30. Mai 2023

"Der Hustle hält mich wach"

Interview geführt von

Manchmal gibt es Interviewpartner, deren musikalische Kaltschnäuzigkeit mir ein wenig Sorge bereitet. Als eine Person, die sich gerne mal ins eigene Gefasel verrennt, wirkte Die P wie ein Gegenüber, das bedrohlich wenig Nerv für Bullshit hat.

"Bonnanza", die neue EP von Die P ist draußen - vermutlich ihre bisher wohl transparenteste und emotionale Arbeit. Ich treffe die Rapperin und ihren Manager in einem Café in Neukölln und verliere die Sorge schnell: In Person kommt man mit der Bonner BoomBap-Hoffnung wirklich überaus angenehm und einfach ins Gespräch.

Auf deinem neuen Tape sagst du "beim letzten Anruf auf Palaver einfach aufgeregt / deshalb hab ich kommentarlos einfach aufgelegt" - und ich habe mir schon ein bisschen Sorge um meine Interviewfragen gemacht. Aber dann habe ich mich gefragt: Was qualifiziert ein Gespräch denn als Palaver - und was muss ein Rapsong leisten, um keines zu sein?

Ich hab in meinem Kontext einfach das Gegenüber am Telefon gemeint - und das kann ja wirklich jeder sein - und dass ich mir das einfach nicht mehr antun will. Generell, dieses ganze Rapgame. Es gibt ein paar Sachen, die habe ich mitbekommen, denen gehe ich ganz klar aus dem Weg. Deswegen dieses "kommentarlos aufgelegt". Ich gebe zu manchen Sachen nicht einmal mehr Statements, die ignoriere ich. Rap kann schon Palaver sein, aber er muss eben nicht!

Meinst du damit dann klassischen Industrie-Bullshit, Szene-Talk, oder? Aber Rap über Rap scheust du ja trotzdem nicht, was macht das mit deiner Themenauswahl?

Ach, ich weiß nicht. Oft höre ich Instrumentals, und die geben mir eine emotionale Richtung vor - und dann muss ich entscheiden, ob ich jetzt fiktiv über jemanden sprechen möchte, über etwas, oder über mich. Ich bin jetzt gerade auch in einer Findungsphase wieder mit meiner Musik, die mich dazu bringt, mich anders damit zu beschäftigen, wie ich meine Songs schreibe. Dementsprechend ist das gerade gar nicht so einfach zu beantworten, wie ich meine Themen finde, weil ich doch gerade ein wenig die Blockade empfinde. Ich will noch besser lernen, wie ich manche Dinge an mir ausdrücke, wie ich sie in die Welt schicke.

Was ist da blockiert?

Ich würde gerne emotionalere Songs schreiben, aber ich habe halt eine leichte Blockade. Da fehlt noch etwas, bis ich mich ganz frei machen kann. Ich glaube, ich habe schon Songs geschrieben, die ans Herz gehen, aber ich will noch mehr!

Hast du so ein bisschen Angst davor, dich zu sehr preiszugeben?

Ja, definitiv. Für mich kommt das auch daher, dass Hip Hop viel mit Stärke und Empowerment zu tun hat und Emotionen sind für mich halt doch auch Schwäche zeigen. Ich weiß ja, Schwäche ist Stärke ist Schwäche, aber so einfach ist das nicht (lacht).

Klar, ist ja auch manchmal gar nicht so einfach zu sagen, wann man diesen emotional faszinierenden Seelen-Striptease hinlegt oder wann man über Befindlichkeiten jammert. Aber ich finde interessant, dass du vorher in deinem Prozess so klar differenziert hast zwischen dem, was fiktiv schreiben und was über dich zu schreiben bedeutet. Kannst du auf deinem neuen Tape "Bonnanza" den Finger darauf legen, wo was passiert?

Der persönlichste Song ist glaube ich "Who's That Girl?", hm, der ist für mich auf jeden Fall voll deep. Ich erzähle viel über den Struggle und dieses Gefühl, das ich lange mit mir herumgetragen habe von "ich mache doch, was ich machen will und was mich erfüllt, warum funktioniert es an diesem oder dem anderen Ende nicht?" - und da musste ich selbst auch einsehen, dass man nicht immer alles haben kann. Ja, doch, ich glaube "Who's That Girl" ist so das Emotionalste, das Realste, danach würde ich sagen "Off-White". Aber ganz ehrlich, das ganze Tape ist sehr emotional.

Check ich! Ich find direkt am Anfang, dieser "Was Soll Passieren"-Song, da steht dieser minimale Synth-Beat dir wahnsinnig gut. Ich dachte gerade im Vergleich zu den älteren Tapes, dass ich mich viel leichter tue, ein Gefühl von dir als Person zu bekommen

Ich find's total cool, dass du sagst, dass man das hört! Weil ich habe mir im Nachhinein, als ich das Tape nach dem Mastering angehört habe, gedacht: Also, die Menschen, die wirklich close mit mir sind, die haben den Schmerz auch gehört. Die kennen ja auch Stories, die ich darauf so in der Form nicht erzählen kann, aber da freut es mich, dass die Gefühle auch ohne den Kontext durchkommen.

Die Storys kenn ich klar nicht, aber doch, das kommt durch.

Finde ich cool, dass du mehr Menschlichkeit gespürt hast, also, wenn du sagst, du hast dich gefragt, "wer ist der Mensch dahinter?" und bist durch das Tape dem ein bisschen näher gekommen, dann freut mich das auf jeden Fall.

Hattest du dieses Ziel schon mit der Beatauswahl?

Ja, ich habe mich vorher viel mit TBL aus Hannover und einigen anderen Beatproduzenten unterhalten, die jetzt auch auf meinem Tape aufgetreten sind. Aber ich dachte von vornherein, da müsste sich irgendwas ändern, ich habe mich mit einem neuen Produzenten zusammengetan, mein Manager hat mich mit Escolate Beats connectet. Und der hat früher auch mal gerappt, ist jetzt nur noch Produzent, aber das hat sich richtig gut zusammengefügt. Das erste Mal, dass ich beim Prozess des Produzierens mitwirken konnte. Ich bin dann wirklich da gesessen und habe bei jedem Instrumental mitentschieden, gesagt, was sich geil anhört, gewerkelt, vielleicht selber auch mal geklimpert. Das war ein ganz neuer Prozess, ein Tape zu machen, das hat mir Spaß gemacht!

Also wusstest du von vornherein, welche Sounds und Gefühle du haben wolltest?

Genau! Auch, welche Instrumente oder welche Vibes mir gefallen. Das hat sich einfach super gefügt, muss man sagen und das ist auch der Grund, warum das Tape so emotional geworden ist. Ich habe mich mit ihm getroffen und es hat sofort gefunkt, innerhalb von drei oder vier Wochen haben wir das ganze Tape und noch mehr geschrieben. Und die ersten zehn Songs waren fast alle so. Ich musste anscheinend erstmal was abladen.

Merkt man. Früher wirkte das eher, als schicken dir Leute, die dich cool finden, Beats. Jetzt wirkte das doch kollaborativer.

Genau! Mir war schon wichtig, dass der Sound klassisch-cool bleibt, aber ich wollte da eine neue Essenz reinbringen.

"Bonn hat einfach einen Riesen-Charakter!"

Ich find's immer interessant, wie Leute BoomBap machen. Oft habe ich das Gefühl, dass Leute gar nicht juckt, was für eine Stimmung oder ein Gefühl sie drinhaben, solange es indeed oldschool klingt. Aber die Frage, wie man sich diesen klassischen Sound zu eigen machen, fehlt oft, dass es mehr sagt als "ich mag alten Rap".

Man sieht das schon manchmal, dass Leute so ein bisschen stagnieren, so in einer gewissen Ära feststecken von Rap und Hip Hop. Viele stagnieren in so einer BoomBap-Phase. Das ist dann eine Position, in der man sich leicht wohlfühlt, und ich nehme mich da gar nicht raus gerade, es hat auch eine Weile gedauert, bis ich mental in der Lage war zu sagen: Guck mal, da ist ein Trap-Beat, das geht auch voll klar. Nicht, dass ich jetzt morgen Trap raushaue, aber man muss doch offen dafür bleiben, was so passiert - und viele sind da stehen geblieben.

Auch, wenn du das Klassisch-Cool so bald vermutlich nicht verlässt, hast du schon andere musikalische Ideen, dich in Zukunft weiterzubewegen?

Ja, ja, ja. Ich habe, wie gesagt, in den ersten Wochen mit Escolade erst mal Luft ablassen müssen. Und jetzt, wo wir weiter arbeiten, merke ich auch, dass ich anscheinend völlig frei bin in Gedanken. Ich picke willkürlich Beats, demletzt habe ich etwas gepickt, das war auf ein Sample mit so richtig klassisch-smoothem Achtziger-Gesang. Aber ich mach da völlig mein eigenes Ding draus. Mir persönlich wäre es vielleicht auch wichtig, dass ich mal ein bisschen mehr Gesang reinbringe, vielleicht traue ich mich auch mal, einen Song nur zu singen.

Ich habe mich mit Ulysse getroffen und mache vielleicht den Schritt, ein bisschen mehr auf französisch zu machen. Wir haben auch sofort einen Song zusammen produziert und alleine seine Anwesenheit hat mich inspiriert, mehr französisch zu rappen in dem Part. Also, ich strebe schon an, mein Können noch besser zu machen. Und vom Sound her? Ich will ja von meinen Fans auch niemanden enttäuschen, aber solange es guter Hip Hop ist, denke ich, kann man ja schon mal ein wenig über den BoomBap-Teller hinausschauen. Heißt nicht, dass ich jetzt morgen einen Drill-Song herausbringen werde, dafür muss man ja auch die richtige Stimme und die richtigen Inhalte haben. Aber ich denke schon, dass es ein bisschen schneller werden könnte. Wir spielen ja auch ab und zu im Studio mit Drum'n'Bass oder Dub-Rhythmen.

Ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass Dub und jamaikanische Musik generell ab und zu in den Nuancen auf dem Tape durchgekommen ist, kann das sein?

Ja, genau, back to the roots! Ne, find ich cool, so ein bisschen in Richtung Dub, Reggae, das kann man machen, ich lasse mich da auf alles ein, was ich Bock habe und mache mir keine Grenzen mehr.

Apropos roots: Das Tape heißt "Bonnanza", das ist jetzt schon der zweite Name mit "Bonn" in deiner Diskographie. Hat Bonn eine musikalische Identität?

Bonn hat einfach einen Riesen-Charakter. Ein richtig cooles Beispiel: Es gibt eine Menge Bonner Rapper, die auch schon herumgekommen sind, die haben sich durch ganz Deutschland verteilt, da kann man sich dann auch schon mal in Hamburg bei Hamilton auf der Premiere treffen. Und man trifft sich und geht in eine bestimmte Ecke, um ein bisschen weg von den Leuten zu kommen und auf einmal trifft man dann da zwei andere Bonner Rapper, die auch eingeladen worden sind. Es gibt typische Bonner Manieren, ein bisschen back to basic. Es ist ein gewisser Charakter, den wir Bonner haben!

Kannst du das erklären?

Immer hungrig!

Immer am hustlen?

Ja, das muss man eigentlich sagen. Ja! Wie soll man sagen? Immer unterwegs, immer in Bewegung. Ein richtiger Bonner ist nicht ständig in Bonn, aber er kommt immer wieder zurück. Ich kenne super-viele, die sagen, sie ziehen jetzt nach Berlin, aber am Ende kommen sie doch wieder zurück. Am Ende verbinde ich einfach viel mit der Stadt. Es gibt keinen anderen Ort auf der Welt, den ich so sehr mein Zuhause nennen kann, es gibt keinen anderen Ort, an dem ich so viel Zeit verbracht habe.

Es ist aber auch schön, wenn man durch die Stadt läuft und die Leute kennt.

Zu sagen: "Ich kenn die Bäckerei-Dame!". So ein Typ bin ich!

Spielt Heimat auf deinem Tape gerade denn eine Rolle?

Nein, eigentlich nicht wirklich. Ich habe die EP so genannt, weil ich auch back to basic gehen wollte, meine erste EP hieß ja auch "Bonnität", dann habe ich "Tape" herausgebracht, dann das Album "3,14" - und jetzt war es an der Zeit, nochmal Bonn in den Titel zu nehmen. Aber an sich: Bonn hat schon coole Rapper mittlerweile, mehr als ich gedacht habe. Aber na ja, Bonn hat eben viele Patrioten, auch. Angefangen mit dem Baba aller Babas, SSIO, Suga, Samy.

"Mach Platz ist eine Gang, ein Movement, die Crew, das Label, die Befehlsform."

Eine Kleinigkeit, an der ich Konzept-mäßig ein bisschen hängen geblieben bin, das war dieses 20-sekündige Intro. Was hat es damit auf sich?

Okay, ich sag' dir ehrlich. Guck mal, wir sitzen im Studio, sind am diskutieren, sind am philosophieren, wir sitzen da und klimpern und singen und rappen vor uns hin. Da entstehen Sachen, die würde ich persönlich nie so raushauen, aber das sind wahre Hits! Einmal saßen wir am Ende vom Tag da und dachten, das Ding bräuchte eigentlich noch einen Intro, weil die Songs alle schon standen, da hatten wir den Namen auch schon. Und dann kam der Producer und sagte: Wäre doch richtig cool, wenn wir dieses Wild-Wild-West-Ding musikalisch auch so umsetzen. Ist ja auch Nordrhein-Westfalen hier, deswegen sind wir auf dieses Intro gekommen. Sollen die Leute sich vorstellen, du kommst auf dem Pferd eingeritten, und dann fängt die EP an.

So ein bisschen filmisch.

Genau, filmisch. Im Sinne: Wir fangen an, der "Bonnanza"-Film beginnt und wir reiten jetzt ein. Gar nicht zu krass durchdacht. Ist auch selbst eingespielt! Ich fand's cool und habe das einfach so gelassen. Ich mag aber auch Interludes einfach, so auch von damals in den Neunzigern, denk an TLC, dieser eine Interlude, da waren Hits dabei, die gingen sonst wohin. Da ist doch der eine dabei, wo sie rumstöhnt, aber am Ende ist sie nur auf der Toilette. Manchmal will man den Leuten auch ein bisschen das Gefühl geben, zu fragen: "Okay, was war das?"

Du sagst auf dem Tape "Mach Platz ist ein Movement". Was ist damit gemeint? Du trägst ja auch den Pulli gerade.

"Mach Platz" war für mich recht schnell der Begriff den ich für mich gefunden habe als ich sagte, dass ich Hip Hop mache. Ich will mir Platz verschaffen. Natürlich, ich hatte meinen Rappernamen für mich, aber ich wollte noch etwas anderes, was danebensteht und eine Befehlsform hat.

Und ein gutes Adlib ist.

Ja, genau! Das ist eine Befehlsform, mach mir jetzt Platz! Und das hat sich dann auch manifestiert, dass ich das natürlich auch mit meinem Instagram-Namen verknüpft und irgendwann habe ich gemerkt: Es ist nicht nur die Befehlsform, weil ich mache nicht nur Platz für mich. So viele Leute sagen, dass sie das, was ich mache, empowernd finden. Ich mache also scheinbar Platz für eine Menge Leute. Für mehr, als ich gedacht hätte.

Das beste Empowerment ist ja oft auch, wenn es gar nicht plant, welches zu sein, sondern die Tür eben auftritt und offen zurücklässt.

Das habe ich von so vielen Fans zurückbekommen, die mir schreiben: Der oder der Song hat mich voll empowert. Das hat mir einen ganz anderen Blickwinkel auf die und die Situation gegeben und seitdem gehe ich anders damit um. Und da habe ich gemerkt. Mach Platz ist ein Movement! Ich versuche halt auch, den Leuten, mit denen ich unterwegs bin, Möglichkeiten zu verschaffen. Ich habe mir viel erarbeitet, aber ich hatte auch viel Schicksal. Trotzdem möchte ich Platz schaffen für Leute, die ihren Platz verdient haben. Dementsprechend: Mach Platz ist eine Gang, ein Movement, die Crew, das Label, die Befehlsform.

Eine Frage hab' ich zum Abschluss noch: Gibt es hypothetisch einen Punkt, an dem Die P genug gehustlet hat?

Ich hoffe nicht (lacht). Ich glaube, der Hustle hält mich wach. Ich find das ganz cool, dass ich auch in meiner Karriere bisher viele Sachen nicht direkt bekommen habe. Dass die Dinge gebraucht haben. Vor zwei Jahren habe ich mich ständig gefragt, warum ich das und das nicht habe, aber jetzt verstehe ich es und dass es gut war. Ich denke mir so - ich möchte noch was erreichen, das habe ich noch nicht gemacht, das habe ich noch nicht gesehen, da bin ich noch nicht angekommen. Das treibt mich an.

Man will ja auch hungrig bleiben.

Klar, eben! Wenn du mich fragst, ob es eine Die P gibt, die jemals genug gehustlet hat, dann hoffe ich, dass das Gefühl später immer noch so ist, dass ich Bock habe, was zu machen. Noch nicht angekommen bin. Aber wäre schon cool, wenn ich irgendwann mal sorglos wäre.

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Die P

"Wenn ich komme, machst du Platz." Die P bittet nicht um Raum im kraftstrotzenden Rap-Kosmos, sie nimmt ihn sich einfach. Ihr Debütsingle "Mach Platz" …

Noch keine Kommentare