11. November 2013

"Heute hip und morgen auf dem Müll"

Interview geführt von

Seit August 2010 liegt das deutsche Popduo Ich + Ich auf Eis. Seitdem kümmert sich Annette Humpe primär um die musikalischen Belange anderer Künstler (Max Raabe, Ich Kann Fliegen). Partner Adel Tawil hingegen nutzte die vergangenen drei Jahre um sein erstes Soloalbum fertigzustellen.

"Aufgegabelt, gefressen, ausgespien. Wieder aufgerappelt, durchgehalten, von unten nach ganz oben und wieder von vorn. Losgelöst, verbrannt, zurückgekehrt und frei": Wer die Einleitung des Pressetextes zum Solodebütalbum von Adel Tawil liest, der zieht zunächst erst mal skeptisch die Augenbrauen zusammen.

Doch wer sich etwas intensiver mit der künstlerischen Vergangenheit des Berliner Sängers auseinandersetzt, kommt unweigerlich zumm Schluss, dass man gar nicht authentischer hätte beginnen können - denn was der in Spandau geborene Sohn einer Tunesierin und eines Ägypters im Laufe einer fast zwanzigjährigen musikalischen Laufbahn schon alles erlebt hat, gleicht einer emotionalen Achterbahnfahrt sondergleichen.

Hi Adel, du hast mit Ich + Ich die ganz großen Erfolge gefeiert. Jetzt stehst du mit deinem Solodebüt in den Startlöchern und beginnst quasi von vorn. Welches Gefühl überwiegt? Vorfreude? Anspannung? Oder gar Angst?

Adel: Von allem etwas, würde ich spontan sagen (lacht). Wobei Angst dabei den kleinsten Part ausmacht. Im Moment überwiegt die Vorfreude, ganz klar. Die Anspannung ist auch eher vergleichbar mit einem Kribbeln.

Also alles rundum positiv?

Absolut. Die einzige Zeit, in der die Anspannung nicht immer mit einem Kribbeln einherging, war die Phase, in der ich mir die ersten grundsätzlichen Inhaltsfragen für das Album stellte. Das ist jetzt aber auch schon eine ganze Weile her.

Wie war das? Erzähl doch mal.

Nun, irgendwann kam ich an den Punkt, wo mir klar wurde, was ich eigentlich wollte. Es war einfach an der Zeit, mit gewissen Dingen abzuschließen. Ich wollte mich befreien und den Menschen einen Einblick in meine Geschichte geben. Das war auch zuerst alles total toll und aufregend. Irgendwann kamen aber auch wieder Dinge hoch, die lange Zeit begraben waren. Das war dann schon etwas schwieriger.

Stichwort: Boyband?

Ja, auch.

Dann lass uns doch mal kurz die Uhr zurückdrehen und den Finger in die Wunde legen.

Oh je, was willst du wissen? Warum ich bei The Boyz eingestiegen bin?

Zum Beispiel.

Naja, ich war 17, besessen von Musik und der Vorstellung, davon irgendwann mal damit mein Geld verdienen zu können. Zu der Zeit war ich ja noch primär als MC zu Gange. Irgendwie kam mein Style aber nicht so richtig an. Meine Gesangsstimme hingegen schon, nur wollte die innerhalb meiner Rap-Community keiner hören. So hing ich also ein bisschen in der Luft. Irgendwann kam dann halt das Angebot vom Triple-M-Management. Die versprachen mir den Himmel auf Erden – das ganze Paket halt. Frauen, Geld, Ruhm etc. Zuerst lief auch alles super. Wir wurden rumgereicht, landeten in den Charts und vor unseren Wohnungen campierten dutzende Mädchen. Das war schon ziemlich abgefahren.

Nach vier Jahren war aber die Luft raus. Es gab kaum noch Anfragen, die Singles floppten, und von den Mädels waren auch nur noch die hartnäckigsten am Start. Zudem entpuppte sich unser Management als das personifizierte Böse. Die haben sich nämlich schön die Taschen vollgestopft und uns dann einfach links liegen gelassen. Wie das halt so läuft. Wir wurden klassisch ausgebeutet. Heute hip und morgen auf dem Müll. So lief das.

"Annette hat mich regelrecht befreit"

Du bist dann ausgestiegen und hast versucht, dir was Eigenes aufzubauen. Ich kann mir vorstellen, dass man im Business mit einem dicken Ex-Boybandmitglied-Button auf der Stirn nicht gerade mit offenen Armen empfangen wird.

So war es natürlich auch. Und das war das eigentlich Schlimme an dieser ganzen Zeit. Ich meine, mir war schon bewusst, dass mich nach der Boyband-Geschichte niemand mehr als Performer ernst nehmen würde. Deswegen habe ich mir ein kleines Studio eingerichtet und damit angefangen, Songs zu schreiben. Ich wollte durch die Songwriter-Hintertür wieder rein ins Geschehen. Aber irgendwie waren plötzlich alle Türen zu. Ich war damals wirklich ziemlich dicke mit unzähligen wichtigen Label-Verantwortlichen. Doch keiner von denen wollte mir zuhören. Das war krass enttäuschend und hat mich derbe zurückgeworfen.

Kurz danach traten zwei Frauen in dein Leben, mit dicken Rettungsankern in der Hand. Kann man das so sagen?

Ja, absolut.

Während sich deine jetzige Ehefrau Jasmin um den gebrochenen Menschen Adel Tawil gekümmert hat, hauchte Annette Humpe dem Musiker wieder neues Leben ein. So in etwa?

Das trifft es auf den Punkt. Hast du schön beschrieben (lacht). Diese Doppeldosis Leben war auch wirklich nötig, um mich wieder neu zu definieren. Ich weiß nicht, ob ich ohne die beiden je wieder so richtig auf die Beine gekommen wäre.

Lass uns über deine Beziehung mit Annette sprechen. Wie war das für dich, als sie damals plötzlich in deinem Studio auftauchte?

Das war schon ziemlich bizarr und surreal. Aber ich habe schnell gemerkt, dass wir musikalisch auf einer Linie waren, wobei ich der Lehrling und sie die Meisterin war. Annette hat mich regelrecht befreit. Sie hat mich eingeführt in die wahre Magie des Schreibens und des Komponierens. Diese Frau ist wirklich einzigartig.

Nehmen wir mal an, du hättest Annette nicht kennengelernt, und wir würden heute hier trotzdem über dein erstes Soloalbum sprechen: Wäre das musikalische Ergebnis ein anderes?

Ich denke schon. Wobei ich dir nicht sagen kann, wie es klingen würde. Auf dem Album steckt schon ziemlich viel von dem drin, was ich die letzten Jahre musikalisch gemacht habe. Das wollte ich aber auch gar nicht anders. Ich hatte nicht das Bedürfnis, mich musikalisch völlig neu zu erfinden. Dafür steh ich auch viel zu sehr hinter dem Grundsound von Ich + Ich. Mir ging es vielmehr darum, meine ganz persönliche Geschichte zu erzählen. Ich wollte mich befreien. Es ging mir ums Aufräumen und darum, mich zu bedanken.

Wem gebührt denn, neben deinen beiden Frauen, der meiste Dank?

Der Musik an sich. Musik ist Energie, ohne die ich wahrscheinlich nur wenig auf die Reihe kriegen würde.

"Bei Hawkwind hats dann allerdings aufgehört"

Musik kennt bei dir auch scheinbar keine Grenzen. Als ich das erste Mal den Titeltrack deines Albums gehört habe, war ich doch ziemlich überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass du früher Nirvana und Rage Against The Machine gehört hast.

Ich habe alles gehört. Das tue ich auch heute noch. Ich unterscheide nicht nach Genres. Entweder Musik berührt mich, oder eben nicht. Im Fall von Rage Agaist The Machine war es bei mir damals einfach so, dass ich irgendwann drei verrückte Koreaner auf meiner Schule kennengelernt habe, die mir irgendwann das RATM-Debüt unter die Nase hielten. Die meinten, dass ich mir das unbedingt mal anhören müsse. Da würde halt auch ein Typ rappen, aber es wäre kein Hip Hop.

Ich hab mir dann das Cover angeguckt und war sofort geflasht von dieser unbändigen Aggressivität des Artworks. Naja, die drei Typen spielten zufälligerweise auch in einer Band zusammen, und so haben wir uns halt verabredet und auf die Schnelle "Bombtrack" und "Killing In The Name" einstudiert. Das war schon ziemlich fett und für mich letztlich auch ein ganz großer Entwicklungsschritt. Danach kamen dann noch Sachen wie Nirvana und Pearl Jam dazu.

Wow!

Ja, wer hätte das gedacht, oder (lacht)? Und diese Sachen haben mich auch später noch begleitet. Für mich haben sich dadurch unheimlich viele gedankliche Türen geöffnet. Mein Horizont wurde erweitert und ich bin als Musiker gewachsen. Bei Hawkwind hats dann allerdings aufgehört (lacht).

Hawkwind?

Ja, die wollten mir die Jungs dann auch noch schmackhaft machen. Das war mir aber dann doch eine Spur zu heftig.

Kann ich verstehen. Zum Abschluss muss ich natürlich auf dein Hauptprojekt zurückkommen. Wie lange wird die kreative Pause noch andauern?

Jetzt genießt natürlich erst mal mein Soloalbum Priorität. Aber Annette und ich sind uns in den letzten Monaten schon wieder ziemlich nah gekommen. Sie ist ja auch auf meinem Album präsent. Ich glaube, sie hat auf diesem Album sogar mehr gesungen, als bei allen Ich + Ich-Produktionen zusammen. Außerdem hat sie den Track "Schnee" komplett alleine geschrieben. Ich denke, dass wir uns demnächst auch wieder intensiver mit der Ich + Ich-Zukunft beschäftigen. Wann das aber sein wird, und was dabei rauskommt, kann ich dir zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht sagen.

Das ist aber doch schon mal eine Ansage.

Ich denke auch. Einfach am Ball bleiben. Da kommt bestimmt bald wieder was. Versprochen.

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6 Kommentare mit 13 Antworten

  • Vor 11 Jahren

    Ist ja schön, dass er die Kurve gekriegt hat. Nur die Musik ist trotzdem nicht zu ertragen.

  • Vor 11 Jahren

    das ist auch wieder so ein mostersympathmann, dem man mal eine platte wünscht, die man auch gut finden könnte.

  • Vor 11 Jahren

    Habt ihr denn niemanden in der Redaktion, der diesem Typen nicht ganz so wohl gesonnen ist? Ich meine man hätte ihm schon ein wenig mehr auf den Zahn fühlen können. Aussagen wie "Für mich haben sich dadurch unheimlich viele gedankliche Türen geöffnet. Mein Horizont wurde erweitert und ich bin als Musiker gewachsen.", klingen für mich wie blanker Hohn angesichts der Musik, die er heute macht. Dieses nichtssagende Wohlfühl-Interview könnte man so auch 1:1 in der Bunten abdrucken, sorry.

  • Vor 11 Jahren

    Was wollt ihr eigentlich immer alle? Er darf kein RATM hören weil er Kuschelpop macht? Er muss allen zeigen, dass er doch ein harter Hund ist? Leute gehts euch eigentlich gut? Der Mann hat mit seiner Musik mehr Hörer gefunden als manch andere Nischenband die hier von den Indiespacken als groß abgefeiert wird. Der ist EUCH bestimmt keine Rechenschaft schuldig.

    • Vor 11 Jahren

      Viele Hörer machen schlechte Musik auch nicht besser. Und das ist Fakt!

    • Vor 11 Jahren

      Sie ist also schlecht weil sie dir nicht gefällt? Ich hab Neuigkeiten für dich: es gibt viele Leute die auch Musik die du hörst als schlecht empfinden. Wahnsinn was? Ich selber höre dem seine Musik bis auf die Singles auch nicht aber wie sich die Lautcommunity wieder erhaben fühlt, weil sie jemanden aus dem Popbusiness runter machen kann geht mir irgendwie auf den Sack.

    • Vor 11 Jahren

      Bin da bei Sancho, dieses elitäre Gehabe gegenüber jeglicher kommerzieller Musik, Schlagermusik, Teenie-Musik, etc ist irgendwie lächerlich, als ob hier nur Experten am Start wären. Mir taugt Adel auch nicht und sicher gibt es künsterlisch wertvolleres aber: lass ich ihn halt links liegen und gut ist.

    • Vor 11 Jahren

      Genau so lächerlich wie die chauvinistische Phrasen gegen sämlichte weiblichen Künstlern von dir.

    • Vor 11 Jahren

      Meinst du zum Beispiel die geile Sau die du als Avatar hast?^^

    • Vor 11 Jahren

      KillPikachu: Meinst Du mich? Ich habe hier noch nie chauvinistische Phrasen von mir gegeben. Ich achte und ehre die Frauen, viele von ihnen zumindest und geschätzte Künstlerinnen nochmal doppelt so doll.

    • Vor 11 Jahren

      Lautuser schizophren wie eh und je.

    • Vor 11 Jahren

      Ach bleib mir weg mit dem geblubber ey, ich erinner mich noch gut dran das du zB zu Inna's Album 'Club Rocker' geschrieben hast das sie nur "zum ficken taugt" und sonst scheiße fabriziert, dein kommentar ist dann urplötzlich verschwunden aber die Reaktionen darauf sind immernoch zu lesen. Also komm mir nicht mit Ehren von Frauen und komm mir jetzt schon garnicht mit 'das war ein anderer Characters von mir bla bla bla'.

    • Vor 11 Jahren

      KillPIkachu: Welche Inna? Sowas habe ich sicher nicht geschrieben. Wenn Du unbedingt willst, dass ich für Dich User xyz bin, ok - bin ich aber schlicht nicht. So werden wir nicht weiterkommen. Egal, ich für meinen Teil achte Frauen, klare Sache.

    • Vor 11 Jahren

      Oh gott Timo halt bitte dein Maul. diese lauti ist tot und ich bin ganz wer anders Nummer geht hart auf den Sack. Btw haste bereits ca die Hälfte deiner Vorsätze in den Wind geschossen... Gratz.

    • Vor 11 Jahren

      http://www.laut.de/Inna/Alben/I-Am-The-Clu…
      Bitteschön. Schade das die Kommentare weg sind, aber die Reaktionen zitieren dich ja genug.
      Ich dachte du bist einfach ein Depp Anfang 20 mit zu viel zeit, aber wie du ja schon öfter gesagt hast bist du ja schon um einiges älter, was das ganze zu einem Trauerspiel erster Güte macht. kbye

    • Vor 11 Jahren

      Nun ja, es wurde alles gesagt, müssen wir nicht diskutieren. Ich sage hier und jetzt: Ich ehre und achte alle Frauen, insbesondere diese Inna und alle die von minderbemittelten Alt-Mackern mit Geltungsdrang und kleinem Pipimann in irgendwelche Bitch-Pools gesteckt wurden! :)

    • Vor 11 Jahren

      Wie er sich windet wie ein schleimiger Aal. Jeder weiß, dass er ein chauvinistischer Dummkopf ist.

  • Vor 11 Jahren

    Dem Adel hätte ich eigentlich so ein richtig fieses, schön kritisches Ulf-Interview gewünscht. Das hätte mich interessiert, wie er darauf reagiert hätte.