laut.de-Biographie
Freddy Quinn
Der Weg vom geborenen Wiener zum typischen Hamburger Jung, einem einsamen Seebären mit Gitarre, ist ein verschlungener. Freddy Quinn ist ihn gegangen und blickt mittlerweile auf eine Jahrzehnte währende Show-Karriere zurück. Allerdings standen die Sterne nicht immer günstig:
An sich ist eine Geburt ein freudiger Anlass. Für eine unverheiratete junge Frau im September 1931 gestalten sich die Dinge aber weit schwieriger, wie Fräulein Niedl, aus Wien stammende Volontärin beim Hamburger Fremdenblatt, am eigenen Leib erfahren muss. In der Nachbarschaft rümpft man die Nase, als sie schwanger aus Hamburg heimkehrt; Mutter und Kind ziehen sich zunächst ins familieneigene Ferienhaus in Niederösterreich zurück. Franz Eugen Helmut Manfred heißt der Spross; viel zu lang für einen kleinen Jungen. Bei Freddy soll es bleiben. Den Vater ihres Sohnes, einen irischen Kaufmann, ehelicht Freddys Mutter erst drei Jahre später, was sich nicht als die beste Idee erweist: Bereits kurz nach der Hochzeit setzt sich der Vater unter dem Vorwand einer Urlaubsreise in die USA ab. Freddy ist mit dabei, erlebt seine frühe Kindheit und seine Einschulung in Morgantown, West Virginia. Er lernt Trompete spielen, Englisch wird für ihn zur zweiten Muttersprache.
Die Mutter in Wien ist damit nicht einverstanden. Sie prozessiert und gewinnt: 1938 wird ihr das Sorgerecht zugesprochen. Freddy, gerade eben sieben Jahre alt, wird über den großen Teich zurück in die alte Heimat Wien verfrachtet. Hier sieht er sich mit dem zweiten Ehemann der Mutter, Baron Rudolf-Anatol Freiherr von Petz, konfrontiert. Das Verhältnis zwischen den beiden ist schlecht; Freddy unterstellt seiner Mutter zeitlebens, sie sei diese Ehe mit einem 36 Jahre älteren Mann nur des Geldes wegen eingegangen. Gegen die Adoption ist Freddy machtlos; fortan heißt er Manfred von Petz. Den Namen des ungeliebten Stiefvaters wieder los zu werden, erweist sich später als überaus schwieriger Verwaltungsakt. 15 Jahre benötigt Freddy, bis er auch offiziell berechtigt ist, den Namen seines biologischen Vaters, Quinn, tragen zu dürfen.
Der herrschende Weltkrieg erfordert harte Maßnahmen: Freddy gerät via Kinderlandverschickung nach Ungarn, wo er das Kriegsende erlebt. Auf der Flucht vor der Roten Armee trifft er, gemeinsam mit etlichen anderen, bei Pilsen auf amerikanische Streitkräfte. Frechheit siegt: Sein fließendes Englisch ermöglicht dem 14jährigen - der nichts lieber möchte, als zu seinem Vater in die USA zurück zu kehren - sich den GIs als Amerikaner zu verkaufen. Im Mai 1945 wird er mit einem Militärtransport über Paris und Antwerpen in die Staaten geschippert. Das Abenteuer endet in einem Flüchtlingscamp, Ellis Island. Hier erfährt Freddy, dass sein Vater bereits 1943 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Der Junge wird postwendend mit dem nächsten Schiff zurück nach Europa geschickt. In Antwerpen verbringt er, da es Schwierigkeiten mit seinen Papieren gibt, ein ganzes Jahr in einem Heim für Schwererziehbare; als die Reise weiter nach Wien führt, spricht er zusätzlich Flämisch, Französisch und Holländisch. Später lernt er, fünf Sprachen sind schließlich nicht genug, Spanisch, Italienisch und Finnisch; singen kann er in zwölf verschiedenen Sprachen.
Zurück in Wien besucht Freddy ein humanistisches Gymnasium, von dem er in kürzester Zeit wieder fliegt; der anschließende Besuch des Albert-Gymnasiums gestaltet sich ebenfalls schwierig, da Freddy es vorzieht, sich in den Ami-Clubs der Stadt herumzutreiben, um dort (gegen Zigaretten, die auf dem Schwarzmarkt äußerst nützlich sind) auf dem Klavier zu klimpern. Als er von einem kleinen Wanderzirkus erfährt, der einen Saxophonisten sucht, gibt es kein Halten: Freddy besorgt sich ein Saxophon, bringt sich innerhalb von einer Woche mehr schlecht als recht zwei Stücke bei, und ist auf und davon. Er wird Kapellmeister des Zirkusses. Will meinen: Ihm obliegen Auf- und Abbau und etliche andere Drecksarbeiten, und er musiziert gemeinsam mit einem Akkordeon spielenden Partner. Für eine Uniform fehlt das Geld, also wird er mit einem Laken und einem Band um die Stirn kurzerhand als "arabischer Saxophonist und Orchesterleiter" verkauft. Rückblickend würdigt Freddy diese harte Schule; er habe hier Disziplin und Respekt vor dem Publikum erlernt, berichtet er im Gespräch mit der Zeit.
Der Spaß findet ein jähes Ende, als Freddy -immer noch minderjährig - erfährt, dass sein Stiefvater ihn polizeilich suchen lässt. Eine überstürzte Flucht führt ihn per Anhalter (Auto oder Schiff, wie es gerade kommt) über Rom, und Tunis ins algerische Sidi-bel-Abbes, einem Tummelplatz für Fremdenlegionäre. Er verdient sich seinen Lebensunterhalt mit Gitarrespiel in verschiedenen Bars, bis er sich in den Kopf setzt, sich selbst unter den Söldnern einzureihen. Nach drei Wochen der Grundausbildung gibt er allerdings auf; dass er anstandslos seine Papiere zurück erhält, dürfte in der Geschichte der Fremdenlegion auch einen relativ einmaligen Fall darstellen. Mittlerweile 19-jährig trampt er nach Casablanca, wo er sich das Geld für die Überfahrt nach Marseille zusammen spart. Mit Zwischenstationen in Paris und Rotterdam landet er 1951 in Hamburg, der Stadt, in der er gezeugt wurde, und die das Sprungbrett für seine Musikerkarriere bilden soll.
Freddy Quinns Triumphzug nimmt in der Washington-Bar auf St. Pauli seinen Anfang. Hier singt er zur Gitarre, hier entdecken ihn 1954 Jürgen Roland und Werner Becker, die als Talentsucher für Polydor unterwegs sind. Sein erster Vertrag umfasst eine kostenlose Gesangsausbildung sowie eine garantierte Gage von 240 DM pro Lied, das den Weg auf eine Schallplatte findet. Am 22. Februar 1956 spielt Freddy in der Hamburger Musikhalle "Heimweh" ein. Der Titel hält sich 38 Wochen in den Charts und beschert Freddy seine erste Goldene Schallplatte; mehr als 1000 weitere Lieder und über 60 Millionen verkaufte Tonträger folgen. In den Jahren 1956 bis 1966 landet Freddy (seinen Nachnamen benutzt er kaum) zehn Nummer-1-Hits. Mit insgesamt 23 Platzierungen in den Top-10 wird er erfolgreichster deutscher Interpret dieser Zeit. 1954 wird Freddy wegen seiner Verdienste um das deutsche Liedgut mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Seine Lieder von Fernweh und Sehnsucht, häufig komponiert von Lotar Olias, treffen den Nerv der Zeit; Polydor erkennt das und pflegt Freddys Image als melancholischer Seemann. Die beiden in Nashville eingespielten Country-Alben fallen völlig unter den Tisch; an einer internationalen Karriere ihres Schützlings zeigt die Plattenfirma kein Interesse, wohl, wie Freddy viele Jahre später vermutet, aus Furcht, er könne ihnen in Erfolgsfalle abtrünnig werden.
Diese Haltung erklärt den absurden Fall von "Spanish Eyes". Die Nummer, mit der Al Martino weltweiten Ruhm einheimst, war ursprünglich für Freddy Quinn vorgesehen. Bert Kämpfert, der zu diesem Zeitpunkt bei Decca unter Vertrag steht, schreibt Freddy das Stück auf den Leib. Nachdem Decca Desinteresse bekundet hat, handeln Kämpfert und Quinn auf eigene Faust: Sie bringen "Spanish Eyes", das sie in einem Studio in Miami eingespielt haben, bei Kapp Reords heraus. Freddy stellt den Song 1965 in der Johnny Carson-Show vor; wenig später findet sich der Titel in den US-Top-40 wieder. Was Polydor und Decca verständlicherweise gewaltig stinkt: Gemeinsam drohen die beiden Großen Kapp Records mit einer Klage. Kapp nimmt die Single daraufhin vom Markt. Drei Monate später nimmt Al Martino den Song auf - einschließlich der Textfehler, die Freddy unterlaufen sind.
"Heimweh", sein erster Erfolg, ist Freddy auch nach Jahren noch das liebste Stück: Abseits vom später dominierenden Seemanns-Klischee erzählt es vom "brenned heißen Wüstensand" und damit von persönlichen Erfahrungen aus Freddys bewegter Laufbahn. Neben "Heimweh" und "Spanish Eyes" verdient "Wir" von 1966 besondere Erwähnung. Als vermutlich einziger deutscher Song wendet er sich gegen die aufkommende Jugendbewegung. "Wir" findet sich auf der B-Seite von "Für Eine Handvoll Reis", das durchaus als Pro-Vietnam-Statement gedeutet werden kann. Beide Lieder tragen dazu bei, eine kontroverse Diskussion um den Künstler Freddy Quinn zu entfachen. Mehr als 30 Jahre später gibt Freddy an, beim Text von "Wir" starke Konzessionen an seine Plattenfirma gemacht zu haben; er selbst sehe sich im Grunde als Unterhaltungskünstler, es läge ihm fern, sein Publikum politisch beeinflussen zu wollen.
Nach 1966 wird es musikalisch etwas ruhiger um Freddy Quinn. Seine Energie, die er auf Tourneen, Gastspiele, Fernseh- und Filmauftritte verwendet, ist jedoch ungebrochen. 1981 absolviert er ein Konzert in der ausverkauften Carnegie Hall. Die Bezeichnung "Schlagerstar" hört Freddy gar nicht gern. "Ich bin ausgebildeter Sänger und Schauspieler." 1957 hat er in "Die Große Chance" seinen ersten Auftritt als Filmschauspieler. "Die Gitarre Und Das Meer" mit Freddy in der Hauptrolle wird 1959 als erfolgreichster Film des Jahres mit einem Bambi ausgezeichnet. Insgesamt gehen um die 20 Spielfilme auf Freddys Konto. Daneben betätigt er sich auf der Bühne: Seit "Heimweh Nach St. Pauli" (1962) ist er in verschiedenen Musicals und Operetten zu sehen und zu hören. Ab 1976 moderiert er eigene Fernsehshows. Neben Konzertsendungen und der TV-Serie "It's Countrytime", bei der Freddy internationale Stars wie Johnny Cash und Dave Dudley begrüßt, zeigt sich im Fernsehen seine nie erloschene Leidenschaft für den Zirkus: Artistencocktail, Manegen Der Welt und Zirkus, Zirkus fallen in seine Zuständigkeit. Bei Stars In Der Manege und Arena Der Sensationen macht er als Hochseilkünstler von sich reden, der auch bei Akrobatik in 18 Metern Höhe auf ein Netz verzichtet. Fürst Rainier von Monaco würdigt seine artistischen Leistungen (unter anderem als Löwendompteur) mit dem Zirkus-Oscar, 2001 erhält er die Ehrenmedaille der Artistik in Gold.
1993/94 (Freddy besitzt inzwischen 15 Goldene Schallplatten sowie 16 Goldene Löwen von Radio Luxemburg) verkörpert er bei den Karl-May-Festspielen den Sam Hawkins, im Oktober 1995 wird das Musical "Große Freiheit Nr. 7", aus dem Hits wie "La Paloma", "Aloa Ohe" und "Auf Der Reeperbahn, Nachts Um Halb Eins" stammen, wieder aufgelegt. Die Konzert-Tournee von 2002 trägt den treffenden Titel "Lieder, Die Das Leben Schrieb". Ein Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde fehlt noch: Den verschafft sich Freddy 2003. "La Paloma" wird zum "Jahrhundert-Hit der Deutschen" gewählt. Der Chor, der das Stück daraufhin intoniert, umfasst 83.500 Menschen.
Ein Jahr später stolpert Freddy Quinn über die Steuergesetzgebung: Offensichtlich ist den Behörden aufgefallen, dass Freddy sich dafür, dass er seinen Hauptwohnsitz in der Schweiz zu haben behauptet, erstaunlich oft in Hamburg aufhält. Vor Gericht zeigt er sich geständig und begleicht in vollem Umfang seine Steuerschulden: immerhin hinterzogene 900.000 Euro. Das wird ihm zu Gute gehalten: Das Urteil, das am 22. November 2004 ergeht, fällt mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe und einer Geldbuße von 150.000 Euro sehr milde aus. Freddys Liebe zu Hamburg tut diese Episode keinen Abbruch. Für ihn gilt nach wie vor: "In Hamburg, Da bin Ich Zu Haus".
1 Kommentar
ein wunderschönes lied und paloma singt Freddy am schönsten