laut.de-Biographie
Geeno
Ein deutscher Musiker, der auf Mallorca lebt und arbeitet: Wer da an Ballermann-Schlager und Bummsdisko-Sound denkt, hat es vermutlich noch nie mit Geeno zu tun bekommen. Ein Fehler - zumindest, wenn man ein Faible für authentischen Rap hegt.
Berührungsängste mit hessischem Zungenschlag sollte man allerdings nicht zeigen: Vor seinem Umzug nach Palma im Jahr 2013 lebt Geeno in Mainz. Albentitel wie "Soll Ich Der Mo In Die Fratz Bumbe!?" oder "Babbel Mich Net Druff" zeigen überdeutlich: Cihan Simsek hat keinerlei Probleme mit diesem Teil seiner Herkunft.
Warum auch? "Ich mach' Rap über mich", erklärt er im Interview mit Likestyle TV. "Über das, was ich sehe, über das was ich denke." Deswegen steckt für ihn auch keinerlei Logikbruch darin, dass sich seine Musik über die Jahre doch ziemlich verändert hat. Der Mensch dahinter ist ja auch nicht mehr der gleiche. Den Startschuss für eine Karriere, die ebenfalls nicht ohne Brüche auskommen soll, setzt Geeno 2004. Nachdem er sich an ersten Hip Hop-Tracks versucht hat, feuert er im Sommer das Video zu "Meine Zeit" in die Runde. In der Rhein-Main-Region nicken die Köpfe.
Geeno kommt mit Separate in Kontakt, der ihn in den Dunstkreis seines Labels Buckwheats Music zieht. Nicht der schlechteste Start, trägt er Geeno doch diverse Festivalauftritte, Featureparts und Beiträge auf Labelsamplern ein. Er arbeitet in dieser Zeit unter anderem mit Abroo, Prinz Pi und natürlich mit Separate.
Die Harmonie währt jedoch nicht allzu lange. Die viel strapazierten künstlerischen Differenzen tragen dazu bei, dass das für 2006 versprochene Album "Stadtkind" nie erscheint. Geeno trennt sich von Buckwheats (leicht möglich: Einen entsprechenden Vertrag hat er nie unterzeichnet.) und versucht sich fortan im Alleingang. Sein Album "Strassenhighsociety" verschenkt er 2007 an seine Fans. Zwei Jahre später legt er mit der ebenfalls zum Gratisdownload bereit gestellten LP "Neuer Tag" nach. Videos und weitere Festivalauftritte folgen. Nebenbei stürzt sich Geeno noch in ein Mediendesign-Studium (das er auch erfolgreich abschließt).
Um ihn und seine Mitstreiter Balkantic und Perplex formiert sich Le Bagage, ein Künstlerkollektiv, in dessen Reihen Rapper, Sänger und Produzenten genau so wirken wie Designer, Filmemacher und Tänzer. Die Crew, die keine sein will, bringt es mit "Morsmusik" und "Mission 2 Mors" immerhin auf zwei Veröffentlichungen. 2011 wandelt Geeno mit seiner EP "Evidenz" wieder auf Solopfaden. Zudem stellt er den Film "Beste Leben" fertig, für den er das Drehbuch geschrieben, Regie geführt und sich um die komplette Produktion gekümmert hat.
Der ganze Aktionismus bewahrt ihn allerdings nicht vor diversen persönlichen Problemen. "Nach Auftritten habe ich mich schlechter gefühlt als vorher. Obwohl ich viel gemacht, viel produziert und ständig viele Leute um mich herum hatte: Nichts hat mir mehr Kraft gegeben. Es war, als drehte ich mich im Kreis", blickt er auf seine depressiven Phasen zurück. "Ich brauchte frischen Wind, ein neues Abenteuer." Das findet er 2013 auf Mallorca. Plötzlich vor ganz andere Herausforderungen gestellt, bemerkt er: "Viele Hindernisse, die man sich so in den Weg legt, sind in Wirklichkeit gar nicht da."
Das zwischenmenschliche Klima auf Mallorca empfindet Geeno als wesentlich offener und positiver als die Dauernörgelei in seiner deutschen Heimat, wo er sich seines türkischen Namens wegen immer wieder mit Vorbehalten konfrontiert sah. Auf Mallorca sei er zwar auch ein Fremder, fühle sich aber deutlich weniger ausgegrenzt. Das wirkt sich auch auf die eigene Person aus: "Im Gegensatz zu früher habe ich heute eigentlich keine Vorurteile mehr. Wir sind alle so verschieden, so komplizierte Wesen in uns drinnen, dass ich doch niemals in fünf Minuten sagen könnte, was mit jemandem los ist."
Die neue Einstellung scheint Geeno bestens zu bekommen. Er verabschiedet sich von Erwartungshaltungen und macht fortan tatsächlich nur noch das, wonach ihm der Sinn steht. 2014 meldet er sich mit seiner "Palma EP" musikalisch auf der Bildfläche zurück und legt seitdem immer wieder nach. Seinen Lebensunterhalt verdient sich der Rapper, Songwriter, Autor, Regisseur und Fotograf unterdessen mit Videos und Imagefilmen, für Rap-Kollegen, aber auch für Auftraggeber aus ganz anderen musikalischen Bereichen.
Gegenüber der Mallorca-Zeitung beschreibt Geeno sich, allein schon seiner ebenfalls politisch aktiven Familie wegen, als auf diesem Gebiet durchaus interessierten Menschen. In seiner Musik spielen solche Themen trotzdem nicht die Hauptrolle: "Man kann niemandem in einem Zwei-Minuten-Song ein politisches Problem erklären", glaubt er.
Auf ausufernde Promophasen, kalkulierte Beefs oder ähnliche Oberflächlichkeiten muss Geeno deswegen noch lange nicht zurückgreifen. Seine Tracks kommen von Herzen. Oder, in seinen Worten: "Vielleicht hab' ichs nicht verdient, oben mitzuspielen, doch ich kann mich nicht verbiegen, weil ich Rap so sehr liebe. Ich bleib' real. Also babbel' net vom Game, Mann. Für mich ist es kein Spiel." So is' halt.
