3. September 2015
"Ein Kommentar kann die ganze Platte ruinieren"
Interview geführt von Simon LangemannFoals im Sommer 2015 - die Glückseligkeit rund um das zwei Jahre zurückliegende "Holy Fire" ist allmählich verarbeitet, und so drängt sich die Frage auf: In welche Richtung soll es nach diesem Über-Album bloß weitergehen? "What Went Down" hält eine schlichte Antwort parat: in alle. Der vierte Foals-Langspieler vereint die aggressivsten mit den poppigsten Momenten der Bandgeschichte, ohne dabei jemals Gefahr zu laufen, in seine Einzelteile zu zerfallen.
Yannis Philippakis macht Kippenpause, Jimmy Smith knipst seine Polaroidkameras voll. Das kleine Berlin-Office von Warner Music, in dem die beiden ihren Promotag bestreiten, gleicht einer schlichten Altbau-WG. Helden der Labelgeschichte schmücken die Interviewlounge. Pop-Ikonen, Jazz-Legenden – und ein EDM-DJ. Ist David Guetta der Miles Davis unserer Generation? Hoffentlich nicht, ist man sich einig.
Wie gehts euch? Und wie gefällt euch Berlin?
Yannis: Sehr gut. Wir waren gestern im Club.
Jimmy: In der Renate. Amazing! Unser Freund ist DJ.
Euer Album steht an. Überwiegt die Vorfreude oder die Nervosität?
Jimmy: Die Vorfreude! Nervös sind wir nicht. Wir wollen nur, dass die Leute es endlich hören.
Yannis: Wir lieben diese Platte sehr und sind einfach gespannt, ob alle anderen das auch tun.
Habt ihr in UK bereits Interviews gegeben und Feedback bekommen?
Yannis: Tatsächlich noch nicht so viel. Eher in Frankreich.
Und, wie fanden es die Journalisten?
Yannis: Keine Ahnung. Ich hab nicht zugehört. (lacht)
Ihr seid gerade auf Promoreise. Welche Rolle spielt da Deutschland als weltweit drittgrößter Musikmarkt?
Yannis: Wir denken nicht so viel an Märkte, sondern eher daran, hier weiterhin Shows spielen zu können. Wir hatten hier immer tolle Konzerte. Ich würde sogar sagen, dass wir in Deutschland ein paar unserer besten Shows aller Zeiten hatten. Also wollen wir hier auch weiterhin genügend Menschen erreichen.
Auf all die riesigen Erwartungen an die neue Platte gab die erste Single "What Went Down" eine beeindruckende Antwort. Wieso habt ihr euch dafür entschieden, ausgerechnet mit diesem aggressiven Monster rauszugehen?
Yannis: Vor allem, um die Leute zu schocken. Wir wollten ein Fragezeichen setzen. Und ein Ausrufezeichen. Alles in einem Musikstück.
Man könnte es aber durchaus als irreführend interpretieren, oder?
Yannis: Ja, das stimmt.
Jimmy: Schon. Wir dachten bei der Auswahl vor allem daran, was die spannendste Lösung wäre.
Yannis: Außerdem habe ich das Gefühl, dass alle Leute, die uns kennen, sowieso das Unerwartete erwarten. Sie erwarten nicht, das Album mit einem Song bewerten zu können. "Spanish Sahara" war kein Indikator dafür, wie "Total Life Forever" klingen würde. "Inhaler" war kein Indikator dafür, wie "Holy Fire" klingen würde. Wie Jimmy gesagt hat: "What Went Down" war einfach der spannendste Weg, um zu starten.
Ich habe auch Stimmen von alten Foals-Fans gehört, die vom unmelodischen Style durchaus enttäuscht waren. Vielleicht wird das Album für diejenigen eine positive Überraschung.
Yannis: Das denke ich eben auch.
Jimmy: Ja, ich fürchte nicht, dass die Fans das Album nicht mögen werden.
Yannis: Das ist das tatsächlich ein wenig irritierend in dieser Promophase: Es gibt Leute, die ihr Urteil oder zumindest ihre Erwartungen an das Album an einem Song festmachen. Ich kann verstehen, dass man sich als Fan der älteren Sachen über ein Stück wie "What Went Down" erst mal nicht unbedingt freut. Aber es gibt andere Songs wie "Birch Tree", "Night Swimmers" oder "Albatross" – die Sachen werden diese Leute mögen. Sie müssen nur warten.
Im Gegenzug sind wahrscheinlich ein paar Stoner-Fans enttäuscht, die sich jetzt ein noch härteres Foals-Album erhofft hatten. Aber so läuft es eben.
Jimmy: Eben. Man kann es halt nicht jedem recht machen. Fuck it.
Das muss euch mittlerweile ja auch nicht mehr interessieren.
Yannis: Das tut es schon. Wir wünschen uns durchaus, dass den Leuten die Platte gefällt. Aber wir sprechen ja jetzt von denjenigen, die ein Album bewerten, nachdem sie einen Song gehört haben. Die sollen erst mal die ganze Platte abwarten. Wenn sie dann enttäuscht sind, ist das eine ganz neue Diskussion. Aber erst mal müssen sie alles hören. Wir nehmen in erster Linie Alben auf. Wir sind keine Singles-Band. Und wir wünschen uns, dass die Leute das auch so wahrnehmen, schließlich ist jeder Song gleich wichtig.
Ihr seid auch nicht die typischen Hit-Maschinen. Klar, da war "My Number", aber ich hatte bei der neuen Platte generell den Eindruck, dass ihr nicht versucht habt, einen weiteren Hit zu schreiben.
Jimmy: An dem Punkt würde es auch nicht mehr nach uns klingen. Wir wären nicht glücklich damit und würden den Song wahrscheinlich nicht aufs Album packen.
Yannis: Wir müssen schon intuitiv merken, dass sich etwas richtig anfühlt.
Bei eurem neuen Album führte das zu einer überraschenden Diversität. Die Kontraste zwischen den aggressiven und den stillen Momenten wirken schon deutlicher als noch auf "Holy Fire".
Yannis: Ja. Wir finden das spannend. Wir wollten nicht, dass die Platte ein Ding wird - sondern alles. Außerdem vertrauen wir mittlerweile so sehr auf unser Songwriting, dass ein Foals-Song nicht mehr unbedingt diesen Signature-Gitarrensound braucht. Klar gibt es den immer noch, aber Vocals und ein Piano oder fuzzy Gitarren reichen manchmal auch aus, damit der Song nach uns klingt.
Und wovon geht das Songwriting aus?
Jimmy: Das ist unterschiedlich. Manchmal ist es nur Yannis und ein Loop-Pedal. Manchmal ist es Yannis mit mir am Klavier. Manchmal ist es die komplette Band in einem Raum.
Yannis: Jammin'!
"Keine Band würde zu diesem Studio Nein sagen. Es sei denn sie hasst sich selbst."
Es gibt da draußen vermutlich eine Menge Leute, die "Holy Fire" für nicht zu toppen halten.
Yannis: Tja, sie liegen falsch. (lacht)
Es ist immer noch schwer vorstellbar, sich von dieser Erwartungshaltung nicht unter Druck setzen zu lassen. Geht das weiterhin spurlos an euch vorbei?
Yannis: Ja, es ist mir wirklich scheißegal. Ich meine: Wo kommt dieser Druck her? Da geht es nur um kommerzielle Dinge. Die Spannung innerhalb der Band ist aber größer als all die Kräfte von außerhalb. Weil es uns sehr wichtig ist, was wir tun. In erster Linie wollen wir eine großartige Platte aufnehmen. Eine Platte, die besser ist, als alles vorherige. Eine Platte, die überrascht. Unsere Standards sind höher als das, was die Leute wollen. Sie sind hoch genug, um etwas Großes zu schaffen, ohne die Erwartungen von außerhalb zu berücksichtigen.
Warum habt ihr Oxford für die Produktion den Rücken gekehrt und die Platte in Frankreich aufgenommen?
Yannis: Na ja, wir haben es immer noch in Oxford geschrieben. Im selben Raum, in dem wir auch "Holy Fire" und "Total Life Forever" geschrieben haben. Der ist ungefähr halb so groß wie diese Lounge hier. Ein winziger, stickiger Raum. Dann wollten wir aber mal raus aus England. Und Frankreich war der beste Ort dafür.
Jimmy: Dann haben wir das Label gefragt, und sie sagten: okay, cool.
Aber warum nicht gleich eine karibische Insel?
Yannis: Weil wir nicht auf Happy Mondays machen wollten. Noch nicht.
Jimmy: (lacht) Beim nächsten Mal dann.
Yannis: Nee, das Studio [La Fabrique, d.Red.] ist einfach großartig und bietet genau den Platz, den wir benötigen.
Im letzten Interview habt ihr davon erzählt, entgegen der Ideen eures Labels auf ein High-End-Studio zu verzichten. Konntet ihr auch diesmal widerstehen?
Jimmy: Ja, schon. Das eigentliche Studio war immer noch ziemlich bodenständig. Da stand kein wahnsinnig teures Equipment rum.
Yannis: In der Hinsicht hat sich nichts geändert. Es waren eher die Räume und ihre tolle akustischen Voraussetzungen: alles aus Stein.
Jimmy: Wenn du in einer Band spielst, dieses Studio siehst, und man dir sagt: Hier kannst du zwei Monate verbringen und deine Platte aufnehmen - ich bezweifle, dass irgendeine Band da ablehnen würde. Es sei denn sie hasst sich selbst. (lacht)
Yannis: Das eigentliche Songwriting findet in einem sehr strengen Rahmen statt. Es gibt keinen Platz. Wenn wir es auf diese Art und Weise schreiben, fühlen wir uns anschließend danach, es aus diesem Kontext herauszunehmen. Das war beim letzten Mal auch so. "Holy Fire" haben wir in London aufgenommen, somit ist alles beim Alten.
Der Umgebung eures Arbeitsprozesses rechnet ihr also durchaus eine große Rolle zu.
Yannis: Ja, beim Schreiben in Oxford definitiv.
Jimmy: Das ist eben das Gegenteil von La Fabrique in Frankreich. Ein kleiner, leerer Raum, in dem alles furchtbar klingt.
Yannis: Wenn darin etwas gut klingt, dann weißt du, dass es gut sein muss. Weil ansonsten alles beschissen klingt.
Habt ihr euch diesmal eigentlich etwas mehr Zeit genommen?
Yannis: Im Gegenteil – viel weniger sogar. Das ging sehr schnell.
Jimmy: Ja, das fühlte sich sehr tight an. Es ist irgendwie so passiert.
Yannis: Unsere letzte Show haben wir im September des letzten Jahres gespielt. Zwei Wochen später haben wir angefangen zu schreiben. Das ging dann bis Februar. Und von da an waren wir bis April im Studio. Das ging schon schnell für eine Band wie uns.
Welchen Einfluss hatte dabei Produzent James Ford?
Jimmy: Einen großen. Er ist ein No-Bullshit-Guy. Zwar ist er auf verschiedene Art und Weise ein sehr großer Produzent. Er könnte ein riesiges Ego haben und ein furchtbarer Typ sein. Stattdessen gibt er keinen Scheiß darauf. Er liebt es, große Platten aufzunehmen, und ist in erster Linie Musiker. Er teilt also unsere Vision, bringt aber die Reife und Erfahrung mit, um eine Platte weg von den Felsen zu lenken. Das hat super geklappt.
Spielt ihr hauptsächlich live ein oder basiert alles auf Overdubs?
Jimmy: Hauptsächlich live, aber ein paar Overdubs kommen schon noch dazu. Ein wenig von beidem.
"Nicht mal unser Management hört die Platte bevor sie fertig ist"
Auf welche Art und Weise kommuniziert ihr währenddessen mit der Plattenfirma?
Jimmy: Gar nicht.
Yannis: Nie! Du kannst sie fragen. Außer uns fünf und dem Produzenten hört tatsächlich niemand eine einzige Note bevor es fertig ist. Auch niemand vom Management. Kein bisschen.
Jimmy: Was sehr gut ist. Denn so bald du Leute in den Kreativprozess involvierst, kann ein einziger Kommentar bezüglich eines Songs theoretisch die komplette Platte ruinieren, weil er dich wahnsinnig macht. Es ist viel besser, am Ende zu sagen: Hier ist das Ding. Und jetzt geht und verkauft es.
Nach dem Mastering?
Jimmy: Nein, schon noch davor. Aber erst, wenn der kreative Prozess abgeschlossen ist, damit sie es nicht mehr kaputtmachen können.
Welche Rolle spielt für euch eigentlich Synchronisation? Gebt ihr Songs für Filme und Werbung frei?
Yannis: Es kommt immer drauf an. Wir lehnen viele Sachen ab, die sich zum Beispiel ethisch nicht gut anfühlen oder uns irgendwie nicht schmecken. Bei Filmen ist es aber schon denkbar. Allerdings werden wir gar nicht so viel gefragt. Ich weiß nicht, ob unsere Musik sich dafür so gut eignet.
Jimmy: Das nervt mich in der Tat. Denn ich finde schon, dass sie sehr synch-tauglich wäre, gerade für Filme. Aber das einzige, was wir bisher bekommen haben, war ein beschissener, dummer Ben Affleck-Film.
Yannis: Ja, ich weiß auch nicht. Diese Sachen sind eher zweitranging. Wir fokussieren uns komplett auf die Platte und aufs Livespielen. Und dann gibt es andere Sachen, die eben passieren oder nicht.
Welches waren für euch die wichtigsten Platten der letzten Jahre? Und hatten sie einen Einfluss auf euer Album?
Yannis: Wahrschenlich eher nicht. Außer vielleicht Majical Cloudz, denen ich sehr verfallen bin. Ich finde es großartig, wie sehr der Blickpunkt dort auf den Lyrics liegt. Das hat mich ermutigt, noch härter an den Texten zu arbeiten.
Jimmy: Ich habe "Salad Days" von Mac DeMarco viel gehört. Ich liebe diese ganzen Synthies. Bedenkt man, was ich sonst so für Musik höre, sollte ich mit der Platte eigentlich nichts anfangen können. Und so war es am Anfang auch. Aber das hat sich geändert.
Und welches waren bisher eure Favoriten in 2015?
Yannis: Das Kendrick Lamar-Album ist großartig.
Jimmy: Ich mag die Sufjan Stevens-Platte sehr gerne.
Yannis: Young Fathers - "White Men Are Black Men Too".
Apple Music ging gerade an den Start. Habt ihr euch mal Gedanken darüber gemacht, eure Musik den Streamingdiensten vorzuenthalten?
Jimmy: Ach, das wäre irgendwie auch dumm. Ich weiß auch gar nicht, ob wir das könnten. Wir geben unser Master ans Majorlabel und haben es dann nicht mehr in der Hand. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Ja, Bands verdienen dadurch weniger Geld. Andererseits erreicht ihre Musik ein viel größeres Publikum. Für uns ist es so: Wir machen eine Platte, die wir wirklich lieben, und gehen damit auf Tour. So lange immer mehr Leute zu unseren Konzerten kommen, können wir uns nicht wirklich beschweren.
1 Kommentar
Musik für pupertierende Mittelschicht-Schluffis.