2. Oktober 2021

"Judas Priest wollten uns stoppen"

Interview geführt von

Zehn Jahre nach seinem Ausstieg bei Judas Priest ist K.K. Downing zurück. Mit seiner eigenen Band KK's Priest veröffentlicht der Gitarrist das Debüt "Sermons Of The Sinner".

Der fast 70 Jahre alte Engländer steckt voller Tatendrang und genießt die künstlerische Freiheit, die er bei Priest nicht hatte. Trotzdem nagt es immer noch am blonden Gitarrero, dass er nicht in die Band zurückgeholt worden ist.

Hi Ken, schön, dass du zurück bist im Heavy-Metal-Zirkus!

Vielen Dank, es ist gut wieder zurück zu sein. Von wo in Deutschland rufst du gerade an?

Aus Berlin.

Ah, wunderbar. Ich kenne Berlin gut. Wir sind dort mit Judas Priest häufig aufgetreten.

Wo in England erreiche ich dich gerade?

Ich lebe auf dem Land ungefähr eine Stunde von Birmingham entfernt.

Das letzte Mal als wir miteinander sprachen, stelltest du gerade dein Buch vor. Damals merkte man dir den Frust über den Konflikt mit deinen alten Bandkollegen von Judas Priest deutlich an und deine Enttäuschung, dass du nicht in die Band zurückgeholt worden bist. Wie fühlst du dich jetzt?

Ich habe nach dem Erscheinen meines Buches beschlossen, eine neue Band zu gründen. Die Dinge haben sich seitdem sehr gut entwickelt, ich bin echt happy.

Du warst zehn Jahre lang raus aus dem Musikbusiness. Hast du gemerkt, dass du ohne Heavy Metal nicht leben kannst und hast deshalb die Band KK’s Priest gegründet?

Ja absolut. Ich hatte immer gehofft, dass ich zu Priest zurückkommen kann. Ich verstehe mich gut mit Richie (Richie Faulkner, der Nachfolger von K.K. Downing bei Judas Priest, Anm. d. Red.). Er hätte sich gefreut, wenn ich zurückgekommen wäre, als klar war, dass Glenn (Glenn Tipton, Gitarrist von Judas Priest, Anm. d. Red.) wegen seiner Parkinson-Erkrankung nicht mehr kann. Es ist leider nicht so gekommen. Doch das Leben muss weitergehen. Ich habe das im Blut. Heavy Metal ist mein Leben.

Wie lange hat es gedauert, eine neue Band zusammenzustellen?

Wir hatten eine kurz anberaumte Show im November 2019. Eigentlich war das mehr eine Jamsession. Im Dezember habe ich mich dann hingesetzt und angefangen, Songs zu schreiben. Das ist mir leicht von der Hand gegangen, so dass ich die Band zusammengetrommelt habe. Wir haben dann auch schnell ein Plattenlabel und ein Management gefunden. Die Dinge haben dann ihren Lauf genommen. Für 2020 hatten wir bereits mehrere Konzerte gebucht, die leider alle wieder gecancelt werden mussten. Durch die Pandemie hat sich alles wieder etwas verlangsamt. Doch jetzt steht die Veröffentlichung des Albums an, und ich habe jeden Tag etwas zu tun.

Das neue Album gefällt mir richtig gut. Es erinnert mich daran, warum ich in den frühen 80er Jahren Heavy Metal-Fan geworden bin.

Oh, das freut mich. Ich hatte das Glück, Teil dieser Bewegung gewesen zu sein, als alles anfing. Ich liebe Bands wie die Scorpions, Accept, U.D.O., Saxon, Warlock, Doro…

...du nennst fast nur deutsche Bands. Das machst du doch extra, um mir zu schmeicheln, oder?

Nein, nein. Deutschland war immer eine Hochburg des Heavy Metal mit tollen Bands. Aus England kamen auch wichtige Bands wie Iron Maiden, Def Leppard, Judas Priest und natürlich Black Sabbath. Aus Deutschland liebe ich ganz besonders die Scorpions. Als sie "Tokyo Tapes" veröffentlicht haben, war das eine Offenbarung für mich. Ich habe das Album ständig gehört.

"Ich habe mich immer sehr loyal zu Judas Priest verhalten"

Für mich ist "Sermons Of The Sinner" wie ein Statement: Der alte, traditionelle Heavy Metal erfreut sich nach wie vor bester Gesundheit. Liege ich damit richtig?

Das kann man so sagen. Das gesamte Album ist sehr bedeutsam und ergreifend. Es ist voller Emotionen und Freude. Ich hoffe, es wird das Level und die Popularität des klassischen Metal aufrechterhalten. Hoffentlich werden es die Fans mögen und die Musiker dazu gebracht, diese Art von Musik auch in Zukunft zu unterstützen und zu spielen. Es werden demnächst noch einige Alben aus dieser Richtung kommen. Maiden bringen demnächst eine Platte raus, die Scorpions glaube ich auch.

Das sind aber alles die alten Vertreter und sie werden leider immer weniger.

Das gesamte Album aber speziell der Song "Sermons Of The Sinner" geht auf der einen Seite darum, dass wir den Metal aufrecht erhalten wollen. Auf der anderen Seite wird uns bewusst, dass wir immer häufiger Freunde verlieren. Mann, wenn ich daran denke: Im Oktober werde ich 70. Um unsere Musik nicht nur als eine Seite in den Geschichtsbüchern zu betrachten, brauchen wir frische Energie und neues Blut von jüngeren Bands.

Die jüngeren Bands müssen das Vermächtnis der alten in die Zukunft tragen. Du gehörst der Generation an, die den Heavy Metal quasi erfunden hat. Als Black Sabbath oder auch Judas Priest in den 70er Jahren loslegten, gab es noch nicht einmal den Begriff Heavy Metal. Was bedeutet dir Heavy Metal?

Der Metal hat mich fast mein ganzes Leben begleitet. Als ich ein Teenager war, gab es keine harte Rockmusik. Wir hatten den Bluesrock, was großartig war. Doch wir Kinder aus der Arbeiterklasse spürten, dass der Musik etwas fehlte. Einer der größten Momente war, als ich das erste Black Sabbath-Album gehört habe. Diese Heavyness und rifforientierte Musik hat mich inspiriert, in eine ähnliche Richtung zu gehen.

Priest und Sabbath kommen aus der Black Country genannten Gegend rund um Birmingham. Dieser Umstand hat bei der Entwicklung des Heavy Metal doch bestimmt auch eine wichtige Rolle gespielt?

Oh ja, es gab dort viele Kohleminen und Fabriken, die viel Ruß in die Luft gepustet haben. In den Geschichtsbüchern ist nachzulesen, dass Königin Victoria die Vorhänge zugezogen hat, wenn sie mit dem Zug durch das Black Country gefahren ist. Aus so einer Gegend kann nur Heavy Metal entstehen, haha.

Auf dem neuen Album befinden sich Titel wie "Hellfire Thunderbolt", "Raise Your Fists" oder "Metal Through And Through". Befinden sich hinter diesen Heavy Metal-Klischees tiefere Bedeutungen? Ich könnte mir vorstellen, dass "Metal Through And Through" textlich eine Schüsselrolle spielt.

Ja, richtig. In "Metal Through And Through" geht es darum, dass Publikum und Musiker als Einheit gesehen werden. Wir sind alle Heavy Metal-Fans. Wir sind alle sehr stolz auf unsere Musik und die Metalfamilie. Uns ist es egal, wenn die Leute uns schlecht machen wollen oder sagen, unsere Musik ist altbacken. Wir sind mit dieser Musik aufgewachsen, sie ist Teil unseres Lebens und wir lieben sie. Wir kommen auf Konzerten und Festivals zusammen und feiern unsere Musik. Wir zeigen der Welt die Power des Heavy Metal.

Du hast deine neue Band KK’s Priest genannt. Siehst du dich immer noch als ein Teil von Judas Priest an?

Ich war vom ersten Tag an in der der Band und über 40 Jahre dabei. Im Jahr 2010 sollte das Kapital Judas Priest eigentlich beendet werden. Wir hatten vereinbart, dass die Epitaph-Tour unsere letzte sein soll. Damals war ich unzufrieden und fühlte mich nicht mehr wohl. Deshalb habe ich gesagt, ich bin bei der Tour nicht mehr dabei. Dass die Band danach noch zehn Jahre weitermacht, war nicht geplant. Ich dachte, sie holen einen Ersatzmann nur für die finale Tour. Es wird immer gesagt, ich hätte die Band verlassen. Das stimmt aber nicht. Ich bin nur von der anstehenden Tour zurückgetreten. Priest waren ein Teil meines Lebens und werden es immer bleiben.

Führst du mit deiner neuen Band die alte Geschichte von Judas Priest weiter?

Ja, in gewisser Weise. Ich möchte nicht meinen Teil des Erbes von Judas Priest hinter mir lassen. Ich möchte weitermachen. Ich habe mich immer sehr loyal zu Judas Priest verhalten. Ich habe nie Soloalben und Platten mit anderen Musikern aufgenommen, so wie es Rob und Glenn gemacht haben. Speziell mit Ripper (Tim "Ripper" Owens, Sänger bei Judas Priest von 1997 bis 2003 als Ersatz für Rob Halford, Anm. d. Red.) wollte ich als Priest weitermachen. Für mich existieren die alten Judas Priest ohne Glenn und mir ohnehin nicht mehr. Die neuen Judas Priest haben neue Musiker und sind erfolgreich und das gönne ich ihnen. Doch KK's Priest sind anders. Ich genieße es jetzt sehr, dass ich freier als früher bin und das machen kann, was ich möchte. Ich kann die Songs schreiben, die ich möchte und meine Idee besser umsetzen. Ich genieße es sehr, mit meinen neuen Bandkumpels zu arbeiten.

"Mit den Scorpions oder Kiss auf Tour zu gehen, wäre großartig"

Außer den beiden früheren Priest-Musikern Ripper Owens und Les Binks sind die anderen Bandmitglieder nicht so bekannt. Wie bist du auf sie gekommen?

Unser Bassist Tony Newton ist nicht nur Musiker, sondern produziert auch Musik und ist Sound-Techniker. Er hat in der Vergangenheit unter anderem für Iron Maiden einige Sachen gemixt. Tony ist ein super Typ und bringt viel Energie in die Band. Unseren Gitarristen A. J. Mills kenne ich schon sehr lange. Er hat sich super entwickelt. Wir harmonieren gut zusammen. Unser Drummer Sean Elg ist ein echtes Kraftpaket, er kommt aus San Diego. Es ist gut, junges Blut in der Band zu haben.

Stimmt es eigentlich, dass dich Judas Priest wegen des Bandnamens verklagen wollten?

Ja, das stimmt. Unser Plattenlabel und ich haben Post von ihren Anwälten bekommen. Darin stand, dass wir uns nicht so nennen dürfen. Sie haben versucht, KK’s Priest zu stoppen. Wir haben dieses Schreiben einfach ignoriert. Sollen sie machen, was sie wollen. Ihre Anwälte belästigen mich eh schon seit einigen Jahren, ich bin das gewöhnt.

Hast du eigentlich noch Kontakt zu deinen alten Bandkollegen?

Leider nein. Die größte Enttäuschung für mich ist Ian (Ian Hill, Bassist von Judas Priest, Anm. d. Red.). Wir sind zusammen in den Kindergarten gegangen. Er und die anderen verweigern mir die Möglichkeit, meine Songs, die ich für Judas Priest geschrieben habe, in dieser Band zu spielen.

Was wäre dir lieber, wenn du mit KK’s Priest auf Tour gehst: Als Headliner in Clubs oder als Supportband in den großen Arenen?

Das ist ein gute Frage. Vielleicht wäre eine Mischung aus beidem gut. Ich fände beides super.

Welche Band würdest du gerne supporten?

Mit den Scorpions oder Kiss auf Tour zu gehen, wäre großartig.

Wie wäre es denn mit Iron Maiden? In den 80er Jahren hast du Maiden als Rivalen von Priest angesehen und nicht immer nette Sachen über sie gesagt.

Maiden wären auch großartig. Das wäre eine unglaubliche Tour. Aber egal, mit wem wir spielen. Ich kann es kaum erwarten, dass wir endlich live auftreten können.

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