laut.de-Biographie
Babyface Ray
Im modernen Hip Hop der 2020er geht man mit einem viralen Kometenerfolg steil oder man kämpft sich vom lokal beachteten Veteranen zu einem überregionalen Erfolgs-Act. Babyface Ray gehört zu den letztgenannten Dudes: Der Mann fängt um 2010 an zu rappen, der durchschlagende Erfolg lässt aber ein ganzes Jahrzehnt auf sich warten. Aber dieses Warten hat sich gelohnt: Seine Geschichte ist vor allem die Geschichte eines eigenwilligen Handwerks, der sich im eigenen Rhythmus zur Exzellenz entwickelt.
Detroit-Rap in der Post-Eminem-Ära hat nämlich einen ganz eigenen Schritt, der im Untergrund so anders zu den Durchbruchs-Artists klingt. Leute wie Ray oder 42 Dugg hören sich um 2010 sicher nicht wie Big Sean an, sondern klingen nach Artists wie Webby aus Baton Rouge oder Bay Area-Acts. Später kommt besonders oft der Name The Jacka auf. Detroit gehört zu den prekäreren Gegenden Amerikas, ein von der Industrie verlassenes leeres Schneckenhaus von einer Stadt, das die Grundidee der "Reality Raps" wirklich forciert. Aber als Geburtsstadt des Technos bleibt der kreative Vibe hier auch selten zu ernst: Was sich später herauskristallisieren wird, ist ein Fokus auf die Bassmusik, die den Rappern anhaftet.
All das sind Grundvoraussetzungen, die subtil aber spürbar in der ursprünglichen Musik von Team Eastside herauszuhören ist. Diese Gruppe besteht unter anderem aus Ray, Peezy, Dam, Lil P, D. Nice und Lou Dram. Ray hat bis dahin als SPaßprojekt begriffen. Irgendeiner seiner Freunde besitzt ein Mic. Aber als sie sich zum Kollektiv zusammenschließen, eröffnet sich ihm die Business-Seite. Sie beginnen den klassischen Distrokid-Datpiff-Mixtape-Spam: "Mud In Mud Out", "Mud, Sweat & Tears", "Mud Muzic 2 Reloaded", "Money Orientation", "Winter Grind" und "People's Champ" erscheinen back to back. Team Eastside wird eine Bank für die Stadt, auch wenn Ray eigentlich auf der Westside zur Welt kommt.
Das lokale Heldentum hält ein paar Jahre, in dem auch das Ausschweifen in Solorprojekte gerade für Peezy und Ray zu einem lukrativen Kanal avanciert. Die Inhaftierung von Ersterem setzt dem Team aber fürs Erste ein Ende und Ray muss sich bis auf Weiteres um sich selbst kümmern. 2014 erscheint "Young Wavy". Kontinuierlich arbeitet er sich durch die Jahre. "MIA Season" eröffnet 2015 eine neue Serie, 2017 geht er mit "Legend" und "Trillest" schon in der Selbstwahrnehmung in den Veteranen-Zustand der Stadt über, doch ahnt niemand, dass die Jubeljahre erst noch kommen werden. "The Last One Left" und "Product Of My Environment" mit Samuel Shabazz sind Tapes, die sein Profil schärfen, "MIA Season 2" kommt zur richtigen Zeit, denn langsam geht Detroit-Rap überregional.
Der Moment der Wahrheit für Ray kommt 2021, denn da erscheint das kurze, aber bärenstarke Tape "Unfuckwitable", das endlich die Früchte seiner Arbeit einfährt. Inzwischen hat er auf Tapes von Trippie Redd bis Big Sean gastiert, weil die alle neugierig auf diese neue Wave waren. Im Gegenzug haben auch viele Rapper Bock, auf seinem Tape zu landen. In dieser Zeit arbeitet er mit Murda Beatz, Jack Harlow, EST Gee, Kash Doll und Moneybagg Yo: Auch Future wird auf ihn aufmerksam. Im Folgejahr erscheint dann "Face", auf dem er Detroit-Rap eines der wohl ausgefeiltesten und überregional besten vernetzten Tapes kredenzt, die neben den üblichen Verdächtigen sogar MCs von Pusha T bis Yung Lean in die Welle der Stadt einflechten.
Ray gehört zu den Rappern, bei denen das 'sich Hocharbeiten' ganz und gar keine Floskel ist. Dieser Mann hat so lange gerappt und gerappt und gerappt, sich mit Leuten vernetzt und immer sein Handwerk an die erste Stelle gesetzt, dass es nur poetische Gerechtigkeit ist, dass er zwölf Jahre nach seinen ersten Gehversuchen in der Szene noch einmal weltweit gefeiert wird. Sein Sound mag nicht die cartoonhafte Seite seiner Stadt repräsentieren, dafür spiegelt er aber die Lebendigkeit dieser Rapper wider und lässt trotzdem den Ernst nicht vermissen. Er ist ein Allrounder, der alle Aspekte seiner Herkunft abdeckt.