17. Oktober 2025
"Meine Musik soll Frauen ansprechen"
Interview geführt von Josephine Maria BayerDaada wuchs in Tansania als Tochter einer kolumbianischen Mutter und eines deutschen Vaters auf. Mittlerweile lebt die Sängerin in Berlin. Zwischen all diesen Welten schreibt sie Pop-Songs, die von Identität, Liebe und dem Gefühl erzählen, überall und nirgendwo zugleich zuhause zu sein. Heute erscheint ihre EP "Corazonada".
Daada singt in vier Sprachen, schreibt Tagebuch in zwei und Familienberichten zufolge murmelt sie selbst im Schlaf manchmal in mehreren Sprachen. Mit ihrem Songwriting baut die 26-jährige Sängerin Brücken zwischen drei Kontinenten. Wer zwischen so unterschiedlichen Kulturen aufwächst, kennt die Frage nach dem Dazugehören nur zu gut. In ihren Songs ringt Daada mit Heimat und Fremdsein, Nähe und Distanz. Am Ende zählt für sie vor allem eins: die Liebe - und die Menschen, die einem wichtig sind, egal, wo sie leben. Heute erscheint nach "Home" (2024) ihre neue EP "Corazonada", in der sie tanzbaren Urban Pop mit Reggaeton-Rhytmen und Marimba-Elementen verbindet. Wir trafen die Sängerin in Berlin.
Hi Daada, deine Musik klingt nach Sommer, nach guter Laune und Tanzen. Jetzt stehen wir kurz vor der kalten Jahreszeit. Was gehört für dich zum perfekten Herbst-Soundtrack?
Ich höre viele verschiedene Genres, habe aber auch Phasen, in denen ich kaum Musik höre. Momentan bin ich tatsächlich in so einer Phase. Es ist gerade viel los, und in solchen Zeiten höre ich gerne entspannte, fröhliche Musik. Sen Senra ist zum Beispiel eine Empfehlung. Das ist ein spanischer Künstler, der zwischen Rock, Alt-Pop und R'n'B unterwegs ist. Ich liebe den Vibe seines Albums "Sensaciones". Genau so etwas würde ich im Herbst hören.
Gibt es Künstler*innen, die dich besonders geprägt oder inspiriert haben?
Ich habe zuerst Geige gelernt und mit sieben angefangen, darauf ein bisschen zu komponieren und dazu zu singen. Irgendwann kam die Gitarre dazu. Ich habe mir selbst Songs beigebracht und viel gecovert. Zu der Zeit habe ich sehr viel Avril Lavigne, Nelly Furtado und Taylor Swift gehört, aber auch Bands wie Green Day und Linkin Park. Ich glaube, was all diese Artists verbindet, ist ihr starkes Storytelling. Ihre Texte erzählen wirklich gute Geschichten, und das hat mich sehr geprägt. Das wollte ich auch können. Shakira war ebenfalls ein großer Einfluss - meine Mutter ist Kolumbianerin und ein riesiger Shakira-Fan. Wir hatten immer ihre neuesten CDs zu Hause, ich bin mit dieser Musik aufgewachsen und habe schon als Baby dazu getanzt.
Du singst auf Englisch, Spanisch, Deutsch und Suaheli. Das ist eine seltene Kombination. Englisch und Spanisch hört man ja öfter, aber Suaheli bringt nochmal einen ganz anderen Einfluss. Wie entscheidest du, in welcher Sprache du einen Song schreibst? Und verbindest du bestimmte Sprachen mit bestimmten Emotionen?
Ich habe auch ein paar Songs, die komplett in einer Sprache sind. Aber am meisten Spaß macht mir, die Sprachen zu mischen. Ich glaube, das ist mein Mechanismus, um mich ein bisschen dahinter zu verstecken. In Songs sagt man Dinge, die man vielleicht nicht direkt ausspricht. Dabei fühlt man sich oft sehr nackt. In einem Song fällt es mir leichter, bestimmte Dinge zu äußern. Durch die Mischung der Sprachen lege ich eine Art Schleier über das, was ich sage, und kann mich dadurch unterbewusst freier ausdrücken. Dann denke ich: "Jetzt bin ich in meiner eigenen Welt."
Meine Songs schreibe ich auch nicht mit dem Ziel, dass jemand genau versteht, worum es geht. Zu deiner Frage, ob ich eine Sprache mit bestimmten Emotionen assoziiere: Das Stereotyp wäre wohl, romantische Dinge auf Spanisch zu sagen oder härtere Inhalte auf Deutsch. Aber bei mir ist das eigentlich nicht so. Es hängt vom jeweiligen Impuls ab, der beim Songwriting entsteht. Ich bin viersprachig aufgewachsen: Mit meiner Mutter habe ich Spanisch gesprochen, mit meinem Papa Deutsch und mit meinem Bruder Englisch. Suaheli mischte sich dann auch überall so ein bisschen mit rein, weil wir in Tansania gelebt haben. Es war also durchgängig immer eine Mischung, egal in welcher Situation ich war.
Kannst du uns mehr über den Einfluss von Suaheli auf deine Songs erzählen? Gibt es Musiker*innen, die dich in dieser Sprache besonders inspirieren?
Ja, Suaheli ist einfach eine richtig coole Sprache. Sie ist selbst eine Mischung aus vielen Einflüssen. Suaheli besteht zum Großteil aus ostafrikanischen Bantu-Sprachen, enthält aber auch Wörter aus dem Deutschen, Arabischen und Portugiesischen - wegen der Kolonialgeschichte und des Sklavenhandels. All das hat Spuren in der Sprache hinterlassen. Ich finde sie auch klanglich sehr schön, ähnlich wie Spanisch. Die Sprachen passen sehr gut zusammen und fließen so ineinander über. In Tansania und Kenia gibt es eine große Musikszene. Künstler wie Diamond Platinumz, Suchu, Ben Paul, Nandi oder Frieda Amani inspirieren mich sehr. Vor allem Frieda Amani finde ich textlich stark. Sie ist Rapperin und hat richtig etwas zu sagen.
Könntest du dir vorstellen, Rap irgendwann stärker in deine Musik einfließen zu lassen?
Ja, total. Ich mag es, Rap als Einfluss zu haben. Auch wenn ich bisher keinen durchgängigen Rap-Song gemacht habe, singe ich in manchen Parts ziemlich rhythmisch. Mir gefällt aber auch der Kontrast zu melodischen Lines direkt danach. Doch ja, ich kann mir gut vorstellen, irgendwann mal einen richtigen Rap-Song zu machen.
"In Tansania bekomme ich jedes Mal kreative Impulse"
Du bist zwischen drei Kulturen in Tansania, Kolumbien und Deutschland aufgewachsen. Fiel es dir dadurch leichter oder schwerer, ein Zugehörigkeitsgefühl zu entwickeln?
Ich liebe diese Frage, weil sich meine Musik genau um diesen inneren Konflikt dreht. Ich bin zwischen drei Welten aufgewachsen und hatte oft das Gefühl, nie ganz dazuzugehören. In Tansania falle ich auf, weil ich nicht unbedingt tansanisch aussehe, in Deutschland fehlen mir manchmal die Worte, und in Kolumbien merkt man meinen anderen Akzent. Viele Menschen mit einem multikulturellen Hintergrund kennen dieses Gefühl und manchmal kann das weh tun, weil man sich in einer kleinen Identitätskrise wiederfindet.
Trotzdem finde ich es schön, dass wir heute in einer Welt leben, in der kultureller Austausch selbstverständlich ist, sowohl musikalisch, sprachlich, als auch menschlich. Man kann an mehreren Orten zu Hause sein. Als ich angefangen habe, Musik zu machen, gab es kaum Artists, die mehrere Sprachen mischten. Höchstens Shakira, die Songs auf Spanisch und Englisch veröffentlichte. Inzwischen wird das mehr, aber so richtig erst in den letzten zwei Jahren. Ich möchte mit meiner Musik zeigen, dass man beides sein kann: zwischen Welten und trotzdem ganz, auch wenn man sich nicht immer zu 100 Prozent vollkommen fühlt. Musik ist für mich diese universelle Sprache, die jeder versteht, egal, woher er oder sie kommt.
Gibt es ein Land, in dem du dich im Moment am meisten zu Hause fühlst?
Es ist ziemlich ausgeglichen, aber Tansania hat für mich einen besonderen Platz. Ich habe dort den größten Teil meines Lebens verbracht. Für mich ist es ein Ruhepol. Wenn ich zu lange in Deutschland bin, sehne ich mich irgendwann nach Tansania: nach dem Wetter, nach der Natur, nach der Energie dort. Ich habe viele friedliche Erinnerungen an diesen Ort, und die meisten meiner Songs sind dort entstanden, geschrieben und aufgenommen. Meine Eltern leben dort, meine Hunde auch, und ich liebe die Landschaft. Ich bin sehr naturverbunden und merke, dass ich das vermisse, wenn ich zu lange in einer Stadt bin.
Wie sieht dein Songwriting-Prozess heute aus? Spielt die Geige noch eine Rolle oder schreibst du eher mit der Gitarre, oder ganz anders?
Die Geige spielt heute nur noch eine kleine Rolle. Mein Hauptinstrument beim Schreiben ist die Gitarre. Früher habe ich allein in meinem Zimmer Akkorde gespielt, daraus entstand eine Emotion, und darauf kamen Melodie und Text. Manchmal inspiriert mich aber auch ein einzelnes Wort, eine Phrase, aus der ich dann einen Song entwickle. Heute schreibe ich oft im Studio mit Produzenten, und dann probieren wir verschiedene Instrumente aus. Manchmal sage ich: "Lass uns mit einer Marimba anfangen, ich liebe gerade diese Textur." Und dann suchen wir Akkorde dazu. Die meisten Songs beginnen aber immer noch mit den Harmonien, egal, ob auf der Gitarre oder einem anderen Instrument. Wenn diese musikalische Basis steht, kommen die Emotionen von selbst.
Wie unterscheidet sich deine neue EP "Corazonada" von der ersten?
Ein großer Unterschied ist der Entstehungsort. Meine erste EP entstand hauptsächlich in Kenia, "Corazonada" dagegen komplett in Deutschland. Ich habe mit drei verschiedenen Produzenten an den fünf Songs gearbeitet. Inhaltlich ist sie auch anders.
Inwiefern?
"Corazonada" bedeutet auf Spanisch so viel wie Bauchgefühl oder Impuls. Ich wollte anfangs keine konzeptuelle EP machen, aber im Nachhinein hat sich doch ein roter Faden gezeigt. Diesmal geht es um meine Zwanziger - um dieses Chaos, das man vorher nie so richtig versteht, bis man mittendrin steckt. Tage, an denen man sich verloren fühlt, Fehler macht, Entscheidungen trifft, die sich im Nachhinein falsch anfühlen. Alle Songs handeln von Momenten, in denen man einfach einem Impuls folgt, ohne zu wissen, ob es richtig oder falsch ist. Manchmal endet das im Herzschmerz, manchmal in einer Erkenntnis. Ich glaube, das kennen viele in diesem Alter.
Welchen Impuls hast du in den letzten Jahren nicht bereut?
Wie ich schon erwähnte, ist Tansania mein Ruhepol. Ich versuche, mindestens ein- bis zweimal im Jahr zurückzufliegen. Jedes Mal, wenn ich dort bin, bekomme ich kreative Eingebungen. Ein Impuls, dem ich sehr dankbar bin, ist, dass ich meinen Vollzeitjob gekündigt habe. Ich wusste schon immer, dass ich hauptberuflich Musik machen will, aber diesen sicheren, unkreativen Job loszulassen, war schwer. Trotzdem habe ich es gewagt und bin glücklich damit. Klar, es ist manchmal schwierig und instabil, aber ich weiß, dass es der richtige Weg ist.
"Der Porro vereint drei Welten - genau wie ich"
In "Facetime" singst du über eine Fernbeziehung. Du hast Kontakte auf der ganzen Welt. Wie viel persönliche Erfahrung steckt in diesem Song?
Ziemlich viel. Meine romantischen Beziehungen waren bisher alle Fernbeziehungen. Und weil meine Familie weit weg lebt, habe ich generell viel Erfahrung damit. Mein Bruder lebt in Portugal, meine Eltern in Tansania und ich in Deutschland. Ich bin zwar mittlerweile daran gewöhnt, aber es kann manchmal schwierig sein, positiv zu bleiben. Ich versuche, mich auf das zu konzentrieren, was da ist: die Beziehung, die Liebe. Es gibt diesen Spruch: "Distance makes the heart grow fonder." In der Abwesenheit lernt man, Dinge an einer Person noch mehr zu schätzen.
Und Facetime spielt dabei sicher eine große Rolle.
Ja, zum Glück. Heute haben wir Facetime und WhatsApp. Früher, als man noch Briefe schrieb, hatte man sicher noch mehr Sehnsucht, weil man wochenlang nichts voneinander hörte.
Wenn man sich länger nicht sieht, entsteht ja auch Spannung - wie in deinem Song "Tension".
Stimmt! "Tension" ist ein besonderer Song für mich, auch musikalisch. Am Anfang klingt er wie ein Sample, aber tatsächlich ist es eine Reinterpretation eines traditionellen kolumbianischen Songs: Porro Magangaleño. Das ist ein sehr alter Porro, ein Tanzgenre aus Kolumbien. Ich habe die Vocals eingesungen, aber uns fehlte noch eine tiefere Stimme. Weil wir keine Zeit mehr hatten, habe ich meinen Bruder gefragt. Er hat seinen Part in Portugal einfach mit Kopfhörern eingesungen. So entstand dieser Sample-artige Anfang, der sich durch den Song zieht. Das bedeutet mir sehr viel, weil mein Bruder Teil davon ist und weil der Song meine kolumbianischen Wurzeln ehrt. Der Porro vereint außerderm drei Welten: indigene Einflüsse, spanische Kolonialgeschichte und karibisch-afrikanische Rhythmen. Ich finde es schön, dass in diesem Song - wie in mir - Europa, Afrika und Lateinamerika zusammenfließen.
Dein Künstlername bedeutet auf Suaheli "Schwester". Wie kam es dazu?
Der Name hat tatsächlich eine tiefere Bedeutung für mich. Mein Künstlername wird D-A-A-D-A geschrieben. Auf Suaheli gibt es das Wort "Dada" mit einem A und das bedeutet Schwester. Und das gefiel mir sehr gut, weil ich diese Bedeutung mag und ich möchte vor allem, dass meine Musik Frauen und Mädchen anspricht. Ich wünsche mir, dass Mädchen, die so ähnlich wie ich vielleicht mit einer Identitätskrise aufgewachsen sind, meine Musik hören und sich auch trauen können, auf diese puzzelartige Identität stolz zu sein. Ich möchte besonders für Mädchen eine Inspiration sein, wie eine Schwester.
Der Name trägt auch den Tansania-Aspekt in sich, der mir sehr wichtig ist. Mein Bruder nennt mich auch immer "Dada", das ist sein Spitzname für mich. Aber der Begriff wird in Suaheli nicht unbedingt nur für 'Schwester' im engeren Sinne benutzt, sondern auch generell. Wenn man sich an eine Frau wendet, die man nicht kennt, dann nennt man sie 'Dada': "Dada, hey komm her!" Das mag ich, denn es zeigt, dass wir alle miteinander verbunden sind. Es klingt wie ein großes Klischee, aber wir sind eine große Familie und diese Bedeutung von Zusammenhalt mag ich sehr.
3 Kommentare
Finde ich immer toll, wenn Künstler ihren vielfältigen kulturellen Hintergrund betonen, dann aber ihre Songs mit den generischsten, hingerotzten Reaggeton-Bumsbeats unterlegen.
Außerdem verpasste Chance, das Albung "ismus" zu nennen, ma sagen.
"Daada singt in vier Sprachen, schreibt Tagebuch in zwei und Familienberichten zufolge murmelt sie selbst im Schlaf manchmal in mehreren Sprachen."
Ich murmel auch in zwei Sprachen im Schlaf. Das eine ist Deutsch, das andere Zombiesprache. Obwohl die Umstellung morgens erst nach mehreren Kaffees reibungslos funktioniert, bin ich bisher glücklicherweise noch nicht aufgeflogen.
meine musik ist wie erik ahrens... sie soll frauen ansprechen...