laut.de-Biographie
Brutalismus 3000
In den 2020ern könnte Brutalismus 3000 so etwas wie deutsches größter musikalischer Export sein. Und für den einen Teil der musikalischen Hörerschaft fliegt das komplett unterm Radar - der andere hat das Berliner Duo schon wieder komplett satt. Aber ob man sie nun mag oder nicht: Ihr Electro-Clash-Gabber-Techno-Sound definiert in der Post-Covid-Zeit die elektronische Musik, die in Berlin die Kids um den Block stehen lässt. Es ist eine sehr große Nische oder ein recht kleiner Mainstream, den die beiden Edgelords ausgegraben haben - und dementsprechend kein Wunder, dass sich das auch über die nationalen Grenzen ausbreitet.
International geht es auch schon bei ihrer ersten Begegnung zu: Victoria Daldas und Theo Zeitner treffen sich das erste Mal in einer Neuköllner Bar auf einem Tinder-Date. Weil Theo Victoria zunächst für eine Russin hält, sprechen sie englisch, bis seine Englisch-Aussprache ihn verrät. Tatsächlich hat Victoria einen slowakischen und einen griechischen Elternteil. Aufgewachsen sind sie dennoch beide in Bayern, von wo sie in ihren späten Teenie-Jahren nach Berlin geflüchtet sind. Da fühlen sie sich im postironischen Clubsumpf auch das erste Mal so richtig zuhause. Sie merken eine gemeinsame Neigung zum Grotesken und einen gemeinsamen Wunsch, berühmt zu werden. Warum also nicht zusammen Musik machen?
Nun ja: Dagegen würde sprechen, dass sie für ihre Debüt-EP "Amore Hardcore" eine denkbar unpraktische Zeit ausgesucht haben. Im Jahr 2020 sind Club-Raver wohl das am wenigsten gefragte Genre - ein Lockdown-Zustand, den ihr Folge-Release "Liebe In Zeiten Der Cola" ebenfalls referenziert. Aber wenn man schon nicht wirklich in die Clubs gehen kann, kann man immerhin die Club-Sehnsucht der Menschen im Internet bedienen.
Brutalismus 3000 werden so etwas wie ein großes Ding auf TikTok. Das funktioniert bei ihnen auf zwei Achsen: Einmal ist da die schlicht extrem funktionale und wummernde Techno-Seite ihrer Musik. Man kann kaum einen Track der beiden anmachen, ohne nicht ein bisschen mit dem Kopf zu wackeln. Und auf der anderen Seite ist da ihre süffisante Edgelord-Persona. Trinken sie Blut? Beten sie den Teufel an? Haben sie da gerade 9/11 erwähnt?! Tracks wie "Pentagramm", "Ich hab meine Tage im Berghain" oder "Satan Was A Babyboomer" geben starken Beats die virale Kante. Kein Wunder, dass Erfolgslabel Live From Earth sich für sie interessiert und sie 2021 das große Boiler Room Festival bespielen dürfen.
Als die Pandemie irgendwann überstanden ist, entpuppt sich erst, wie viel Vorarbeit sie da eigentlich geleistet haben. Sie werden zu einem der großen Live-Acts der Republik, legen mit "Eros Massacre" noch eine EP nach, bevor 2023 mit "Ultrakunst" ihr offizielles Debütalbum auf den Markt kommt. Platz 11 der deutschen Albumcharts verrät schon: Das ist alles gar nicht mehr so Untergrund. Nach Amerika fürs Coachella fahren, die Musik für eine Rick Owens-Show machen und generell die coolsten Clubs weltweit und nicht mehr nur das Berghain bespielen: Das zeigt es noch mehr.
Der Rolling Stone vergleicht das Duo mit den Death Grips. Aber wenn der immense Gen Z-Appeal von Brutalismus sich noch ein bisschen so weiterentwickelt, wie er es gerade tut, dann könnte ihr gothy-horrorfilmiger Techno-Vibe sie irgendwann zu einem deutschen Exporterfolg wie Rammstein (nur ohne den Ballast) heranwachsen lassen. Es ist immerhin eine Weile her, dass die Welt einen Act der Republik so kompromisslos interessant fand.
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