laut.de-Biographie
Hund am Strand
Braucht die Welt eine weitere Gitarrenpop-Band? Noch mehr junge Menschen Anfang Zwanzig, die auf den ausgetretenen Pfaden von Blumfeld und Tocotronic wandeln? Nun, ganz offensichtlich. Das Debüt-Album von Hund am Strand befindet sich seit dem Release-Termin permanent in den Top-200 bei Amazon. Die Erstauflage von "Adieu Sweet Bahnhof" ist vier Wochen nach der Veröffentlichung nahezu vollständig vergriffen. Redakteure der gestrengen Spex reißen sich vor Begeisterung annähernd Beine aus und feiern das Trio aus Berlin als "vielleicht sogar die aktuell vielversprechendste Band ihres Genres". Und was sagen Hund am Strand? "Yeah, yeah!"
Fabian Schwinger und Tina Memczur lernen sich an der Universität kennen und schaffen das Kunststück, ein ganzes Semester lang nebeneinander zu sitzen und sich nett zu finden, ohne sich ein einziges Mal wirklich zu unterhalten. Als sie (auf den allerletzten Drücker, es ist der letzte Tag des Seminars) doch noch zueinander finden, resultiert das - wozu warten? - umgehend in der Gründung einer Band. Tina spielt Bass, Fabian Gitarre. Schlagzeuger Martin Thomas komplettiert die klassische Besetzung des Dreiers, das hastig geborene Projekt nimmt konkrete Formen an.
Was folgt, ist der übliche Lauf der Dinge: Songs schreiben, etwas üben (nicht zu viel, Hund am Strand ziehen fröhliches Drauf-los-Schrammeln ausgefeilter Technik entschieden vor), auftreten. Moment, wie war das im Mittelteil? Etwas üben? Man braucht einen Probenraum. Der findet sich in der Garage Pankow, die sich zu einem Dreh- und Angelpunkt der Berliner Indiepop-Szene entwickelt. Wie praktisch, wenn man vor Ort auftreten kann. Wie überaus praktisch, wird man dabei auch gleich "entdeckt"! Tobias Siebert (Kennern des Geschäfts von Klez.e und Delbo bekannt) hört Fabian, Tina und Martin rocken und nimmt erste Stücke mit der immer noch namenlosen Formation auf. Diese geraten über den Umweg Internet den Verantwortlichen des Bielefelder Labels Tenstaag zu Ohren. Schnell kann es gehen: Kurz nicht aufgepasst, schon hat man einen Plattenvertrag.
Höchste Zeit, das Problem des fehlenden Bandnamens anzugehen. Wie jeder weiß, handelt es sich bei der Namensgebung oft um den schwierigsten Teil eines Projekts. Einfach-drauf-los gilt für die drei auch jetzt: Das Cover der Demo-EP ziert ein Foto. Es zeigt einen Hund. Am Strand. Alles klar. Fehlt noch ein griffiger Titel für das Album-Debüt. Hierfür bedienen sich Hund am Strand bei einem Comic von Max Goldt: "Adieu Sweet Bahnhof". "Passt", befinden Hund am Strand. Wie in vielen ihrer Lieder, die häufig von Verlorenheit im Alltag oder in Beziehungen erzählen, schwinge in "Adieu Sweet Bahnhof" ein Ahnung von Abschied und Fremdheit mit, so Texter und Sänger Fabian Schwinger.
Was das handwerkliche Können angeht, setzen Hund am Strand auf Minimalismus. "Wir sind absolut keine Technik-Freaks", lassen sie im Interview verlauten - was man hören kann. Schwinger gesteht freimütig, keine große Lust zu verspüren, sich mit seinem Instrument mehr als unbedingt nötig auseinander zu setzen. Soli gingen ihm ohnehin auf den Geist, er lege am liebsten einfach los. Dass dabei (besonders am Anfang) die eine oder andere Gitarrensaite dran glauben muss stört ihn ebenso wenig, wie dass er sich "am stimmlichen Limit, manchmal auch jenseits davon" (Intro) bewegt. Gerade bei den ersten Auftritten bleibt ihm öfter mal die Puste weg: "Langsam geht mir der Text aus. Das Singen und Spielen verlangt so viel ab." Wie wahr!
"Adieu Sweet Bahnhof" (zehn Schlagzeug-Gitarre-Bass-Popsongs ohne elektronischen Firlefanz) erscheint im Juni 2005 und entpuppt sich als Volltreffer. "Jungen Mädchen" gibt einen gut gelaunten Mitsing-Sommerhit ab. Die Presse zeigt sich euphorisch, feiert Fabian Schwinger als neues Textschreiber-Talent und Hund am Strand als "Blumfeld in jung" (Spex). Ungeachtet der Tatsache, dass weder ein Video noch andere kostspielige Werbestrategien existieren, verkauft sich das Album bestens; vier Wochen nach der Veröffentlichung im Juni ist die erste Auflage bereits nicht mehr zu kriegen. Hund am Strand spielen beim "Monsters Of Spex"-Festival. Bereits für September steht die Wiederveröffentlichung von "Adieu Sweet Bahnhof", diesmal bei Motor, an. Passend dazu begeben sich Hund am Strand im Oktober auf eine ausgedehnte Deutschland-Tournee.
Im Mai 2007 verkünden Hund Am Strand die Bandauflösung. Als Erklärung geben sie verschiedene persönliche Bedürfnisse, nicht mehr miteinander zu vereinbarende Wünsche und individuelle Zukunftsgestaltungen an, "kurz gesagt: Es geht einfach nicht mehr." Aus diesem Grund verabschieden sich die drei Musiker leise und ohne Abschiedskonzerte von ihren Fans. Mal sehen, was die Zukunft für Fabian, Marv und Tina bringt, denn auf ihrer Homepage schärfen sie ihren Fans ein, Augen und Ohren für neue Projekte offen zu halten.
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