laut.de-Biographie
Barrington Levy
Ob er bei der Flut großartiger Musiker, die die karibische Insel hervor gebracht hat, tatsächlich als "Jamaica's No. 1 singer of all times" durchgeht, entscheide jeder für sich. Ohne Zweifel jedoch beschert Barrington Levy Reggae und Dancehall mit Titeln des Kalibers "Under Mi Sensi" oder "Broader Than Broadway" zeitlose Evergreens, die aus Jahrzehnte nach ihrer Entstehung keinen Deut ihrer Frische eingebüßt haben.
Barrington Levy erblickt das Licht der Welt am 30. April des Jahres 1964 im Westen der jamaikanischen Hauptstadt Kingston. Kindheit und Jugend verlebt er jedoch vorwiegend im ländlicheren Clarendon. Musikalische Ambitionen treiben ihn bereits in zartem Alter um: Barrington verehrt zu dieser Zeit Dennis Brown und Burning Spear, aber auch Michael Jackson und die Jackson 5 sowie US-amerikanische R'n'B-Interpreten haben es ihm angetan.
Als 14-Jähriger gründet Barrington zusammen mit seinem Cousin Everton Dacres The Mighty Multitude. Diesem Projekt ist allerdings keine allzu lange Lebenszeit beschieden: "Dazu gibt es nicht viel zu erzählen", ergibt der dürftige Rückblick. "Wir haben zwei Songs aufgenommen, das war's." Immerhin: Die Songs "My Black Girl" und "A Long Long Time" überdauern The Mighty Multitude um Etliches. Bei Auftritten mitgeschnittene Aufnahmen des 15-Jährigen verbreiten sich bis in die USA und nach England.
Seit der Trennung des Duos 1978 wandelt Barrington Levy auf Solopfaden. Obwohl seine Debüt-Single "A Long Time Since We Don't Have No Love" weitgehend unbeachtet bleibt, avanciert der Teenager mit der charakteristischen Stimme zum gern gesehenen Gast in den lokalen Dancehalls. Hier, im Verbund mit ortsansässigen Soundsystems, wird Produzent Junjo Lawes auf ihn aufmerksam.
Lawes und sein Kollege Hyman Wright beginnen mit Barrington Levy eine fruchtbare Zusammenarbeit und sorgen für Hits. Mit "A Yah We Deh" verzeichnet der junge Sänger seine erste Veröffentlichung im Ausland. Den ersten größeren Erfolg landet er mit der Nummer "Collie Weed". Viele weitere sollen folgen. Die Channel One All Stars, aus denen später die Roots Radics hervor gehen, die Größen wie Bunny Wailer, Gregory Isaacs oder Israel Vibration begleiten, halten Barrington Levy dabei den Rücken frei.
Obwohl das bevorzugte Format in der Kultur der Reggae-Soundsystems die Single darstellt, legt Levy bereits Ende der 70er den Grundstein für eine beeindruckend umfangreiche Alben-Diskografie. Sein 1979 veröffentlichter erster Longplayer "Bounty Hunter" fasst die bisher gelandeten Hits noch einmal zusammen.
Triumph reiht sich an Triumph. 1980 und '81 tritt Levy, mächtig umjubelt, beim Reggae Sunsplash Festival auf. Er kooperiert mit einer Vielzahl an Kollegen und Produzenten. Sein Album "Robin Hood" von 1980 erschließt ihm darüber hinaus eine stetig wachsende Fangemeinde in Großbritannien.
"Under Mi Sensi" markiert 1983 einen Höhepunkt. Der Tune erlangt internationale Popularität. In England hält er sich zwölf Wochen an der Spitze der Charts. Zudem liefert "Under Mi Sensi" die Basis für "Under Mi Sleng Teng", mit dem Wayne Smith zwei Jahre darauf einen Dancehall-Megahit serviert, und trägt Barrington Levy 1984 den British Reggae Award in der Kategorie "Best Vocalist" ein.
In den späten 80er Jahren verringert sich jedoch seine Produktivität. Die Beziehung zu Junjo Lawes verschlechtert sich zusehends. Barrington wirft ihm vor, Junjo bereichere sich an seinem Talent und nutze seinen Namen aus. Erst eine neue Verbindung, mit Jah Screw nämlich, der bei U-Roys Soundsystem als Selektor tätig war, bringt seine ins Stocken geratene Karriere wieder in Schwung.
"Ich wünschte, ich hätte niemals mit Junjo zu tun gehabt", konstatiert Barrington Levy fast zwei Jahrzehnte später immer noch verärgert im Interview mit Rebelbase. "Die Zusammenarbeit mit Jah Screw dagegen war und ist ein einziger Spaß. Junjo dachte, er würde mir helfen, aber in Wirklichkeit hat mich niemand unterstützt. Ich hab' mir selbst geholfen, schließlich war ich derjenige, der auf die Bühne rausgegangen ist und es gerissen hat!"
Bei aller Bitterkeit: Eine allzu schlechte Ausgangsbasis für Barrington Levys Laufbahn legte die Kooperation mit Lawes nicht. In den folgenden Jahren veröffentlicht Levy konstant weiter, tourt durch Nordamerika, Europa und Asien und teilt sich die Bühnen mit allem, das in Reggae und Dancehall Rang und Namen hat. Mehr und mehr entwickelt er zudem Crossover-Potenzial in Richtung Hip Hop.
Nach einem weiteren gelungenen Auftritt beim Sunsplash 1993 nimmt man Barrington Levy bei MCA unter Vertrag und reitet eine Attacke auf den US-Markt. In Großbritannien, auf Jamaika ohnehin, mischt Levy ungebrochen an der Spitze mit. Gemeinsam mit Sly & Robbie arbeitet er an neuem Material.
Etwa zur gleichen Zeit entsteht ein Album, das bei Greensleeves als "DJ Counteraction" veröffentlicht wird. Bei Ras erscheint selbiges unter dem selbsterklärenden Titel "Duets". Barrington Levy lädt hier Kollegen von Beenie Man bis Lady Saw ans Mikrofon. Regie führt, wie gehabt, Jah Screw.
Gälte Barrington Levy nicht längst als lebende Legende, spätestens "Living Dangerously", seine Kooperation mit Bounty Killer, hätte ihm diesen Status eingebracht. Die Nummer entpuppt sich sowohl auf Jamaika als auch in den USA als der größte Reggae-Erfolg des Jahres 1996 und hält sich weltweit wochenlang in den Dancehall-Charts. Zwei Jahre später legt Levy das ebenso betitelte Album nach. Hier ist unter anderem Snoop Dogg mit von der Partie.
Barrington Levy wildert ohnehin gern in Hip Hop-Gefilden: So hört man ihn beispielsweise auf Alben der Rascalz oder auf "White People" der Handsome Boy Modeling School. Neben neuen Singles erscheinen Compilationen und Rückschauen auf sein Werk am laufenden Meter.
Auf "Teach The Youth" vom April 2008 beispielsweise finden sich Tracks aus den Jahren 1980 bis '85, die allesamt auf das Konto des im Februar verstorbenen Produzenten Joe Gibbs gehen: ein Nachruf, wie dieser ihn sich angemessener nicht hätte wünschen können. Auch die Compilation "Sweet Reggae Music", die 2012 erscheint, greift auf diese Phase in Barrington Levys Schaffen zurück und versammelt 40 Songs aus den Jahren 1979 bis '84.
Im Juli 2011 und 2014 bespielt Barrington Levy das Kölner Summerjam-Festival, im August 2013 präsentiert er einige seiner Klassiker, wie "Under Mi Sensi" und "Murderer", auf dem niedersächsischen Reggae Jam.
Nach langer Abstinenz in Sachen Studioaufnahmen erscheint im Juni 2015 Levys Meisterwerk "Acousticalevy". Hierauf macht er zwar kein Unplugged, trennt sich aber so weit es geht von Halleffekten und anderen dubbigen Zutaten seiner früheren Aufnahmen. Die Neueinspielungen seiner Klassiker füllt er mit Intensität im Ausdruck und atemberaubender Atmosphäre an.
Zwar klingen die "Stripped"-Versionen seiner Songs stark bearbeitet und im Mastering glatt geschliffen, doch gewinnen die Texte gegenüber den Originalen oft an Präsenz und Bedeutung. Mehr noch zeigt sich der Storytelling-Ansatz im nachdenklichen Titel "Things Friends", einem der neu zum Levy-Katalog hinzukommenden Titel. Darauf lässt sich Barrington Levy über das verkommene Verständnis von Freundschaften im Sammeln von Handykontakten und Gesichtsbuch-'Freunden' aus.
Trotz hohen Outputs von ungefähr 300 Songs in zwei Jahrzehnten scheint Barrington sich wohl mit 34 in die Rente verabschiedet zu haben. Seit seinem Album "Living Dangerously" 1998 erschienen ausschließlich Best Of's und Neusortierungen seines alten Materials. Barringtons Stimme bleibt dennoch von vielen nachfolgenden Dancehall-Acts unerreicht: sie verfügt über Timbre und eine selten klare Aussprache sogar der Patois-Wörter, die man auch ohne entsprechenden Wortschatz verstehen und seinen Geschichten folgen kann. Barrington Levy ist der 'Storyteller' unter den jamaikanischen Künstlern. Als Live-Künstler meldet er sich nach langer Abstinenz für Sommer 2023 zurück und beehrt einige europäische Festival-Bühnen.
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