30. Mai 2011
"Black Stone Vanilla klingt viel zu schwul"
Interview geführt von Michael EdeleBlack Stone Cherry haben mit "Between The Devil And The Deep Blue Sea" ein sehr gutes, neues Album im Gepäck, und Roadrunner Records nutzen die Gunst der Stunde, um Sänger und Gitarrist Chris Robertson und Drummer John Fred Young für Interviews nach Köln zu schaffen.Um zwölf Uhr Mittags sitze ich also im Büro der Plattenfirme und warte auf die beiden Musiker, die allerdings nicht frisch ausgeschlafen aus dem Hotelzimmer bei mir aufschlagen, sondern noch ziemlich geplättet direkt vom Flughafen zum Interview gekarrt wurden.
Während John Fred ein ständiges Grinsen im Gesicht hat und sich offensichtlich auf den Tag freut, hat man bei Chris zunächst das Gefühl, dass er immer ein wenig abwesend ist und eher in der Gegend herum schaut, anstatt sich mit seinem Gegenüber zu beschäftigen. Der Eindruck täuscht allerdings, denn auch der Sänger ist stets bei der Sache und dabei genauso höflich und zuvorkommend wie sein Drummer.
Hi, Jungs. Ihr seht noch ziemlich fertig aus. Habt ihr wenigstens im Flieger ein bisschen schlafen können?
John: Nein, ich nicht.
Chris: Ich hab in etwas drei Stunden geschlafen, weil ich eine Tablette genommen hatte. Aber wirklich erholsam war das auch nicht. Wir waren insgesamt etwa 16 Stunden unterwegs.
John: Wo kommst du denn her?
Ich komm aus Mainz, mit dem Auto etwa zwei Stunden.
John: Dann hattest du definitiv den kürzere Weg, aber trotzdem danke fürs Kommen.
Klar, keine Frage. Ich wurde letzte Woche beim Black Label Society-Gig erst darüber informiert, dass ihr für Interviews nach Köln kommt. Ich durfte dann drei Songs schon mal vorab hören und gerade eben hab ich noch ein paar weitere gehört. Klingt bislang jedenfalls alles verdammt gut.
Chris: Danke, freut mich zu hören.
Meiner Meinung nach ist es eine gute Mischung aus dem ersten und zweiten Album. Es ist ein wenig härter als "Folklore And Superstition".
Chris: Ja, auf jeden Fall. Das war ein Punkt, den wir uns definitiv vorgenommen hatten. Das erste Album war sehr unterschiedlich von den Songs her und wir hatten uns auf keine große Linie festgelegt. Das zweite war dann deutlich stringenter, aber das ging ein wenig auf Kosten der Heaviness. Dieses Mal wollten wir das besser kombinieren. Es sind zwar ein paar sehr softe Rocksongs auf der Scheibe, aber ein paar sind auch ganz schön heavy. Wir haben seit Dezember 2009 an der Scheibe gearbeitet und jetzt da sie fertig ist, sind wir ganz heiß drauf, mit den Songs auf Tour zu gehen.
Das ist eine relativ lange Zeit, um an einem Album zu arbeiten. Für das erste Album hat man ja immer alle Zeit der Welt, aber dann muss meistens im Ein- oder Zwei-Jahrestakt das nächste Album hinterher geschoben werden. Ihr scheint euch da aber nicht stressen zu lassen.
Chris: Das letzte Album haben wir in etwa drei Monaten geschrieben und dann in ein paar Wochen aufgenommen. Für die aktuelle Scheibe sind wir nach der Tour mit Motörhead in Deutschland Ende 2009 nach Hause zurück gekommen und haben mit dem Songwriting begonnen. Fertig waren wir im Januar 2011, also von Stress kann da keine Rede sein (lacht).
John Fred: Allerdings saßen wir ja nicht ein Jahr daheim rum und haben nur an den Songs geschrieben. Wir waren in der Zeit auch andauernd wieder auf Tour und sind wirklich in der Welt rumgekommen. Als wir angefangen haben Musik zu machen, war es ja schon ein riesiger Event, wenn wir es mal geschafft haben, über die Bundesgrenze hinaus zu kommen, um in einem benachbarten Staat zu spielen. Mittlerweile sind wir auf nationaler und sogar internationaler Ebene unterwegs und das nicht zu knapp. Das ging zwischenzeitlich sogar schon so weit, dass es für mich ganz normal war, auf Tour zu sein und wenn wir dann tatsächlich mal wieder etwas Zeit zu Hause verbracht haben, war DAS das Abnormale (lacht).
Ich hab euch vor ein paar Jahren bei einer kleinen Show in Wiesbaden im Schlachthof gesehen. Da hattet ihr Ricky Warwick (Thin Lizzy, Ex-The Almighty) im Vorprogramm.
Chris: War das ein Club mit einer großes Halle und einem kleinen Saal, wo die Bühne hinten in einer Ecke ist? Ja, ich erinnere mich. Das war eine gute Show, mit tiefer Bühne, so dass man den Fans quasi direkt in die Augen schauen konnte. War ein lustiger Abend. Viele US-Bands haben keinen Bock auf Europa, weil sie in den Staaten vor 1.000 Fans spielen und in Europa eben nur vor 300. Na und? Gerade wenn das dann so volle Clubs sind, die klein sind, ohne hohe Bühne, ist die Atmosphäre doch um so geiler.
John Fred: Ich finde es deutlich cooler, in kleinen Clubs zu spielen, wenn du Leute direkt vor dir hast. Es ist dann viele leichter, einen direkten Draht zu den Fans aufzubauen. Wenn du auf einer großen Bühne stehst, vor dir ein Fotograben und dann kommen irgendwann die Fans, die du vor lauter Spots schon gar nicht mehr siehst, ist es viel schwieriger, eine echte Verbindung zu bekommen.
Ihr stammt ja allesamt aus Edmonton. Wir groß ist die Stadt denn?
Chris: Das ist ein ziemlich kleines Nest. Ich denke wir haben irgendwas zwischen 1.000 und 2.000 Einwohnern. Man kann nirgendwo Alkohol kaufen, wir haben nicht einen einzigen Liquor Shop! Das ist eine echte Schande (lacht). Sogar in der nächsten Stadt hat man Alkohol nur in Restaurants bekommen. Für daheim gab es dort auch nichts zu kaufen. Wenn ich das in Deutschland erzähle, lachen mich alle immer nur aus, weil man das Bier hier ja quasi überall bekommt.
John Fred: Die einzige Möglichkeit, für uns als Jugendliche an Bier zu kommen, war bei Bekannten anzuklopfen und denen ein paar Six-Packs abzukaufen, wenn die gerade vom Großeinkauf in der nächsten, größeren Stadt zurückkamen. Das war echt ne harte Zeit (lacht). Kein Vergleich zu den paradiesischen Verhältnissen hier in Deutschland!
Mal vom quasi nichtexistenten Alkohol abgesehen: wie groß sind die Unterschiede zwischen Kentucky und Europa?Chris: Oh, doch ganz schön groß. Als wir das erste Mal über den Atlantik flogen, landeten wir in Stockholm. Als wir aus dem Flughafen raus kamen, dachte ich mir nur: Wo zur Hölle sind wir hier? Ich meine, wir sind zuvor schon außerhalb der USA in Kanada gewesen, aber da sind die Unterschiede wirklich nur marginal. Die Leute sprechen sogar deine Sprache ... naja zumindest versuchen sie es (lacht). Als wir in Schweden gelandet sind, hat man erst mal kein Wort von dem verstanden, was über die Lautsprecher kam, was auf den Schildern stand, das war schon seltsam. Ok, es sprechen auch alle recht gut englisch, aber wenn du noch nie aus den Staaten raus warst, ist das schon eine seltsame Erfahrung.
John Fred: Ich fand das auch alles ziemlich krass. Wir waren Tausende von Meilen von daheim weg. Mein Handy war im Arsch, ich konnte nicht daheim anrufen. Alle um mich rum sprachen eine fremde Sprache. Die Gegend sah auch ganz anders aus wie alles, was ich bisher gesehen hatte. Das war schon eine seltsame Erfahrung. Mittlerweile fühlen wir uns jedes Mal sehr wohl, wenn wir wieder nach Europa rüber fliegen. Aber beim ersten Mal wollten wir eigentlich alle nur so schnell wie möglich wieder heim (lacht).
Chris: Aber gerade hier in Deutschland wurden wir immer ausgesprochen freundlich aufgenommen, gerade auch, was die Veranstalter von den Konzerten angeht. Da könnten sich die Amis mal eine Scheibe von abschneiden. Die meisten Deutschen sprechen bis zu einem gewissen Grad auch immer etwas englisch, was es für uns leichter macht. Denn dummerweise sprechen wir wirklich kein Wort Deutsch, was ein wenig peinlich ist, denn schließlich kommen WIR hier ja als Gäste zu EUCH. Aber Deutsch ist auch eine verdammt schwere Sprache.
John Fred: Gott sei dank mögt ihr unsere Musik, sonst wären wir ziemlich angeschissen (lacht). Aber ich habe gehört, ihr lernt Englisch auch schon sehr früh in der Schule und dann wirklich bis zum Ende der Schulzeit. Bei uns konnte man gerade mal ein Jahr Spanisch lernen, und dass dabei nicht viel hängen bleibt, dürfte klar sein. Auf dem College oder der Universität kann man natürlich auch Französisch, Portugiesisch oder Deutsch studieren, aber so weit ist es für keinen von uns gekommen.
Chris: Deutsch ist gerade von der Grammatik her sehr schwer und ich finde, es kann auch sehr beängstigend sein. Vor allem, wenn sich Leute auf Deutsch streiten, denke ich immer, gleich wird einer umgelegt. Wir waren mal in Hamburg unterwegs und wollten vom Hotel aus in die Stadt, um uns dort mal ein bisschen umzusehen. Wir standen am Bahnhof irgendwo rum, und uns gegenüber waren zwei Typen, die sich gegenseitig angeschrien haben. Wenn ich wenigstens gewusst hätte, um was es da geht, dann wäre das vielleicht ein wenig lockerer gewesen, aber so ...
Ich finde Japanisch eigentlich deutlich härter und krasser. Selbst eine normale Unterhaltung klingt doch auf Japanisch schon so, als ob gleich einer die Rübe abgesäbelt bekommt.
John Fred: Ja, das stimmt. Die Sprache ist wirklich sehr hart und sehr schnell. Da hab ich auch immer das Gefühl, es geht gleich ganz böse zur Sache.
Chris: Aber ihr Deutschen macht es einem ja gleich noch mal schwerer. Ihr habt zwar die selben Buchstaben wie wir, aber dann kommt ihr nicht nur mit Umlauten an, sondern habt euch noch ein Zeichen, dass eigentlich wie ein großes B aussieht, aber keins ist (Chris meint das 'ß'). Was soll denn der Scheiß? (lacht)
Wir haben einfach Spaß daran, Ausländer zu ärgern und zu verwirren. Aber lassen wir das Thema Rechtschreibung und Grammatik mal beiseite. Eure neue Scheibe nennt sich "Between The Devil And The Deep Blue Sea". Ich hab das mal gegoogelt und bin über mehrere Bedeutungen gestolpert. Zum einen ist das ein Song aus den 30er Jahren, dann ist das noch der Titel eines Buches von Kipling und schließlich verwendet man den Ausdruck in der Seefahrt.Chris: Und da haben wir den Titel auch her. Wir waren auf der Suche nach einem Albumtitel, und einer von uns kam schließlich mit diesem Ausdruck an, der sich auf Sklaven bezieht, die auf Schiffen unter Deck arbeiten mussten, während oben die Besatzung und der Kapitän über ihren Köpfen waren, gab es unten nur die Tiefe, daher der Ausdruck. Man kann es als andere Umschreibung für "Living On The Edge" sehen. Der Titel fühlte sich für uns irgendwie richtig an, es war also eher so ein Bauchgefühl, dass wir uns dafür entschieden haben.
John Fred: Der Titel steht auch als Synonym für ein Dilemma. Wir vorher schon erwähnt, waren wir die letzten Jahre beinahe mehr auf Tour, als daheim. Und als wir schließlich wieder daheim waren und an dem Album gearbeitet haben, waren wir hin und her gerissen. Auf der einen Seite, wollten wir natürlich Zeit mit unseren Familien und Freunden verbringen, auf der anderen Seite wollten wir eigentlich sofort wieder auf Tour gehen. Das trifft den Albumtitel nicht perfekt, geht aber doch auch schon in diese Richtung. Man will zwar für seine Familie und Freunde da sein, aber letztendlich muss man auch sehen, was einen selbst glücklich macht und das ist bei uns eben definitiv live spielen.
Habt ihr mal den Song gleichen Namens angehört oder kennt ihr ihn?
Chris: Nein, ich wusste nicht mal, dass es da einen Song gibt.
John Fred: Ich kenne die Version von Cab Calloway aus den 30ern, aber ich glaube, das Teil wurde mittlerweile von unzähligen Leuten gecovert. Ella Fitzgerald war wohl auch eine von ihnen.
Wär das nicht eine gute Coverversion für das Album gewesen?
John Fred: Hm, vielleicht, aber es stand eigentlich nie zur Debatte, dass wir den Song aufnehmen oder spielen.
Ihr seid immer noch die selben vier Typen in der Band, die sie 2001 gegründet haben.
John Fred: Yeah, und ich hoffe schwer, dass das auch so bleibt. Vor zehn Jahren saßen wir zusammen und haben diese ekligen Zigarren geraucht. Wir waren auf der Suche nach einem Bandnamen und da waren diese Black Stone Zigarren oder Zigarillos. Die hatten eben dieses Kirscharoma und irgendwer kam schließlich auf die Idee mit Black Stone Cherry. Es gab auch noch Vanillearoma. Chris, kannst du dir vorstellen, dass wir uns Black Stone Vanilla genannt hätten?
Chris: Quatsch, das klingt viel zu schwul.
Aber Cherry nicht, oder wie? Naja zumindest dürftet ihr mit beiden Namen nicht Gefahr gelaufen sein, dass es schon 42 andere Bands mit dem gleichen Namen gibt.
John Fred: Sag das nicht. Es gibt in England wohl ne Band die sich Cherry Black Stone nennt. Das ist verdammt nah dran.
Aber wenn wir gerade von Tabak und Alkohol reden. Ich hab mal gelesen, dass ihr alle mehr oder weniger straight edge lebt?
Chris: Ja, mehr oder weniger (lacht).
John Fred: Das traf eine lange Zeit tatsächlich zu, hing aber auch mit dem angesprochenen Problem zusammen, dass man bei uns nirgends an Alkohol ran kam. Als wir 16, 17 Jahre alt waren, gab es für uns nur die Band und die Proben. Da haben wir dann auch ganz schön gesoffen, aber als es schließlich ernst wurde mit dem ersten Album, haben wir von allem die Finger gelassen, was die Band hätte gefährden können.
Chris: Zwischenzeitlich sind wir dann wieder in diese Jugendphase zurück verfallen und haben kräftig Party gemacht, aber mittlerweile läuft das alles in normalen Bahnen ab. Wir trinken nach den Shows ein paar Bier zusammen oder mit den Fans und dann ist aber auch irgendwann gut. Mit Drogen haben wir nach wie vor nichts am Hut, aber wir trinken alle ganz gern mal ein Bier. Vor allem hier in Deutschland wäre alles andere ja grob fahrlässig.
John Fred: Ich finde, jeder Drummer sollte immer ein Freibier bekommen. So was sollte in allen Clubs obligatorisch sein (lacht).
Dann zur letzten Frage: Welches Buch könntet ihr unseren Lesern empfehlen?
Chris: Ganz ehrlich, ich bin nicht so der Lesertyp. Vor allem, wenn wir an einem Album arbeiten, dann hab ich in der Regel kaum einen Nerv für was anderes, als Musik. Das einzige, was ich nebenher vielleicht noch mache, ist Videogames zocken.
Und was kannst du da empfehlen?
Chris: Jedes gottverdammte "Call Of Duty"-Game! (lacht).
John Fred: Ich habe zuletzt ein Buch über Theodore Roosevelt gelesen. Das fand ich sehr interessant, weil der Mann nicht nur während seiner Präsidentschaft viele große und wichtige Dinge getan hat, sondern auch bereits davor und danach. Wer sich ein wenig über amerikanische Geschichte informieren will, kann sich mal "Departing Glory" reinziehen.
Noch keine Kommentare