18. Juni 2013

"Die Cro-Fans sind einfach mega jung!"

Interview geführt von

"Es geht nicht nur um die Einzelstücke, sondern wie du die zusammensetzt." Beherrscht man dieses Kunststück so gekonnt wie Dexter, bräuchte man tatsächlich keine Rapper mehr.Wer suchet, der findet. Samples. Und wer kann, der macht. Beats am besten. "Wie andere Leute Fernsehn kucken." Wenn man den Luxus genießt, von der Musik finanziell nicht abhängig zu sein. Dann braucht man sich nämlich auch nicht für das Egogepushe selbstverliebter "Testosteronmenschen" (Anm. d. Verf.: "Rapper") zu verbiegen, sondern kann sich voll und ganz dem Nerd in sich widmen.
Ob der nun gerade dem Psychedelic Rock frönt wie auf dem aktuellen Album "The Trip" oder den Jazz ehrt wie dessen Vorgänger "Jazzfiles" - eines sei sicher: der nächste musikalische Film kommt bestimmt.

An einem Dienstag Abend in Stuttgart: Während sich draußen die Sintflut über die Innenstadt ergießt, sitzen wir mit Dexter auf ein Bier und einen Plausch auf der Arche Noah und debattieren über die Spezies Produzent (und feiern heimlich Haftbefehl). Wenn auch alles um uns herum schwimmt: macht nichts. Wir sind eh aufm "Trip".

Dein Album "The Trip" kam vor kurzem raus, das sich ja sehr intensiv mit dem Thema Psychedelic Rock auseinandersetzt. Warum ausgerechnet dieses Genre?

Schwierig. Es ist generell so, dass ich mich immer ganz gerne mit einem bestimmten Thema beschäftige. Ich hänge immer auf so musikalischen Filmen. Eine Zeit lang, in der ich sehr viel Jazz gehört hab ...

... hast du die "Jazzfiles" gemacht.

Genau. Als ich auch viel darüber gelesen hab - die Miles Davis-Biographie usw. - da bin ich so voll in die Materie eingetaucht. Ich hatte dann einfach Bock, Jazzbeats zu machen! Das machen ja viele im Hip Hop, dass sie Jazz samplen und so, aber ich wollte das ein bisschen anders machen. Mit einem roten Faden wie so 'ne kleine Geschichte - ohne jetzt den Anspruch zu hegen, den Jazz in seinem gesamten Umfang zu präsentieren. Und da ich schon damals viel von diesem 60er-Zeug gehört hab, hab ich auch viel davon gesampelt und so haben sich ein paar Sachen angesammelt.

Irgendwann war dann die Zeit reif für so ein Konzeptding, diesmal nur mit Psychedelic Rock-Samples. Natürlich kommt das auch daher, dass mein Vater viel aus dem Bereich wie auch aus dem Jazz besitzt und dass mich die Musik eh schon so krass geprägt hat in meiner Kindheit ... als ich noch Eurodance hören wollte mit dreizehn oder so ... (Gelächter)

Da können wir vermutlich tatsächlich froh sein, dass Dexter damals noch zu jung für das Basteln eines Konzeptalbums war.

Ja und irgendwann bin ich dann doch auf den rechten Pfad gekommen und hab in den letzten zwei Jahren an dem Ding gearbeitet parallel zu vielen anderen Sachen. Jetzt war's halt an der Zeit, dass ich dachte: 'Okay, das ist jetzt gut so, das bring ich jetzt raus.' Es geht ja nicht nur um die Einzelstücke, sondern wie du die zusammensetzt. Du kannst schlecht einzelne Tracks aus dem Album so wirklich raus suchen - die sind ja auch alle sehr kurz.

Ja, warum eigentlich? Die haben ja eigentlich schon eher 'ne Punk-Länge.

Höchstens ja!

Ausnahme ist da ja wirklich nur "Pictures".

Ja, das ist auch der einzige richtige Song auf dem Album.

War das auch konzeptmäßig gedacht, dass du durch diese schnellen Cuts und dieses Geswitche irgendwie den Trip rüber bringen wolltest? Das wirkt ja teilweise schon fast filmisch.

Ja, aber das hat sich eher im Nachhinein so ergeben. Allgemein sind alle Beats, die ich für mich so mache, sehr kurz. Wenn die dann jemand nimmt, um drüber zu rappen, dann muss man sich da halt irgendwie arrangieren, aber die ersten Skizzen sind immer nur so eineinhalb Minuten ungefähr. Die teste ich dann auf ihre Livetauglichkeit. Live mache ich auch immer sehr kurze Beats aufeinandergefeuert. Die Länge kommt eher daher, dass ich die dann einfach so gelassen und mit Details ausgeschmückt habe.

Das hat sicher auch was mit der Aufmerksamkeitsspanne vieler Leute zu tun, die gar nicht mehr klarkommen, wenn ein Ding länger als eineinhalb Minuten ist (lacht). Die müssen dann immer weiterskippen. Nein, Quatsch, ich mag das selber. Ich mag die Beattapes von Madlib oder die "Donuts" von J Dilla, die sind ja auch recht kurz. Weißt du, ich könnte mir auch vorstellen, wenn die Tracks wirklich noch 'ne Minute länger gewesen wären, dann hätt's vielleicht gelangweilt und es wäre in seiner Gesamtheit nicht das, was es jetzt ist. Ist schwierig ... Beim Psychedelic Rock waren die Songs ja widerum oft epochal lang. Sieben Minuten und noch länger. Ach - aber ich steh einfach selber auf die kurzen prägnanten Dinger.

Deine Platten entstehen also aus einer momentanen Leidenschaft für eine Musikrichtung. Du liest aber auch Biographien, schaust dir Filme an etc., beschäftigst dich also auch mit dem dazugehörigen Kulturphänomen drum herum?

Ja, aber nicht so extrem eingehend. Die Musik steht da schon an erster Stelle. Aber als halbwegs allgemeingebildeter Mensch weiß man ja, was da Thema war. Kommt ja auch noch ständig in der Glotze - Woodstock usw. kennt ja jeder. Der Zeitgeist und was da los war - das wusste ich ja. Aber es gibt dann so individuelle Geschichten, z.B. gibt es eine Biographie von Daniel Sugarman. Das ist ein Typ, der im zarten Kindesalter mit den Doors bekannt gemacht wurde und irgendwann, glaub ich, sogar der Manager wurde und Zeitungsschnipsel für die sammeln musste. Das ist ein geiles Buch! Recht dick und erzählt von der ganzen Zeit. Nicht nur von den Doors, sondern er trifft auch ganz andere Musiker - am Ende sogar Iggy Pop, der damit ja gar nichts mehr zu tun hat. Es sind so die kleinen Anekdoten im Zusammenhang mit der Musik, die mich interessieren. Oder Andy Warhol mit Velvet Underground, die so die Kunst in der Zeit bestimmt haben. Ich bin jetzt kein riesen Andy Warhol-Fan, aber das sind so kleine Berührungspunkte, die mich dann schon sehr interessieren.

Du hast auch mal gesagt, du hättest gerne in dieser Zeit gelebt.

Ja, hätte ich ehrlich gesagt schon gern. Da ist viel passiert! Wer in der Zeit gelebt hat, hat echt viel erlebt. Klar: in unserer Zeit erlebt man andere Sachen, es ist alles schneller, Medienwachstum usw. Ich glaube das war damals aber einfach freier und unbeschwerter. Ich sag mal so: ich bin ja froh, dass ich jetzt lebe, is ja alles gut. Aber mal so für ein, zwei Jahre in dieser Zeit leben, hätte ich mir schon vorstellen können.

Waren denn deine Eltern noch so richtige Hippies?

Also meine Mutter nicht. Mein Vater war jetzt auch kein Hippie - er hatte zwar seine Haare lang und so, aber er ist nicht auf die Straße gegangen und hat irgendwelche Protestlieder gesungen. Aber er hat sich für die Musik in dieser Zeit einfach stark interessiert. Der war zu der Zeit sechzehn oder so und hat dann auch viel vom Anfang der 70er mitgekriegt. Mir geht's auch gar nicht nur um dieses ganze psychedelische Hippiezeug, sondern allgemein war diese Zeit musikalisch einfach so geil. Auch im Jazz, Funk und Soul ist soviel passiert. Filmmusik! Alles was in der Zeit so passiert ist, zählt von den Vibrations her zu dem, was mir soundästhetisch einfach am besten reinläuft. Ich mag auch Synthesizer und Nach-80er-Zeug, aber diese Ästhetik ist das, was mich einfach anspricht. Auch Filme aus der Zeit – egal was, es kann auch ein Heinz Erhardt-Film sein, die totale Klamaukscheiße sind ...

Okay, die sind aber auch geil!

Von den Farben ... ach, von allem, was da so geht ... läuft mir halt rein irgendwie. (lacht.)

"Hinter den Plattenspielern fühle ich mich einfach am wohlsten"

Ist dieser musikalische Film denn jetzt durch und du bist schon wieder auf einem anderen? Wird das nächste Album auch wieder ein Konzeptding?

Ich muss ganz ehrlich sagen: ich weiß es nicht. Ich hab sehr viel auf so Library-Musik gefunden und such auch immer noch danach. Das ist ein ganz eigenes Genre. Das ist Musik aus den 60ern bis in die 80er hinein, die ausschließlich für Film und TV hergestellt wurde. "Hergestellt" ist hier das richtige Wort, denn das waren einfach nur Platten mit 'ner Nummer drauf, die ausschließlich an die Radiosender, TV-Sender und Filmemacher verkauft wurden. Da sind alle möglichen Genres drauf. Da gibt's Psychedelic Rock, Jazz, Funk, Filmmusik an sich, Musik für Pornos usw.

Und jetzt, wo die Sender die nicht mehr brauchen, werden die Platten halt überall rausgeballert. Nur - die Leute wissen halt, dass das auch wertvolle Platten sind. Die sind scheißteuer. Da findet man echt noch krasse Schätze. Es gibt da 'ne ganze Szene, die da voll hinterher ist. Diskbox, Ebay - du findest nichts mehr für'n Schnäppchen. Gar nichts!

Wie kommst du dann ran an die Sachen? Plattenläden? Flohmarkt?

Plattenläden klar. Flohmärkte sehr selten, aber auch. Es gibt auch viele deutsche Library-Labels, wie Golden Ring Music z.B. Das sind so gelbe Platten, die haben vorne eine Kamera drauf und da steht dann einfach "Filmvertonungsmusik" drauf. Hinten die Lieder und 'ne Beschreibung, z.B. "mittleres Tempo, düstere Atmosphäre, geeignet für ..." bla bla bla, so dass man sich die für bestimmte Szenen im Film wirklich aussuchen kann. Das sind Platten, die sind einfach nur mit Nummern versehen und hinten steht dann drauf, welche Musiker sich dahinter verbergen. Da gibt's echt Library-Stars!

Viele Leute haben dafür unter Pseudonymen Musik gemacht, um Geld zu verdienen. Die waren vielleicht als Musiker schon bekannt, haben damit aber nicht so viel verdient. Das ist eine unglaublich interessante Sparte! Auch extrem nerdig, sich damit überhaupt zu befassen (acht.) Aus diesem Genre würde ich albummäßig auch mal gerne was zu machen.

Da gibt's Platten, die wurden nur mit dem Moog-Synthesizer eingespielt. So ein analoger Synthesizer, mit dem bis Anfang der 80er produziert wurde. Also einer der bekanntesten Synthesizer überhaupt - noch mit Holzvertäfelung und so. Ich hab mir selber so ein Ding zugelegt und auch Bock, mal nur so Moog-Musik zu machen. Das ist ein ganz bestimmter Sound. Wenn du das mal "Minimoog" eingibst, wirst du das sofort erkennen. Oder wenn du alte Drei Fragezeichen-Kassetten hörst, da wurde die Musik auch viel mit Moog-Synthesizern gemacht. Das und alles was bei dem ganzen Europaverlag, bei dem die Kassetten rauskamen, so an Zwischenmusik zu hören ist, ist auch Library-Musik.

Aber jetzt erstmal "Betty Ford Boys" mit dem Suff Daddy und dem Brenk. Das ist zwar schon fertig, aber da gibt's jetzt andere Sachen zu tun, wie die anstehende Tour und die Promo für "The Trip" und dann meine Arbeit ... da kann ich gerade gar nicht so produktiv sein, wie ich gerne möchte. Aber ich denk mal, gegen Herbst wird's dann wieder anders.

Die Tour machst du ja auch mit Suff Daddy und Brenk zusammen, oder?

Ja, genau. Zu "Trip" gibt's jetzt gar keine eigene Tour. Das geht alles zu schnell! (lacht.) Und es macht auch mehr Spaß. Ich bin nicht so der Einzelgängertyp. Außerdem ... ich hab gesehen, dass ihr von laut.de am S-Bahnhof hier in Stuttgart Werbung gemacht habt. Da dachte ich: krass! Auf dem Cover ist ja auch mein Gesicht drauf, das hab ich bisher auch noch nie so gezeigt. Das ist auch ein bisschen schwierig, weil ich das eigentlich gar nicht so ... (zögert)

... magst?

Ja, nein! Das ist vollkommen cool, dass das passiert und dass diese Art von Musik so beworben wird. Das ist ja schon nichts Poppiges, sondern schon eher Underground – so würd ich es bezeichnen. Es ist cool, dass das beworben wird, aber es ist halt ein komisches Gefühl. Das muss ich erstmal sacken lassen und kucken, wie ich damit zurechtkomme.

Du hast also keine Lust drauf, dass dich die Leute da draußen alle erkennen?

Nee. Das mag ich nicht so. Ich mach ja schon ewig Musik und hier und da hat mich schon mal jemand erkannt und was gesagt. Mit denen konnte man sich dann auch immer gut unterhalten, weil das sehr interessierte Leute waren. Und jetzt nach Cro, Casper usw., wo die alle wissen, was da passiert ist, sprechen mich schon mehr Leute an. Ich bin zwar auch immer freundlich und höflich und spreche eigentlich schon gern mit den Leuten. Aber ich mag das nicht, in den Club zu gehen und zu merken, wie die Leute einen ankucken. Das ist echt schwierig. Muss nicht unbedingt sein. Ich hab ja auch mal gerappt und hab mich mit Absicht so auf das Produzentending konzentriert. Klar, auch weil ich's besser kann als rappen, aber auch weil man da eher im Hintergrund agieren und trotzdem viel Gehör finden und viel machen kann.

Du rappst aber trotzdem noch, oder?

Ja. Es gibt ein Album mit Dexter und Maniac. Da haben wir so ein zweisprachiges Ding gemacht. Kam 2010 raus. Ich hab das komplett produziert, er rappt auf englisch, ich auf deutsch. Eigentlich rapp' ich da irgendnen Käse, irgendwas, was mir halt so einfällt und was sich gut anhört. Also nichts tiefgreifend Thematisches oder so. Einfach nur arrogant über die Beats gerappt. Wie geil man produziert und wie scheiße alle anderen sind. (grinst) Nicht plump, sondern mit Wortwitz. Das mach' ich schon immer noch ... So hab ich auch angefangen. Produzieren, DJing, rappen – das hab ich alles gleichzeitig gemacht. WIR haben alle alles gleichzeitig gemacht. Jetzt nehmen wir z.B. gerade Sachen auf mit Morlockk Dilemma, Hiob, Audio88 usw.

Das ist ja auch so dein Kreis, oder?

Ja genau. Für die produziere ich Beats. Für dieses Rapding waren wir 2010 ja dann auch mit Blumentopf auf Tour. Aber da hab ich auch gemerkt, dass ich mich hinter den Plattenspielern einfach wohler fühle. Der Maniac ist 'ne Rampensau, der geht da richtig drin auf. Maniac ist auch einer der coolsten und besten Rapper und Menschen überhaupt, die ich kenne. Der kann das einfach besser!

"Ich mache Beats wie andere Leute Fernsehen kucken."

Wie du vorhin schon gesagt hast, bist du ja schon lange dabei. "The Trip" ist auch nicht dein erstes Album. Wie erklärst du dir denn dieses gesteigerte Interesse an deiner Person und deiner Musik? Durch das wachsende Interesse an den Produktionen im Allgemeinen?

Ich kann's mir nicht erklären. Aber es hat sicherlich damit zu tun, dass diese ganze Produzentenszene so populär geworden ist, was viel auch mit dem Label Melting Pot Music oder auch mit Project Mooncircle, einem Label aus Berlin zu tun hat, wo so Leute wie Robot Koch oder Flako drauf sind. Die sind eher elektronischer, aber lenken den Fokus auf dieses Instrumentale. Oder sagen wir mal so: die Beats sind einfach so interessant geworden mittlerweile, dass man nicht mehr unbedingt einen Rapper oder Sänger mehr dazu braucht.

Was zwar trotzdem nebenher immer noch gemacht wird, aber es ist halt cool, dass du auch einfach ein P-Tape raushauen kannst und das die Leute hören. Viel mehr Leute interessieren sich durchs Internet für Beats, viel mehr Leute machen auch Beats. Viele Fans machen selber Beats. Du findest fast keinen Musikfan mehr, der nicht selber auch Musik macht. Ich glaube dadurch ist das Interesse an dem Ganzen auch so da. Aber ansonsten ist es wie mit jedem Phänomen oder Hype: schwer zu erklären. Kann auch sein, dass es in zwei Jahren wieder vorbei ist.

Du meinst aber, dass das Interesse für deine Person und Arbeit an dieses generell gesteigerte Interesse an den Produktionen gekoppelt ist?

Das ist ganz klar der Grundstock gewesen.

Und die Sachen, die du für Cro und Casper gemacht hast?

Ich glaube, bei den Leuten, die das Zeug eh hören, hat es nichts mehr bewirkt. Das ist eher so, dass gerade jüngere Leute dadurch dazugekommen sind. Wenn du nur einen Bruchteil der Cro-Fans nimmst, sind das immer noch für meine Verhältnisse mega viele Leute. Und wenn die drauf hängen bleiben ... Ich merk's auch, wenn sie mich ansprechen, die sind einfach mega jung. Vor fünf Jahren hatte man da noch voll zu kämpfen. Da waren halt die Oldschool-Leute, die Backpacker usw. und für diese Musik hat sich nur ein kleiner Kreis von Leuten interessiert. Das hat sich echt voll geändert! Da kommen jetzt echt die Kids und wollen das hören. Aber warum das Interesse an meiner Person? Hmm. Ich weiß schon, dass ich das, was ich mache, gut kann und ich gehe darin einfach auf.

Außerdem bin ich in der Luxusposition, dass ich damit nicht mein Geld verdienen muss. Ich kann mein Zeug halt einfach machen und raushauen. Wenn's dann niemand kauft: egal! Vielleicht macht bei den Leuten auch diese Sache was aus? Ich wollte es ja eigentlich nie sagen und es geheim halten, dass ich als Kinderarzt arbeite, weil - so blöd das jetzt klingt - die Leute sehen: Aha, der ist Kinderarzt und macht Beats, das ist was Cooles, da muss ich mich mal mit beschäftigen. Für mich ist das selbstverständlich.

Ich habe sechs Jahre lang studiert, habe währenddessen immer Musik gemacht, habe angefangen zu arbeiten und immer Musik gemacht. Für die Leute ist das interessant. Aber ich glaube, ihnen gefällt das einfach auch ganz gut. Was auch einfach mit der Musik zu tun hat. Aber ich bin da bescheiden. Ich weiß, wie's mit Hypes so ist. Ich mach' mir da nichts vor. Ich mach mir da auch nix wegen Gold und Platin von Cro und Casper vor. Das wäre auch ohne mich passiert. Ich war halt zufällig dabei und ich fand's auch cool, dass sie mich gefragt haben. Ich musste ja auch nichts extra dafür machen - die haben die Sachen so genommen, wie sie waren.

Du machst generell keine Auftragsarbeiten, hast du mal gesagt. Die Leute haben zu nehmen, was du hast. Das soll eine Fifty-Fifty-Geschichte sein - der Rapper bringt seine 50 und du möchtest dann aber auch deine ganzen 50 haben und gehst auf keine Sonderwünsche ein.

Kommt darauf an mit wem. Wenn ich jetzt mit Achim (Maniac) oder mit Dilemma oder so arbeite, ist das was anderes. Da passiert das auf einer freundschaftlichen Basis, indem wir zusammen Musik machen – da ist das was anderes. Aber wenn jetzt jemand kommt und sagt, er möchte den und den Beat haben, aber er möchte noch das und das verändert haben – da hab ich keinen Bock drauf. Einfach weil ich keinen Bock habe, mich noch mal an den Beat zu setzen. Das ist mir einfach zu anstrengend. Aber gut, wenn ich nicht arbeiten würde, müsste ich vielleicht schon so Auftragsarbeiten annehmen.

Das Rapper-Ego ist aber ja doch auch mal gern etwas raumgreifend. Gab's da schon mal Probleme wegen dieser Einstellung?

Gab's schon mal bei irgendwelchen unbekannteren Leuten, sag ich jetzt mal. Aber sonst eigentlich überhaupt nicht.

Und andersrum: Meinst du, die Tatsache, dass du dich nicht für andere verbiegst, steigert vielleicht sogar deinen Marktwert?

Weil ich es nicht muss. Ich hab auch viele Anfragen, wo ich sage: sorry, aber damit will ich nichts zu tun haben. Da darf ich jetzt aber natürlich keine Namen nennen.

Nee. Musst du ja auch nicht. Nach was selektierst du da?

Wie es mir selber gefällt. Und auch danach, ob das in Kreisen stattfindet, die komisch sind, wo ich denke, die haben komische Fans mit komischen Ausschreitungen auf ihren Veranstaltungen, 'ne komische Einstellung, Schwulenfeindlichkeit oder was weiß ich – da hab ich keinen Bock drauf. Ich red jetzt nicht von Leuten, die mal rappen: "Dein Rap ist schwul." Das find ich persönlich nicht sooo aneckend. Aber es gibt ja Gruppen, die ernsthaft schwulenfeindlich sind und so was geht dann nicht.

Für eine Grundsatzdiskussion über Schwulenfeindlichkeit im Rap fehlte dann aber doch die Zeit.

Verstehe. Nochmal zu deiner Arbeit. Ist Kinderarzt denn deine Passion oder würdest du, wenn sich das mit der Musik so entwickelt, dass du davon leben kannst, diesen Beruf auch für die Musik aufgeben?

Ja - das ist schwierig. Wenn mich jemand vor die Wahl stellen würde, ob Musik oder Arzt, würde ich mich schon für die Musik entscheiden. Ohne Musikmachen würde ich nicht mehr glücklich werden in meinem Leben. Aber so lange beides nebeneinander funktioniert, was es momentan tut, mach ich auch beides. Ich mach die Facharztausbildung fertig, die dauert jetzt auch nicht mehr so ewig – hab schon die Hälfte rum. Die Zeit geht eh so schnell vorbei und wenn's nach den zweieinhalb Jahren immer noch so gut funktioniert, kann ich mir trotzdem locker erlauben, da mal einen Cut zu machen.

Dann hab ich meinen Facharzt in der Tasche, könnte halbtags irgendwo arbeiten und hätte mehr Zeit für Musik. So Sachen gehen dann schon. Aber ich bin da eher sicherheitsorientiert und denke, es wäre einfach vollkommen blöd, das jetzt abzubrechen. Dann wäre ich raus – nicht dass es ein Problem wäre, dann wieder einen Job zu kriegen, sondern vom Kopf her wieder reinzukommen. Auch wenn du nur ein halbes Jahr weg bist, verlernst du so vieles. Wenn es geht, mach ich also beides parallel weiter.

Wie sieht denn dein Alltag aus? Du gehst morgens in die Klinik und machst abends Musik?

Ja. Danach. Oder am Wochenende. Oder oft habe ich so Nachtfrei-Wochen. Da habe ich am Wochenende Nachtschicht, aber dann vier Tage ausgleichsfrei. Unter der Woche, wo keiner Zeit hat und jeder arbeiten muss. Ich bin relativ fokusiert. Da sitzt jeder Handgriff, weil ich schon seit Jahr und Tag mit denselben Programmen arbeite und im Kopf weiß, wie was sein muss. Das eigentliche Machen geht dann recht flott. Da kann ich dann acht bis zehn Beats am Tag machen, wenn ich mich den ganzen Tag hinsetze. Das geht schon. Das ist wie andere Leute halt Fahrrad fahren, Joggen gehen oder Fernsehn kucken – das ist halt mein Freizeitausgleich. Kannst nebenher Bier trinken ... keine Ahnung: kannst alles machen! (schmunzelt)

Du bist regelmäßiger Teilnehmer und Gewinner der Beatfights auf dem Beat Barbecue. Was das ist, weiß aber hier bestimmt nicht jeder. Erzähl doch mal, was es damit auf sich hat.

Das BBQ ist das Splash! der Beatmacher. Das ist ein 1-Tages-Festival, das nachmittags mit Grillen beginnt und mit Leuten, die Beats auflegen und abends dann in den Club geht, wo dann so Beatshowcases stattfinden. Das war jetzt erst wieder am Pfingstsonntag und es waren über tausend Leute da. Das war krass. Da merkt man auch: das mediale Interesse wird größer. Irgendwelche Labelleute von größeren Labels waren da, einfach nur um sich das anzukucken.

Das Gute ist: das ist ganz anders als auf 'nem Bushido- oder Savas-Konzert. Da sind ganz andere Leute! Auch viele Frauen, die voll ihren Spaß dran haben, weil da kein so 'n Egogepushe von irgendwelchen Testosteron-Menschen betrieben wird. Ich mag Gangsterrap! Ich bin voll der Haftbefehl-Fan! Oder Celo und Abdi. Sowas mag ich. Alles cool. Aber es sind andere Leute, die zu uns kommen als auf das Konzert von denen. Das ist echt cool. Du kannst erwachsen und trotzdem noch Hip Hop sein – ohne dich dafür schämen zu müssen.

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