laut.de-Biographie
Hellmut Hattler
Hinter dem Bandnamen Hattler verbirgt sich die neueste Kreation des legendären deutschen Bassisten Hellmut Hattler (*12. April 1952). Sein erstes und jahrzehntelang verschollenes Solo-Album "Bassball" spielt er 1976 ein. Das nächste Werk "No Eats Yes" erscheint erst 24 Jahre später und erhält 2001 aus dem Stand den Echo für die beste Jazzproduktion.
Live mutiert die Ich-AG regelmäßig zur mehrköpfigen Band, wechselt jedoch immer wieder die Besetzung. Für die Tournee zum 2006er-Album "The Big Flow" verpflichtet er neben Oli Rubow, der zwischenzeitlich ans Schlagzeug wechselt, die Newcomer-Sängerin Fola Dada und den Gitarrengott Torsten de Winkel, der auch die E-Sitar und die Tasten bedient.
Trotz seiner Vorliebe für musikalische Live-Befruchtungsrituale ("Ich suche mir gerne Leute mit denen ich den kreativen Eisprung, das sich gegenseitig befruchten, so richtig feiern kann"), bevorzugt Hellmut Hattler im Studio die Macht in seinen Händen: "Das ist mit einer Band sehr schwierig weil da zu viele Narzissmen, Egoismen und Animositäten auftreten können. 'Meine Gitarre ist ja wohl viel zu leise ...' und diese Geschichten."
Dass er ein guter Herr über die Maschinen ist, beweist er vor Hattler mit dem international erfolgreichen Zwei-Mann-Projekt Tab Two. Zusammen mit dem trompetenden Joo Kraus ist er während der 90er für die Inszenierung und Etablierung des Hip Jazz im europäischen Kulturraum verantwortlich.
Auf dem Höhepunkt ihres Erfolges kommt es 1999 jedoch zu internen Unversöhnlichkeiten, die das vollumfängliche Einholen der 'Früchte' jäh stoppen. "Wenn du so was über Jahre hinweg angeleiert hast und die Ernte, in dem Augenblick wo sie ansteht, nicht einfährst – das finde ich schon fast ein Verbrechen" kommentiert er Joo Kraus Entscheidung, Tab Two endgültig zu Grabe zu tragen.
Aber nicht nur an der Acid-Jazz-Front hat Hellmut Hattler sich bisher als erfolgreicher Kreativling hervorgetan. Sein musikalisches Erbe führt schnurstracks in die 70er zur Kult-Band Kraan. Wie es dazu kommt beschreibt Hellmut Hattler so: "Mein Elternhaus war eher klassisch geprägt, deshalb bekam ich Geigenunterricht ab neun Jahren. Mit zwölf kaufte ich mir heimlich eine Gitarre, was nicht gerne gesehen, aber geduldet wurde. Mit vierzehn war ich Vollwaise, beendete sofort den Gitarrenunterricht und begann umgehend Bands zu gründen. Als Peter Wolbrandt und Jan Fride, meine Nebensitzer, anfingen mit mir zu proben, stieg ich auf Bassgitarre um, einfach weil ich der schlechtere Gitarrist war. Sechs Wochen vor dem Abitur brach ich mein bisheriges Leben ab, um mit den Freunden eine Musikkommune zu gründen, erst in Berlin, später im Teutoburger Wald auf Graf Metternichs 'Gut Wintrup'".
Aus dieser Musikkommune wird eine der erfolgreichsten deutschen 70er-Jahre Bands, die bisher, inklusive Livealben, insgesamt zwanzig Platten veröffentlicht. Ethno, Jazz, Rock und Funk mit gewaltigen Solo-Ausbrüchen kennzeichnen ihren Sound, der sich zeitgemäß psychedelisch präsentiert. Anfang der 80er schwindet ihre Popularität. Nach dem Album "Nachtfahrt" (1982) werden die Bandaktivitäten vorerst eingestellt. Hellmut Hattler und Ingo Bischof veröffentlichen zunächst noch eine gemeinsame LP, die erste Kraan-Reunion wird aber erst 1988 initiiert ("Kraan88" - mit Trompeter Joo Kraus).
Nach einer anständigen Pause findet sich die Originalbesetzung dreißig Jahre nach der Gründung wieder zusammen und veröffentlicht wenig später das Album "Through" (2003). Vier Jahre später legen sie "Psychedelic Man" nach (VÖ am 23. März 2007) und verhelfen dem leicht angestaubten Krautrock zu einem ordentlichen Revival. Seitdem spielen Kraan immer wieder kleine Tourneen.
Trotz der Betriebsamkeit von Kraan verfolgt Vollblutmusiker Hellmut Hattler auch seine Soloprojekt weiter. 2008 gründet er mit seiner Partnerin Siyou Isabelle Ngnoubamdjum das Duo Siyou'n'Hell. Mit diesem stilistisch im Gospel und Soul verorteten Projekt veröffentlichen die beiden bisher drei Alben.
Neben weiteren Aktivitäten als Solokünstler erscheint 2013 mit "The Kite" ein weiteres Album von ihm mit Fola Dada am Mikrofon. Da es ein Hattler-Album ist, sind auch Gitarrist de Winkel und Drummer Rubow auf der Platte zu hören.
2017 veröffentlicht er "Bassball 2", die Fortführung seiner ersten Soloplatte aus dem Jahr 1976. Auf diesem finden sich drei Songs, die er gemeinsam mit den Gebrüdern Wolbrandt einspielt. Für Kraan-Fans eine kleine Sensation. Sieben Jahre mussten sie darauf warten, dass die Originalbesetzung wieder gemeinsam im Studio Songs aufnimmt.
Zeitgleich gibt sein Label in einer Pressemitteilung bekannt, dass der Bassvirtuose schwer an Leukämie erkrankt ist und im Krankenhaus um sein Leben kämpft. Hattler wäre jedoch nicht Hattler würde er nicht absolut souverän und abgeklärt mit der bedrohlichen Situation umgehen. Ein eigens mitgebrachter und desinfizierbarer Graphitbass auf der Intensivstation ermöglicht es ihm, parallel zu seiner Verarztung in einem Einzelzimmer mit den Arbeiten zu seinem Album "Velocity" zu beginnen.
Nach der Behandlung und einer Genesungszeit begibt er sich erneut auf Tour mit Kraan. Auf dem Finkenbach Open-Air 2018 kündigt er die Veröffentlichung des Kraan Livealbums "The Trio Years" an. Die Platte erscheint im Oktober jenen Jahres zeitgleich mit "Velocity". "Die Musik hat mich gerettet" reflektiert er die intensive Erfahrung und den Umgang mit seiner Krankheit.
In einem Interview mit kulturnews.de äußert sich Hattler zu seinem Musikverständnis: "Ich habe ein großes Harmoniebedürfnis, und das möchte ich in der Musik darstellen. Meine inneren Muster transportiere ich ganz bewusst und skrupellos in meinen Platten, weil Musik mein Lebensmittelpunkt ist. Was ein Künstler aussendet, bekommt er vom Publikum in irgendeiner Form wieder zurück. Bislang bin ich dabei immer sehr großzügig beschenkt worden."
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