laut.de-Biographie
Dis Fig
Vom Jazz zum dunklen, noisig-verzerrten Klangdestillat ist es ein weiter Weg. Dis Fig hat ihn beschritten, ohne sich dabei zu verbiegen, ohne dabei ihre künstlerischen Ideale zu verraten. Freilich sattelte Felicia Chen, so Dis Figs bürgerlicher Name, um, musste erkennen, dass ihr ursprünglicher Traum, als Jazzsängerin zu reüssieren, nicht zu verwirklichen war. Schlichtweg zu teuer war das entsprechende Studium in Miami für die US-Amerikanerin.
Gewissermaßen hat Chen den zweiten Bildungsweg beschritten, allerdings ohne die despektierlichen Implikationen, die diese Formulierung gemeinhin begleiten. Dieser führte sie nach Berlin, wo es sich auch heutzutage noch günstiger lebt als in New York. An der amerikanischen Ostküste hatte sie drei Jobs, arbeitete sieben Tage die Woche – kein guter Nährboden für kreative Ambitionen.
Einmal in Berlin angekommen, fasst sie dort schnell Fuß in der elektronischen Musik und der ihr zugehörigen Szene. Statt Jazz findet nun abseitige, experimentelle Musik ihren Weg in Chens DJ-Sets. Diese weichen vom handelsüblichen Four-To-The-Floor im Club deutlich ab, sind nach konventionellen Maßstäben nur teilweise tanzbar. Den Hauptstädtern gefällt's dennoch, dem Expat-Publikum vielleicht noch eine Spur mehr.
Langsam findet Chen daraufhin wieder Gefallen am und Mut zum Produzieren. Anfangs entstehen clever zusammengeschusterte Bootleg-Versionen, die etwa Gangster Rap und Industrial fusionieren. Anfang 2019 erscheint mit "Purge" ihr erstes richtiges Album, das die Presse euphorisch aufnimmt. Noise-Kaskaden, Chens drückender Gesang und mächtige Effektwalzen überzeugen auf ganzer Linie.
Etwas über ein Jahr später stellt Producing-Koryphäe The Bug fest, dass er auf dem Rechner düster grollende Skizzen herumliegen hat, die eine Stimme gut vertragen könnten. Mit Chen, die in den Monaten davor mit grandiosen Live-Auftritten auf sich aufmerksam machte, findet er die perfekte Vokalistin für seine Abgründe aus Dub, Bass Music und Techno.
Der Jazzgesang tritt auf dem genialen "In Blue" am deutlichsten zurück in Dis Figs künstlerische Laufbahn. Ihre rauchigen, gehauchten, teils wehklagenden Gesangsparts kommen damit, so verzweifelt sie auch klingen mögen, einem späten Triumph gleich.
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