laut.de-Kritik
Dieser Stil scheint in ihren Genen zu liegen ...
Review von Kai KoppEs begab sich zu einer Zeit, als die Wellensittiche noch mit Trill Jod S 11 Körnchen vor dem sicheren Schilddrüsentod und die Kinder der Nation dank Clementine vor dem Tragen der liebevoll eingesauten Schmutzwäsche bewahrt wurden. Bands wie Embryo oder Can prägten die deutsche Musiklandschaft, die mit psychedelischer Mugge und psychoaktiven Substanzen gegen das Establishment anspielte.
Damals formulierten auch Kraan ihr legendäres Statement, um sich vom popmusikalischen Mainstream zu distanzieren: "Wir haben keine festen Jobs in dieser Gesellschaft. Wir können leben und uns voll auf die Musik konzentrieren. Wir versuchen aus dieser Situation heraus eine Musik zu machen, die uns von dem üblichen Pop-Klischee trennt. Wir streben nach einem geschlossenen Musikerlebnis, welches alle Sphären unserer Lebensbereiche berührt."
Heute, 30 Jahre später, schwimmen die Kraaniche zwar nicht mehr gegen den Strom, haben sich aber statt dessen in den vertrauten Gewässern der 70er verheddert. Ok, auch die Rolling Stones wehren sich bislang erfolgreich gegen alle Modernisierungstendenzen und teilen dabei die Welt in zwei Lager. Die, die das richtig gut finden, halten die Fahne hoch für das echte, rohe und unverfälschte Rock'n'Roll-Erlebnis. Die anderen sind der Meinung, auch Dinos müssen mit der Zeit gehen, sonst sterben sie aus.
Mit "Through" veröffentlichen Kraan 32 Jahre nach ihrer Gründung ein Album, das sich ebenfalls erfolgreich gegen das Ziehen des Zahns der Zeit wehrt. Stilechter Jazzrock erwartet den Hörer, der sich ab der ersten Note in einer nostalgischen Zeitmaschine wähnt. Balladesk, orchestral, mit Steely Dan-Gesangsanleihen und ohne, rockig, jazzig und ehrlich präsentieren sie uns neun 'neue' Songs, die ihnen mühelos aus den Fingern fließen.
Der Anstoß zur Reanimation der Kultband indes kam von außen. Hellmut Hattler erläutert im LAUT-Interview: "Es gab eine Anfrage für ein Festival in Herzberg. Die haben jedes Jahr eine Band auf dem Plan, die es eigentlich nicht mehr gibt, und arbeiten relativ militant daran, die jeweilige Band für einen Gig zu reformieren. Die Sessions waren einfach grandios und liefen wie im Schlaf ab. Dieser Stil scheint in unseren Genen zu liegen, richtig in uns eingebrannt zu sein."
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