18. April 2012

"Wir lassen uns nicht verunsichern!"

Interview geführt von

Bei Adrenaline Mob geht es weniger um den finanziellen Reibach als um künstlerische Anerkennung, die sich Mike Portnoy, Russell Allen, Mike Orlando und John Moyer von ihrem gemeinsamen Gang an die Öffentlichkeit versprechenDoch auch hier spalten sich bereits kurz nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums "Omerta" die Szene-Lager. Während sich die New Rock-Branche am druckvollen Erstling durchaus erfreut, wendet sich die Progressive-Anhängerschaft eher Nase rümpfend ab. Wir plaudern mit Nachzügler John Moyer einige Tage vor der Record Release Party in New York über die Entstehung der Combo, Fan-Scheuklappen und Lebens-Eckpunkte.

Hi John, "there is a new Gang in town" steht auf eurer Homepage. Erzähl uns etwas über die "Gang". Wie ist Adrenalin Mob entstanden?

John: Nun, Mike Orlando und Russel Allen kennen sich schon ewig und drei Tage. Während sie zusammen an Russells Soloalbum gearbeitet haben, sind Unmengen an Songs entstanden, die praktisch danach schrien in ein neues Gewand gesteckt zu werden. Den beiden fehlte aber noch ein fähiger Drummer, also schickten sie das vorhandene Material an Mike Portnoy, mit dem Russell ebenfalls seit Jahren eng befreundet ist. Mike war begeistert, und so kam die ganze Sache ins Rollen.

Du bist erst später dazu gestoßen, richtig?

John: Ja, die drei haben sich für die ersten Gigs einige Freunde auf die Bühne geholt, die ihnen am Bass und an der zweiten Gitarre ausgeholfen haben. Das war aber alles nichts Langfristiges. Nachdem sie dann das Album eingespielt hatten, und es darum ging einen Plan zu entwerfen, wie es denn Live weitergehen sollte, rief mich Mike dann vor knapp zwei Monaten an und fragte, ob ich nicht Lust hätte, während der Disturbed-Pause etwas Neues anzufangen. Er schickte mir die Aufnahmen, und ich war Feuer und Flamme, denn in meinen Augen haben die drei ein fantastisches Album aufgenommen.

Das sehen einige Prog-Anhänger allerdings etwas anders. Wie geht ihr mit den doch teilweise recht harschen Kritiken vieler Dream Theater- und Symphony X-Fans um?

John: Für mich ist das natürlich etwas schwieriger, da meine musikalische Vergangenheit nicht ganz so weit von dem entfernt ist, was Adrenaline Mob auszeichnet. Ich weiß aber, dass Allen und Mike sich eher über derartiges Scheuklappen-Denken amüsieren, als sich darüber wirklich zu ärgern. Seit die Jungs denken können, wollten sie irgendwann einmal ein echtes "kick-ass-Projekt" aus der Taufe heben.

Da lassen sie sich von vereinzelten Querdenkern doch nicht verunsichern. Die Fans sollten schnell begreifen, dass Adrenaline Mob absolut nichts mit der Vergangenheit der beiden zu tun hat. Dies ist eine ganz neue Band, in der sich alle Beteiligten musikalische Träume erfüllen.

"Ich wusste nicht einmal, wo ich mein Kabel einstecken sollte"

Ihr habt alle bereits viele Business-Jahre auf dem Buckel und wisst nur zu gut, wie der Hase läuft. Auch wenn allein eure Namen bereits im Vorfeld für Aufsehen gesorgt haben, ist es ja dennoch ein kompletter Neuanfang für jeden von euch. Wie fühlt sich das an?

John: Das war, zumindest für mich, neben der musikalischen Herausforderung, der eigentliche Grund mich Adrenaline Mob anzuschließen. Ich bin jetzt schon so lange mit Disturbed unterwegs und habe mitgeholfen, die Band zu dem zu machen, was sie heute ist. Etwas Ähnliches schwebt mir mit Adrenaline Mob vor. Ich will einfach dabei sein, wenn die Band wächst, sich ihre Fans erspielt und gute Alben rausbringt. Das wird sicherlich nicht einfach, denn da draußen gibt es massenhaft Bands, die dasselbe vorhaben, aber ich bin bester Dinge, dass wir ordentlich durchstarten werden.

Was macht dich so sicher? Denkst du nicht, dass Songs wie "Undaunted" oder "Hit The Wall" vor zehn Jahren nicht weitaus eher den Zeitgeist getroffen hätten?

John: Das mag schon sein, aber ich glaube, dass das Album weitaus mehr zu bieten hat, als nur diese beiden Songs, auch wenn ich sie persönlich zu meinen Favoriten auf der Scheibe zähle. Vielseitigkeit wird bei uns groß geschrieben. Du findest einfach alles, was ein rundes Rockalbum bieten sollte. Auch inhaltlich berühren mich die Songs immer wieder. Ich meine, darum geht es doch im Leben: den richtigen Weg zu finden, nicht zweimal denselben Fehler zu machen, sich zu entwickeln, zu wachsen und das Leben zu schätzen. Zudem ist der Sound allererste Sahne. Jay Rustons Mix ist der Wahnsinn. Die letzte Anthrax-Scheibe, die er gemixt hat, hatte schon einen gnadenlosen Schliff. Ich bin froh, dass die Jungs ihn für "Omerta" mit ins Boot geholt haben, denn er hat einen fantastischen Job gemacht.

Du bist jetzt schon seit über zwanzig Jahren im Geschäft. Dein "Mutterschiff" Disturbed macht gerade Pause, und dennoch kannst du die Füße nicht stillhalten, sondern tanzt stattdessen auf anderen Hochzeiten. Hätte sich deine Familie nicht auch über eine persönliche Auszeit von dir gefreut?

John (lacht): Oh, ich denke schon. Meine Frau und meine beiden Kids würden mich sicher gerne öfter sehen, aber so ist das halt, wenn du mit einem Virus infiziert bist, der dich nicht mehr loslässt (lacht). Diese "Krankheit" verfolgt mich schon seit Jahrzehnten.

Wer hat dich denn seinerzeit angesteckt?

John: Das waren Van Halen mit ihrem Album "1984". Von da an wusste ich, dass ich auch auf die Bühne will. Ich hatte zwei Kumpels, die beide Gitarre spielten und noch einen Bassisten suchten. Ich konnte noch gar nichts, wusste nicht einmal, wo ich mein Kabel einstecken sollte. Aber als es dann losging, gab es kein Zurück mehr. Ich liebe einfach, was ich tue. Mittlerweile spiele ich auch ein bisschen Schlagzeug und werde auch an der Gitarre jeden Tag besser. Ich muss Musik einfach um mich herum haben.

"Die Leute wollen wissen, wie es mit Disturbed weitergeht"

Wie würdest du denn den heutigen Stand der Dinge im Metal-Bereich beschreiben, verglichen mit der Zeit, als du angefangen hast selbst in die Saiten zu hauen?

John: Das Genre ist meiner Meinung nach lebendiger und präsenter denn je. Vor allem seit Beginn des neuen Jahrtausends hat sich unglaublich viel getan. Ich entdecke fast täglich neue Bands, die den Sound von Black Sabbath oder Led Zeppelin in die Neuzeit transportieren und dabei Nischen füllen, von denen man vor zwanzig oder dreißig Jahren nicht einmal zu träumen wagte. Das ist spannend zu beobachten und hält die Branche nicht nur am Leben, sondern hebt sie auch von anderen ab.

Metal ist genauso Underground wie Mainstream. Die Loyalität seitens der Fans ist ungebrochen. Ich würde sogar sagen, dass der Zusammenhalt dieser Tage stärker ist, als je zuvor. Schau dir nur Bands an wie Disturbed, Avenged Sevenfold oder Five Finger Death Punch. Der Erfolg dieser Combos spricht doch Bände. Ich glaube, dass Metal-Musik immer aktuell sein wird, denn wir sprechen hier nicht nur von einer Musiksparte, sondern von einer Kultur, einem Gefühl, ähnlich wie beim Hip Hop.

Du teilst dein Wissen auch seit vielen Jahren mit der jüngeren Generation als Miteigentümer einer Musikschule in Austin, Texas. Welchen Stellenwert hat diese Arbeit für dich?

John: "Natural Ear Music", so heißt die Schule, ist ein ganz wichtiger Bestandteil meines Lebens. Es geht darum, Kids ohne Noten und theoretischen Schnickschnack an Musik heranzuführen. Das macht unheimlich viel Spaß und bedeutet mir sehr viel. Diese Arbeit ist einer von vielen Eckpunkten in meinem Leben, die ich einfach brauche, um glücklich und zufrieden zu sein. Ich arbeite nebenher auch noch im Management-Bereich. Ich muss einfach in Bewegung sein, verstehst du? Meine Familie, Disturbed, die Schule, das Management und Adrenaline Mob: Das alles füllt mich aus und stellt mich jeden Tag wieder aufs Neue vor Herausforderungen. Das ist großartig. Das ist mein Leben.

In einigen Tagen geht eure Tour los. Für dich wird der erste Gig in New York auch gleichzeitig deine Live-Feuertaufe sein. Trotz aller Erfahrung: Bist du etwas nervös?

John: Nein, ich bin eher freudig erregt (lacht). Ich kann es kaum abwarten endlich mit den Jungs loszulegen. Wir haben einiges vor, das kann ich dir versprechen. Nach den US-Dates werden wir auch nach Europa kommen. Ich denke, irgendwann im Frühsommer und sicherlich neben Club-Shows auch einige Festivals spielen. Das wird großartig. Gerade Mike war schon lange nicht mehr in Europa. Der freut sich schon wie ein kleines Kind auf die heiße Jahreszeit.

Lass uns zum Schluss noch einige Worte über deine Home-Band verlieren. Viele Disturbed-Fans brennen darauf Neues zu erfahren. Wie sieht's aus?

John: Ich habe wirklich keine Ahnung. Wir werden sehen, was dieses Jahr noch alles passiert. Die Band befindet sich momentan in einer Pause, von der wir selber noch nicht wissen, wie lange sie andauern wird. Im Moment zählt für mich nur Adrenaline Mob. Hier stecke ich derzeit meine ganze musikalische Energie hinein. Ich kann verstehen, dass die Leute wissen wollen, wann und wie es mit Disturbed weitergeht, aber Fakt ist: Es gibt keine News (lacht). Sollte sich daran was ändern, werden wir die ersten sein, die sich zu Wort melden.

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