laut.de-Biographie
Chick Corea
Der Pianist Chick Corea beeinflusst den Jazz seit über dreißig Jahren maßgeblich. Er ist seit Beginn seiner Karriere an mehreren stilprägenden Platten beteiligt und hat damit einen ähnlichen Stellenwert wie Keith Jarrett und Herbie Hancock. Letzterer sagt 2015: "Die Arbeit mit Chick ist unglaublich tröstlich, einladend und anregend zugleich".
Am Ende der 60er Jahre ist er in der Band von Miles Davis an der Kreation des Fusion beteiligt und wirkt danach in der Free Jazz-Szene mit. In den 70er Jahren forciert er mit seiner Band Return To Forever die Verbindung von Jazz und Latin. In den 80ern und 90ern macht er vor allem durch seine virtuosen Fusion-Projekte auf sich aufmerksam. In der gesamten Zeit schafft er auch Plattformen für andere Musiker in seinen Bands, um sich zu entwickeln und neue Spielweisen zu etablieren. Seitdem die technische Entwicklung einen relativ problemlosen Einsatz von Synthesizern ermöglicht, hat er auf kreative Weise die neue Form der Klangerzeugung in seiner Musik eingesetzt.
Armando Anthony Corea wird am 12 Juni 1941 in Chelsea, Massachusetts, USA geboren. Mit vier Jahren beginnt er Klavier zu spielen. In seiner Kindheit beeinflusst sein Vater, der in den 30er und 40er Jahren selbst Bandleader ist, seine musikalische Entwicklung. Er lernt Werke von Beethoven, Bach, Chopin und Mozart kennen.
Doch er hört auch Musik von Jazzgrößen wie Charlie Parker, Bud Powell, Lester Young und Horace Silver. Letztgenannter beeindruckt ihn so, dass er selbst mit jungen Jahren Soul Jazz spielt. Bei seinen ersten professionellen Engagements spielt er mit Willie Bobo, Cal Tjader, Herbie Mann und Mongo Santamaria zusammen Latin-Musik. Dieser Einfluss ist bis heute auf vielen seiner Aufnahmen erkennbar. Seine ersten eigenen Kompositionen erscheinen auf Platten des Tompeters Blue Mitchel von 1964 bis 1966. Daraus entwickelt sich sein erstes eigenes Band-Projekt Tones for Jones Bones.
Nach einem Jahr in der Band von Sarah Vaughn, beginnt er bei Miles Davis zu spielen. Auf den bahnbrechenden Alben "Filles De Kilimanjaro" und "In A Silent Way" wirkt er mit und auf "Bitches Brew" trägt er seinen Teil zur Entwicklung des Fusion bei. Auf diesen Veröffentlichungen verwendet er und auch Herbie Hancock ein E-Piano, was in dieser Zeit ein Novum ist. Nachdem die Zusammenarbeit mit Davis beendet ist, wendet er sich dem Free Jazz zu, den er in seiner eigenen Band Circle von 1969 bis 1971 spielt. In ihr wird der Einfluss von Jazzer Ornette Coleman und von den zeitgenössischen Komponisten John Cage und Karl-Heinz Stockhausen deutlich.
Während dessen beginnt er sich mit den Lehren der Scientology-Sekte zu beschäftigen, der er Anfang der 70er auch beitritt. Die veränderte Geisteshaltung hat auch einen Wechsel seines musikalischen Stils zur Folge. Er kündigt sich bereits auf den beiden Soloalben "Piano Improvisations" von 1979 an. Mit seiner Ende 1971 gegründeten Band Return To Forever vollzieht sich der Umbruch dann endgültig. Stilistische Merkmale sind nun ausgedehnte Melodien, romantische Gesangslinien und mitreißende Latin-Rhythmen, wobei der Musik oft eine große Leichtigkeit innewohnt. Der Albumtitel "Light As A Feather" (1973) charakterisiert die Musik sehr gut. Zu der ersten Besetzung gehört Bassist Stanley Clark, Schlagzeuger Airto Moreira, Sängerin Flora Purim und Holzbläser Joe Farell. In dieser Phase schreibt Corea auch die Lieder "Spain" und "La Fiesta", die mittlerweile als Jazzstandards gelten.
Mitte der 70er Jahre verändert sich Besetzung und Stil von RTF. Bill Conners spielt E-Gitarre, der später von Al DiMeola abgelöst wird und Drummer Lenny Wide. Die Musik ist nun härte und mehr am Rock orientiert. Corea experimentiert mit elektronischen Keyboards und Synthesizern, wie zum Beispiel dem legendären Moog. Gegen Ende der Dekade richtet der Pianist wieder seine Aufmerksamkeit auf die Ursprünge. Return To Forever spielt mit akustischen Instrumenten, kleinen Streicher- und Bläsersätzen Fusion mit viel Latin, Flamenco und auch etwas Klassik. Steve Gadd sitzt damals bei Chick Corea hinterm Schlagzeug und beeinflusst bis heute Schlagzeuger mit seiner neuen, von Polyrhythmik geprägten Spielweise.
Bis Mitte der 80er Jahre hat Chick Corea viele verschiedenen Projekte, die klassische Musik und in Duetten, Trios und größeren Ensembles Jazz und Fusion bieten. Er spielt unter anderem mit Vibraphonisten Gary Burton im Duo, mit Chaka Khan und Friedrich Gulda. 1985 gründet er die Elektric Band mit John Patitucci (Bass), Frank Gambale (Gitarre), Eric Marienthal (Saxophon) und Dave Weckl (Schlagzeug). Sie macht virtuosen Fusion mit vorwiegend elektronischen Instrumenten. Gelegentlich erscheinen die Kompositionen etwas beliebig, dafür treten die Spielweisen auf allerhöchstem technischen Niveau in den Vordergrund. Ein paar Jahre später formiert Corea als Ausgleich die Akoustic Band auch mit Patitucci und Weckl. Nicht nur die Instrumentation, sondern auch der Stil ist anders. Das Trio ist mehr am Jazz orientiert.
Zu Beginn der 90er Jahre verlässt Patitucci beide Gruppen, da er selbst Bandleader werden möchte. Worauf Corea selbst neue Projekte startet. So tourt er von 1996 bis 1997 mit einem All-Star-Quintett, das moderne Versionen von Bud Powell und Thelonious Monk-Kompositionen spielt. 1998 gründet er die Band Origin mit u.a. Avishai Cohen (Bass) und Jeff Ballard (Schlagzeug).
In Deutschland hat er derweil Schwierigkeiten wegen seiner Mitgliedschaft in der Scientology Church. Bei einer Veranstaltung 1993 in Stuttgart droht die Landesregierung ihre Fördergelder zu streichen, sollte Corea auftreten. Daraufhin lädt der Veranstalter den Pianisten aus. Corea klagt dagegen, da er sich diskriminiert fühlt. Doch 1996 gibt der Oberverwaltungsgerichtshof in Mannheim dem Veranstalter recht. Corea sei nicht verboten worden, in Deutschland aufzutreten. Dies könne er tun, so lange er auf der Bühne nicht für eine antidemokratische Organisation wirbt. Das Kultusministerium von Baden-Württemberg hätte nur von seinem Recht Gebrauch gemacht, Gelder zu streichen.
Corea nimmt in der Folge auch mit Bobby McFerrin oder dem London Philharmonic Orchestra auf. In über 50 Jahren Karriere wird die Zahl seiner Soloplatten, Studio-, Band-, Live- und Kollabo-Veröffentlichungen immer unüberschaubarer. Neben Return To Forever und anderen Formationen kommt etwa die Five Peace Band oder in späten Jahren noch The Spanish Heart Band hinzu. Zwischen 1976 und 2020 erhält Corea für seine Arbeiten 23 Grammys, fast 70 Mal war er nominiert. Weitere Auszeichnungen kommen hinzu.
Am 9. Februar 2021 stirbt der legendäre Klaviervirtuose, der zwei mal verheiratet war und zwei Kinder hat, nach kurzer Krebserkrankung in Tampa, Florida. Viele Kollegen kondolieren in den Sozialen Netzwerken. Noch 2020 war Coreas letztes Werk "Plays" erschienen. Auf Facebook verabschiedet er sich mit persönlichen Worten: "Ich möchte allen danken, die auf meinem Weg geholfen haben, das Feuer der Musik hell brennen zu lassen. Ich hoffe, dass all diejenigen, die wissen, wie es ist, zu spielen, zu schreiben, aufzutreten oder etwas anderes zu tun, dies tun. Wenn nicht für sich selbst, dann für den Rest von uns. Es geht nicht nur darum, dass die Welt mehr Künstler braucht, es macht auch einfach eine Menge Spaß. An meine erstaunlichen Musikerfreunde, die für mich wie eine Familie sind, solange ich euch kenne: 'Es war ein Segen und eine Ehre, von euch zu lernen und mit euch zu spielen'".
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