Porträt

laut.de-Biographie

John Zorn

John Zorn ist ein US-amerikanischer Jazzkomponist und Arrangeur. Er selbst spielt Saxofon und Klarinette, beherrscht jedoch diverse Instrumente virtuos. Seit Beginn der 80er Jahre veröffentlicht er regelmäßig zahllose Soloplatten und Tonträger mit Bandprojekten. Innerhalb der letzten Jahrzehnte hat er den Begriff des modernen Jazz entscheidend mitgeprägt und stilistisch stetig erweitert.

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Noch vor Beginn seiner eigentlichen musikalischen Laufbahn ist Zorn bereits als Jugendlicher geprägt von seiner Vorliebe für den Freejazz-Pionier Ornette Coleman und der sogenannten Neuen Musik von Karlheinz Stockhausen. Doch schon in jungen Jahren ist dem New Yorker klar, dass er keinesfalls bereits Vorhandenes reproduzieren möchte. Vielmehr strebt er das Beschreiten völlig neuartiger musikalischer Wege an.

Seine ersten relevanten Plattenreleases hat er im Team der Golden Palominos. Die Gruppe besteht außer ihm noch aus den späteren Szene-Superstars Anton Fier (Lounge Lizards, Pere Ubu), Fred Frith, Arto Lindsay und dem stilistischen Hans Dampf in allen Gassen Bill Laswell. Gemeinsam entwirft man einen Mix aus Alternative Rock, Experimental Ambient, Country, Industrial und Punk. Das als No Wave bezeichnete Gebräu ist eine auf freier Improvisation beruhende Weiterentwicklung des damalig trendig kommerziellen New Wave Sounds. Angezogen von dem neuartigen Stil gewinnt man sogar die britische Punk-Ikone John Lydon als Gastsänger.

Den Querdenker Zorn füllt die Band trotz immenser öffentlicher Anerkennung jedoch nicht aus. Durstig nach etwas ganz Eigenem entwirft der Visionär in den Folgejahren diverse Soloscheiben. Auf diesen kombiniert er Freejazz und Neue Musik etwa mit Filmmusik aus Zeichentrickfilmen, verfremdeten Geräuschcollagen und Hörspielsequenzen.

Die Avantgarde-Alben "The Big Gundown" und "Spillane" ragen hierbei strahlend heraus. Ersteres enthält ausschließlich Coverversionen von Ennio Morricone Songs. Letzteres ist eine Hommage an den Krimiautor Mickey Spillane und die zeitgenössische Bebop-Phase des Schriftstellers. Vor allem die beschriebene radikale Dekonstruktion der Morricone-Klassiker bedeutet sogar für die interpretationserprobte Jazzszene ein bislang nie da gewesenes Novum.

Doch auch diese Neuerungen lasten den wahnsinnigen Musicaholic nicht aus. 1988 gründet er nebenbei die heute legendäre Formation Naked City. Zu einem Zeitpunkt, an dem die Speedmetaller Metallica und Thrasher à la Slayer oder Anthrax gemeinhin noch als innovativ und subversiv gelten, packt der Mann aus dem Big Apple die totale Kettensäge aus. Er mixt einen bis dato unbekannten Cocktail aus Freejazz, Grindcore, Surfrock, Thrash Metal und Punk. Das Ganze kreuzen Naked City zusätzlich mit lieblichen Schnipseln klassischer Komponisten wie Claude Debussy. Gurgelnde bis kreischende Vocals und die vervielfachte Geschwindigkeit damaligen Thrash Metals machen die Suppe perfekt.

Zu diesem Zeitpunkt wirken selbst böseste Metaller wie zahme Kätzchen neben diesem Sound aus der Hölle. Ebenso neu für die akkurate Jazzwelt ist Zorns kompromissloses Artwork. Thematisch deckt er z.B. für "Torture Garden" die dunkle Seite der Sexualität ab und entwirft ein textloses Booklet voller pornographischer SM-Bilder. Das Anschlussprojekt Painkiller geht in eine sehr ähnliche Richtung, integriert im Verlauf jedoch zusätzliche Elektrosounds auf der Basis von Dub und Ambient.

Auch die Zusammenarbeit mit dem "Moonchild Trio" (Mike Patton, Joey Baron und Trevor Dunn) trägt ab 2005 eher härtere Früchte. In dieser Runde agiert Zorn vor allem als Komponist und Produzent und greift nur gelegentlich zum Saxofon.

Auch in der Folge bleibt John Zorn unglaublich produktiv. Seine vollständige Diskografie umfasst Anfang 2021 bereits über 200 Alben (in unserer Auflistung sind nur die wichtigsten aufgeführt). Auf mehr als 2.000 Alben ist er als Produzent aufgeführt.

Das künstlerisch bemerkenswerteste und langlebigste Konzept erschafft der Innovator - trotz aller früheren und späteren Glanzstücke - Anfang der Neunziger mit Massada. Die Kompositionen beruhen nicht auf einer notierten Partitur, sondern auf von Zorn bestimmten Regeln, die von Album zu Album wechseln. Diesen völlig ungewohnt klingenden Passagen geben die New Yorker traditionell jüdische Elemente der Klezmerfolklore hinzu. Für den bekennenden Juden Zorn formuliert diese Musik Massadas den Aufbruch zu einer modernen Radical Jewish Culture: "Die Idee ist, den freien Geist Ornette Colemans mit den Bestandteilen althergebrachter jüdischer Musiktradition zu verknüpfen."

Massada existiert in verschiedenen Formen. Es gibt die minimalistische akustische Variante und die rockende elektrische Formation. Zorn macht deutlich, dass Massada zukünftig wohl immer sein künstlerischer Schwerpunkt bleiben wird. Zum Verständnis für die Weltöffentlichkeit verfasst er ein Massada-Manifest, in dem es heißt:

"Der Jude ist immer Ursprung einer doppelten Infragestellung gewesen: der Infragestellung des Selbst und der Infragestellung des 'Anderen'. Da ihm nie die Möglichkeit gewährt wird, aufzuhören, jüdisch zu sein, ist er gezwungen, die Frage seiner Identität zu formulieren. Daher ist er von Anbeginn mit dem Diskurs des 'Anderen' konfrontiert, und oft hängt sein Leben davon ab (...) Mir wurde klar, dass ein Jude jemand ist, der naiv glaubt, dass er, wenn er selbstlos zu seiner Gastkultur beiträgt, akzeptiert werden wird. Aber wir sind die Außenseiter der Welt. Das ist es, was mich an Massada anzieht - die Kultur des Außenseitertums."

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Surftipps

  • Offizielle Seite

    Informativ

    https://johnzornresource.com/news
  • Tzadik

    Zorns Label und Netzwerk für zeitgenössische Musiker.

    http://www.tzadik.com/
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    https://de-de.facebook.com/nroznhoj

2 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 9 Jahren

    Masada ...

    Wo sind eigentlich Linus' Smilies geblieben? Da hätte ich jetzt gerne einen von.

    Masada ist nicht eigentlich eine Band, sondern ein (oder drei ...) Songbook(s), das jüdische Skalen mit (im wesentlichen) Jazz verbindet und von verschiedenen Besetzungen eingespielt wurde. Die erste Inkarnation des Konzepts war ein akustisches klassisches Jazz-Quartett, das so klingt, als würde das originale Quartett von Ornette Coleman jüdische Melodien anstelle Blues verwenden, die Band Electric Masada ersetzt Ornette Coleman durch Miles Davis und eine gehörige Portion No Wave/Rock/Last Exit. Metal Tov! :D

    Es gibt aber noch eine ganze Reihe von Inkarnationen bis hin zu Kammermusik. Der Wikipedia-Artikel dazu ist recht brauchbar:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Masada_(John…)#Das_Masada-Quartett

  • Vor 7 Jahren

    "Der Jude ist immer Ursprung einer doppelten Infragestellung gewesen: der Infragestellung des Selbst und der Infragestellung des 'Anderen'. Da ihm nie die Möglichkeit gewährt wird, aufzuhören, jüdisch zu sein, ist er gezwungen, die Frage seiner Identität zu formulieren. Daher ist er von Anbeginn mit dem Diskurs des 'Anderen' konfrontiert, und oft hängt sein Leben davon ab (...) Mir wurde klar, dass ein Jude jemand ist, der naiv glaubt, dass er, wenn er selbstlos zu seiner Gastkultur beiträgt, akzeptiert werden wird. Aber wir sind die Außenseiter der Welt. Das ist es, was mich an Massada anzieht - die Kultur des Außenseitertums."

    Da will man ja selbst fast schon Jude werden. :koks: