9. November 1999

Notes of a stylish young man

Interview geführt von

LAUT sprach mit Sänger und Mastermind Jochen Distelmeyer nach dem Konzert in Mannheims Alter Feuerwache über die Platte, die Zukunft und gute und schlechte Musik.

Hi Jochen, was hältst du von deutschem Hip Hop?

Distelmeyer: Finde ich sehr interessant, wir haben aber außer zu DJ Koze, den ich ganz gut kenne, und Eins Zwo keine freundschaftlichen Kontakte zu Leuten aus dieser Ecke. Koze legte ja oft im Pudels Club auf und spielte mir mal seinen "Tausend Tränen Tief"-Mix vor - he, meinte ich, das ist gut, den sollte man auf Platte pressen. Und Bo von Fünf Sterne Deluxe finde ich als Rapper sehr gut - sehr musikalisch. Wobei ich manchmal inhaltlich damit nicht so d'accord bin.

Gibt es denn Parallelen zu Blumfeld, da du ja auch viel mit gesprochenen Textversionen agierst?

Bedingt. "L'etat et moi" stellt für mich in dieser Hinsicht den Höhepunkt dar.

Inwiefern?

Viele Schreibweisen sind hier an Hip Hop oder Rap-Metrik sozusagen angelehnt. Das war für mich dann auch der Abschluss dieser Form, ab da hatte ich an dieser Schreibweise kein Interesse mehr. Das hatte sich mit der Platte für mich eigentlich erledigt. Wobei "Lord of Song" oder "Eines Tages" irgendwie an Hip Hop anschließen. (überlegt) Aber "Eines Tages" soll sowohl Talking Blues als auch Gospeltext sein. (summt Blues-Schema und intoniert die ersten Zeilen von "Eines Tages")

Steht von vornherein fest, ob aus einer Idee ein Spoken Word-Stück oder ein Song entsteht?

Normalerweise schon. "Eines Tages" sollte am Anfang von "Old Nobody" stehen. Nachdem vier, fünf Jahre nichts war, hört man erstmal sechs Minuten lang reinen Text, bevor Musik einsetzt.

Und das ist ja dann die Single "Tausend Tränen Tief". Im Video spielt Helmut Berger mit. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit?

Ich wollte eben gerne ein Video mit ihm machen. Mit dem Plot bin ich jedoch vor allem am Ende nicht ganz zufrieden, der ist auch filmisch nicht so schön umgesetzt.

Woran lag's?

Ursprünglich sollte die Story noch mehr auserzählt werden. Eigentlich sollte man sehen, wie sich beide, also Helmut und ich, in dem Hotel nach dem Gespräch wieder trennen.

Wurde das Material nicht verwendet?

Es gab das Material gar nicht, die letzten Szenen wurden gegen fünf oder sechs Uhr morgens im Hotel abgedreht. Mehr war der Crew nicht zuzumuten, weil wir eh schon zwei Tage durchgedreht hatten. Das merkt man dem Schluss auch an, der ist photographisch nicht so gut in Szene gesetzt wie der Rest des Videos.

Warum Berger?

Wenn ein Video, dann mit ihm. Ich halte ihn für einen außergewöhnlichen Schauspieler - die Visconti-Filme beispielsweise. Außerdem stellt er eine Art "Old Nobody" dar. Das Video ist insofern auch als Video zum Album konzipiert und zu verstehen.

Wie lief es mit seiner Zusage?

Wir haben ihm die Nummer geschickt und er rief dann irgendwann spät nachts an, im Hintergrund dröhnend laut der Song laufend, und gratulierte uns, fand das super und wollte unbedingt dabei sein. So kam das zustande, schließlich reiste er nach Hamburg, zwei Tage essen gehen, sich unterhalten und kennenlernen und dann zwei Tage ziemlich straighter Dreh.

Obwohl "Old Nobody" nicht mehr frisch in den Regalen steht und ihr im Frühjahr schon getourt seid, spielt ihr nun nochmal ein paar Gigs - warum?

Wir haben das Titelstück "Old Nobody" noch nie live gespielt. Einen Song von dieser thematischen Schwere im Frühjahr oder Sommer zu spielen, hätte nicht gepasst. Außerdem bilden die Gigs den Abschluss unserer Touraktivitäten für diese Platte in Deutschland.

Wie sehen die Pläne für das neue Jahrtausend aus?

Wir werden Mitte 2000 ins Studio gehen, um mit den Arbeiten für die neue Platte zu beginnen.

Gibt es schon grobe Ideen, wohin der Weg führen soll?

Ja, ich habe ca. sechzehn Sachen irgendwie angefangen. Wobei ich die letzten zwei Jahre fast ausschließlich mit "Old Nobody" beschäftigt war. Konzentriert an den Sachen arbeiten, die schon am Start sind, werden wir frühestens Mitte des Jahres.

Wann soll die Scheibe erscheinen?

2001 ist anvisiert.

Wie arbeitet Blumfeld im Studio?

Ich habe meistens etwas vorgearbeitet, dann gehen wir in den Proberaum, entwickeln die Musik um diese Songs herum und spielen die Sachen danach im Studio ein. Das ging bisher immer recht flott. Die Song-Reihenfolge und das Cover stehen meistens davor schon.

Dann gibt es also schon Ideen für das neue Cover?

Ja - das Cover ist schon klar.

Verrätst Du uns, wie es aussehen wird?

Neee (schüttelt schmunzelnd den Kopf).

Was ist die letzte Platte, die Du Dir gekauft hast?

Maxis von Chicks on Speed und noch anderer Kram - ich kaufe immer ziemlich viel auf einmal.

Und was ist die schlechteste Platte des Jahres 1999?

Es gibt soviele schlechte Platten, die dieses Jahr rausgekommen sind. Ein sehr enttäuschender Jahrgang. Irgendwie verwunderlich, da ein thematischer Reichtum und Möglichkeiten, Musik zu spielen, besteht. Die relevanten Platten kannst Du an fünf Fingern abzählen.

Kannst Du ein paar nennen?

Blumfelds "Old Nobody" gehört dazu. Ansonsten ... (überlegt) ... Mensch, was war denn da noch, jetzt kann ich nicht schlafen, wenn mir nichts mehr einfällt. Scritti Politti, naja, wirklich super Stücke drauf, aber als Album auch nicht so der Hammer. Trickys "For real" - da finde ich das Stück genial, die Platte allerdings langweilig. Ah ja, richtig, die neue Randy Newman-Scheibe. Die gehört auch zu den Tapes, die ich für die Tour aufgenommen habe.

Das Interview führte Sebastian Hornik.

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