laut.de-Biographie
Tom Waits
Tom Waits bei Ray Cokes? Denkste! Auf MTV und ähnliche Kanäle war Tom Waits während seiner langjährigen Musikerkarriere nie angewiesen. Teenagern würde er wahrscheinlich auch nie glaubhaft rüberbringen, dass nicht er, sondern das Piano besoffen sei. Welcher Song beschreibt Karriereteil I des Maeostros besser: rauchige Kneipen, kratzende Stimme, sentimentale Melodien, eingängig und sehr leicht zu verdauen; bis er 1983 das Album "Swordfishtrombones" veröffentlichte.
Seitdem wühlt sich Tom Waits musikalisch durch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und kürt das zum Instrument, was andere beim Schrotthändler abgeben. Von Bedeutung war nach eigener Aussage von Waits die Verehelichung mit Kathleen Brennan im Jahr 1980, denn nicht nur privat geben die zwei ein Team ab, sondern auch künstlerisch. Konsequenterweise folgte zur exzentrischen musikalischen Entwicklung mit dem '99er Album "Mule Variations" der Wechsel vom Major Island zum Indielabel Epitaph.
Tom Waits produziert allerdings nicht ausschließlich reine Audio-Genüsse. Neben den Musicals "Frank's Wild Years" (1987) und "The Black Rider" (1993) hat er einen Haufen Filmmusik komponiert, u.a. für "Dead Man Walking" oder "The End Of Violence". Damit nicht genug, Tom Waits tritt selber vor die Kamera. 1978 übernahm er eine kurze Rolle in Sylvester Stallones "Paradise Alley" und seitdem kamen zahlreiche Auftritte, legendär vor allem in Jim Jarmuschs "Down By Law", wo er als Radio-DJ in den Knast wandert, um mit einem verrückten Italiener (Roberto Begnini) und einem Zuhälter auszubrechen und sich auf eine Odyssee durch die Sümpfe zu begeben.
Bedauerlicherweise beglückt Tom Waits seine Fans nur äußerst selten mit Live-Auftritten. Seit die L.A.-Kneipenzeit rum ist und er abgeschieden lebt, ist er auch in den Staaten kaum noch zu sehen, in Europa sieht es noch viel schlechter aus. Mit besagtem Album "Mule Variations" heimste er 1999 in der Sparte Blues einen Grammy für das "beste zeitgenössische Folkalbum" ein und vergrößerte mit der nachgewachsenen Indie-Generation seine reiche Fangemeinde.
An seiner kreativen Schaffenskraft dürfen wir weiterhin teilhaben. 2002 erscheinen mit "Alice" und "Blood Money" gleich zwei neue Waits-Alben am selben Tag. Beide sind hauptsächlich mit akustischen Instrumenten aufgenommen und stammen aus der Feder von Tom Waits und seiner Frau Kathleen. "Alice" allerdings ist in Wirklichkeit so neu nicht: die Songs gehen auf das gleichnamige Musical zurück, das Waits zehn Jahre zuvor mit dem Regisseur Robert Wilson im Hamburger Thalia Theater uraufgeführt hatte. Bei den Neuaufnahmen im Studio konnte Waits auf prominente Hilfe bauen, u.a. saß der Ex-Police-Drummer Stewart Copeland an den Fellen.
Ohne Klavier, aber wieder mit neuem Material meldet er sich 2004 mit "Real Gone" wieder. Mit dabei sind neben seiner Frau auch Gitarrist Marc Ribot, Primus-Bassist Les Claypool und Sohnemann Casey.
Danach streitet Waits erst mal mit diversen Autoherstellern. Zuletzt legt er sich im Frühjahr 2005 wegen eines Tom Waits-Doubles in einem Spot mit Opel an. Zuvor hatte er Audi wegen unrechtmäßiger Verwendung eines seiner Stücke verklagt, und auch mit Lancia gab es einen Konflikt. "Wenn ich einen Opel, Lancia oder Audi stehlen, meinen Namen draufsetzen und ihn dann wieder verkaufen würde, käme ich ins Gefängnis", ärgert sich Waits. "Aber da drüben fragen sie, ich sage Nein, und sie holen sich Imitatoren."
Erst Ende 2006 steht neues Material in Aussicht, dafür gleich im Dreierpack mit 30 neuen Songs und 24 Raritäten bzw. Kollaborationen aus "Film, Literatur und Musik". "Orphans: Brawlers, Bawlers & Bastards" heißt die Trilogie, die im November 2006 in die Läden kommt. Das umfangreiche Werk enthält ausschließlich unveröffentlichtes und in den letzten Jahrzehnten liegengebliebenes Material des Meisters. Die Qualität und stilistische Vielfalt der Box ist sogar für Waits-Jünger überraschend. Von zartesten Balladen über ruppigen Blues, keltischem Folk hin zu knarzend grummeligen Noise-Tracks ist alles vertreten, was das Hörerherz erfreut. Musikalisch zieht der alte Grantler sich daraufhin erst einmal zurück.
Das heißt jedoch nicht, dass Waits auf der faulen Haut liegt. Er bringt seine Filmkarriere künstlerisch weiter voran. In dem Kopfgeldjäger-Drama "Domino" spielt er einen mystisch entrückten Wanderprediger. In der romantischen Antikriegsgroteske "Le Tigre Et La Neve" agiert er wiederholt an der Seite seines alten Freundes Roberto Benigni. Zwischendurch veröffentlicht Waits noch als Download-Only-Digital-Single den Track "Diamond In Your Mind", aufgenommen mit dem Kronos Quartet, Philip Glass und dem Dalai Lama.
Doch Waits kennt sein Publikum: Filmrollen und Gimmicks - selbst die wunderbarsten - lassen den Bühnenkünstler nur umso mehr vermissen. 2008 gehts zurück on stage mit der ebenso kleinen wie feinen Glitter And Doom-Tournee. 2009 erscheinen dann gleich zwei Live-Alben von Waits, deren Aufnahmen allerdings gut 30 Jahre auseinander liegen: Auf "Romeo Bleeding: Live From Austin" hört man erstmals die lange verschollenen Aufnahmen eines Konzerts von 1978, das einzige offizielle Zeugnis der "Blue Valentines"-Tour. Und mit "Glitter And Doom" veröffentlicht Waits einen Konzertmitschnitt aus der gleichnamigen Tour des Vorjahres.
Die Erfahrungen des Tourlebens, der Kontakt mit dem Publikum und seine kreative Rastlosigkeit münden in Ideen für ein neues Album. Heraus kommt ein echtes Familienprojekt: Sohn Casey spielt großartige Drums ein und Gattin Kathleen gibt neben der gewohnten Tätigkeit als Co-Autorin auch gleich die Producerin. Ehemalige Weggefährten und Kumpels wie Keith Richards runden das stimmige Bild ab.
"Bad As Me" erscheint 2011 und strotzt nur so vor Vitalität, Romantik und systemkritischem Sarkasmus. So viel Aufklärung auf einmal gabs selten. Und während Anhänger erneut auf Livekonzerte hoffen, hat sich der Eigenbrötler schon wieder in seine Festung, das abgeriegelte kalifornische Schneckenlandhaus, zurückgezogen. Öffentliche Auftritte werden seltener.
Bei den Rolling Stones komm er 2013 mal als Gast-Start auf die Bühne, und neben ganz vereinzelten Konzerten tritt Waits einige Male in der Late Show with David Letterman auf. 2018 hat er ein Gastpiel in der Western Anthologie "The Ballad of Buster Scruggs" von den Coen Brüdern, 2021 eine Nebenrolle im Film "Licorice Pizza" von Paul Thomas Anderson.
2022 begleitet Waits Neuauflagen von "Alice" und "Blood Money" auf Youtube mit einigen bislang unbekannten Live-Versionen von Songs dieser Alben. Anfang 2023 wird bekannt, dass Anti-Records die sieben ersten Alben von Waits remastern lässt und neu herausbringt, den Anfang macht Ende März das Re-Release von "Closing Time".
1 Kommentar
please do a milestone for closing time and bone machine