laut.de-Biographie
Dehd
Dehd ist eine dieser Indie-Bands, deren Alleinstellungsmerkmal gleichzeitig die größte Hürde für den Mainstream-Erfolg darstellt - die sich daher aber auch umso besser als Nischenliebling eignet.
Emily Kempf und Jason Balla, die jeweils in anderen Bands spielen und sich aus der Chicagoer DIY-Indie-Szene kennen, gründen Dehd 2015. Gegenüber dem Magazin Pond erklärt Balla: "Dehd ist als Ausrede entstanden, um auf ein echt langes Date zu gehen", denn die beiden Gründer:innen sind anfangs ein Paar und nutzen die Band, um im Pärchenurlaub gleichzeitig zu touren.
Kempf übernimmt Bass und Gesang, Balla spielt Gitarre und singt ebenfalls. Fehlt nur noch ein Drummer. Vielleicht einer der schon sehr viel Erfahrung mitbringt? Nee, lieber Kumpel Eric McGrady, der zuvor noch nie am Schlagzeug saß und dessen Stand-up-Set nur aus Tom und Snare besteht. Der Mut zur Reduktion zahlt sich aus: Das Trio klingt auf der ersten Veröffentlichung "Dehd" (2016) aufregend und vertraut zugleich und macht aus wenig erstaunlich viel.
Das eigenwillige Drum-Set-up ist allerdings nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal. Es ist Kempfs Art zu singen, die häufig eher nach Jaulen, Grölen oder Grummeln klingt. Wer an dem Gesang Gefallen findet, darf sich von Dehd in die späten 80er und frühen 90er transportieren lassen, denn dort scheint der Bandsound mit effektbeladenen Surf-Gitarren und grummelndem Bass zu wurzeln.
Als Referenzen werden immer wieder Cocteau Twins und The Jesus And Mary Chain erwähnt, in der Musik von Dehd stecken sowohl Dream-Pop als auch Post-Punk. In einem Interview von LVL3 gefragt, was man über die Band wissen müsse, antwortet Balla: "Wir können unsere Instrumente tatsächlich spielen, auch wenn es manchmal nicht so klingt."
Trotz allem DIY-Spirit und der Roughness der Stücke scheint die Band genau zu wissen, was sie tut. Immer mehr Kritiker:innen zeigen sich begeistert, weshalb das Trio wohl auch die Entscheidung fällt, trotz der privaten Trennung von Balla und Kempf 2017 weiterzumachen. Das Ende ihrer romantischen Beziehung arbeiten sie einfach in ihre Stücke ein und tischen 2019 ein erneut positiv rezipiertes Zweitwerk auf: "Water".
Ihre Musik besteht für Balla und Kempf weiter aus "kurzen Pop-Songs", die sie ein "bisschen chaotisch und ein bisschen schludrig" spielen, wie sie Adhoc sagen. Dabei klingen die Stücke auf "Water" noch mal runder und konzentrierter. Diesen Trend kann die bereits ein Jahr später mit "Flower Of Devotion" fortsetzen, das von Pitchfork das "Best New Music"-Tag verliehen bekommt. Den Hype darf die Band aufgrund der Pandemie dann leider nicht live auskosten.
Die in der Corona bedingten Zwangspause angesammelte Energie kanalisieren die Amerikaner:innen 2022 auf dem vierten Album "Blue Skies", das erneut bärenstarken Retro-Indie liefert und weitere elektronische Elemente in die Stücke einarbeitet. Wie den Großteil der bisherigen Diskographie produziert Balla das Album im Heimstudio. Im Gespräch mit Northern Transmission schildert der Gitarrist die Entwicklung der Band folgendermaßen: "Jede Phase der Band hatte ihren Charme, aber inzwischen sind wir an einem Punkt, wo wir den Charme halten und gleichzeitig polieren können."
Es gilt festzuhalten: Dehd machen auch auf ihrem vierten Album unbeirrt ihr Ding und das erneut so solide, dass sie dem Geheimtippstatus schon längst entwachsen sein müssten. Zwei Stimmen, eine Gitarre, ein Bass und das kleine Drumset von McGrady, mehr braucht es nicht für fantastische Indie-Musik. Wenn man sich Live-Auftritte von Dehd anschaut, kann man sich fragen, warum es überhaupt größere Bands gibt, wenn man doch zu dritt einen so runden Sound kreieren kann.
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