöses geht an das japanische Rote Kreuz.
2020 veröffentlichen Phoenix das Buch "Liberté, Egalité, Phoenix!" zur Feier des 20-jährigen Bestehens ihres ersten Albums. Das Buch ist eine von Laura Snapes geschriebene Biografie über die Band und ihre Musik. Im August desselben Jahres erscheint die Single "Identical" in Coppolas Film "On The Rocks".
Die Franzosen beginnen mit den Aufnahmen zu ihrem siebten Album "Alpha Zulu" während der Covid-19-Pandemie noch im selben Jahr im Musée des Arts décoratifs, einem Studio im Louvre-Palast in Paris. Brancowitz erzählt, dass die Band "das Gefühl hatte, dass es ein fantastisches Abenteuer wäre, etwas aus dem Nichts zu erschaffen", wobei Mazzalai verrät, dass man"fast alles" von Alpha Zulu innerhalb der ersten zehn Tage geschrieben habe. Das Album ist vom langjährigen und 2019 verstorbenen Freund Philippe Zdar (Cassius) inspiriert, der drei ihrer Alben produziert hat.
Der Entstehungsprozess ist auch in anderer Hinsicht eine Herausforderung. Noch nie waren die Bandmitglieder solange voneinander getrennt wie im Lockdown: Während Mars in New York lebt, blieben seine drei Mitstreiter in und um Paris. Am 4. November erscheint "Alpha Zulu", das Cover-Artwork lehnt sich an ein Gemälde des frühen Renaissance-Malers Sandro Botticelli an, auf dem Label Glassnote und beherbergt zum ersten Mal in der Bandgeschichte ein Feature: Ezra Koenig von Vampire Weekend.
Phoenix ist eine Indiepop-Institution, die feste musikalische Prinzipien hat und sich dabei doch stets ein Stück weiterentwickelt. Mit einer gehörigen Portion Melancholie und viel Spielfreude schaffen die vier Mannen aus Versailles es jedes Mal auf Neue, dass man sich in sie verlieben kann.
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