laut.de-Biographie
Bahamadia
Es muss ganze Arbeit sein, die Szene einer Stadt aufzubauen. Philadelphia hatte über die Jahre seine gute Handvoll an brauchbaren Rappern, aber abgesehen von Schooly-D nie jemanden, der wirklich in die lokale Szene investiert hat. Den Fresh Prince und Black Thougt mit den Roots zog es nämlich eher in das nahe gelegene New York, so dass die Basisarbeit für den Aufbau der Philly-Szene oft zu großen Teilen in den Händen des Untergrunds liegt. Eine Arbeit am Anfang der Neunziger, von der viele Veteranen inzwischen einen Bärenanteil einer gewissen Bahamadia zuschreiben.
Die ist auch in der Musikindustrie aktiv, lange bevor sie sich selbst als Rapper verselbstständigt. Sie macht sich unter anderem als DJ einen Namen, legt an der ganzen Ostküste auf und knüpft zu einer ganzen Menge Leuten Kontakt, die von ihrer offenen und intelligenten Art beeindruckt sind. Doch neben den Turntables interessiert sie auch das Mikrophon.
So stellt sie sich immer wieder auf, um bei Cyphers und Open Mics ein wenig Freestyle-Skill zu beweisen, entwickelt über die goldene Ära bis in die Neunziger einen formidablen Skill und doch nur wenig Interesse daran, selbst ihre Fähigkeiten auf Wachs unter Beweis zu stellen. Das ändert sich erst, als mit Salt-N-Pepa und MC Lyte eine erste Generation an Rapperinnen die Szene entern und auch Bahama-D laut eigener Aussage den Mut fasst, ihr Debüt als Rapper zu geben. Ein weiteres Beispiel dafür, warum Repräsentation so wertvoll sein kann.
Denn bis zur Mitte der Neunziger hat sich das Talent von Bahamdia längst rumgesprochen. Gang Starr und The Roots sind Fans, geben ihr wertvolle Kontakte durch und bringen sie an die richtigen Produzenten. So geschieht es dann, dass für ihr erstes Album 1996, "Kollage", mit DJ Premier, Guru und den Roots gleich mehrere Hochkaräter an den Reglern stehen. Das Album landet gerade bei Kritikern und Magazinen überaus gut, bekommt aber in der allgemeinen Bevölkerung den berüchtigten "unterschätzt"-Sticker aufgeklebt. Die Neunziger neigen sich dem Ende, flashiger Pop-Rap steht höher im Kurs als durchdachter Jazz-Rap.
Leider setzt von hier aus auch keine größere Erfolgsgeschichte mehr ein. Auch wenn ihre Musik weiterhin von Fans wie Kritikern geschätzt wird, hat Bahamadia mit ihrem Debüt vielleicht doch etwas zu lange gewartet. Sie wendet sich an ein Untergrund-Label in Los Angeles und sucht noch mehr kreative Kontrolle über ihre Musik, während sie in Philadelphia eine bald legendäre Radioshow ins Leben ruft, auf der sie unbekannten Künstlern aus ganz Amerika eine Plattform gibt, so zum Beispiel auch einem jungen Eminem.
Mit "BB Queen" und "Good Rap Music" legt sie in den 2000ern noch einmal nach, bleibt aber eher unter dem Radar, genau wie ihre in den 2010ern erscheinenden EPs "Dialed Up Vol. 1" und "Vol. 2". Viel interessanter scheinen da eher ihre Kollaborationen, die von Erykah Badu über die Jedi Mind Tricks bis hin zu dem Drum'n'Bass-Produzenten Roni Size und den TripHoppern von Morcheeba reichen. Bahamadia bleibt Zeit ihrer Karriere ein kreativer Geist und tobt sich an allen Fronten des Musikgeschäfts aus.
Dass sie den großen Durchbruch dabei nie geschafft hat, dürfte sie deswegen gar nicht so besonders interessieren. Nicht nur für die ganz eingeweihten Leute ist ihr Einfluss und ihre Wirkung in der Rapszene in und außerhalb von Philadelphia unübersehbar, und ihre musikalische Experimentierfreude und ihre Offenheit gegenüber allem Neuen und Alten machen sie zu einer der faszinierenden Figuren des Untergrunds in den Neunzigern. Denn neben den Stars gibt es diese Figuren, die hinter den Kulissen ikonische Arbeit leisten. Und Bahamadia ist zu einer Hälfte ersteres, zu einer Hälfte zweiteres.
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