laut.de-Biographie
Káryyn
Eigentlich wollte Káryyn, die ihren Namen und ihr Alter bis heute nicht verrät, das Musikmachen schon längst aufgeben. Zum Glück hat sie sich es noch einmal anders überlegt. Mittlerweile beeinflussen ihre sowohl vielschichtigen als auch folkloristisch angehauchten elektronischen Klänge sogar Björk.
Sie erblickt im US-amerikanischen Alabama das Licht der Welt. Ihre Familie zieht nach Indiana, als sie gerade erst ein Jahr alt ist. Ihr Vater arbeitet zudem als Physiker. Seine Wurzeln liegen in Armenien. Seine Urgroßmutter ergreift nämlich die Flucht nach Syrien, nachdem ihr Mann dort während des Völkermordes im 20. Jahrhundert ums Leben kommt. Káryyns Vater möchte des Weiteren mit der Familie später einmal irgendwo hinziehen, wo es eine armenische Community gibt. Die findet er in Los Angeles, als sie zehn Lenzen zählt. In ihrer Jugend widmet sie sich außerdem mit ihrer Stimme folkloristischen Erzählungen.
Jedes Jahr verschlägt es die Familie zwischen Mai und September ins syrische Aleppo, um ihre Bekannten zu besuchen. Dort wird Káryyn auch getauft. Darüber hinaus lernt sie in der ehemaligen Millionenmetropole ihren ersten Freund kennen, der ihr 2001 eine Kamera schenkt. Mit der filmt sie die Straßen der Stadt.
Während ihres Medizinstudiums am Mills College in der Bay Area macht sie sich mit Computerprogrammen vertraut und nimmt Unterricht bei der berühmten Komponistin und Akkordeonistin Pauline Oliveros, die kreative Musik lehrt. Das veranlasst sie dazu, ihr Medizinstudium aufzugeben, um sich als Musikerin zu verwirklichen.
2010 verlässt sie aber der Mut. Weiterhin begibt sie sich 2011 das letzte Mal nach Syrien, um zwei sterbende Verwandte zu besuchen. Als dann der Bürgerkrieg die Metropolen erreicht, stellen sich weitere Besuche als zu gefährlich für sie heraus.
Noch im selben Jahr zieht sie sich in Cherry Valley im Hinterland von New York zurück und vertieft sich in Philosophie und Neuroplastizität. Zur Musik findet sie wieder zurück, als sie Bekanntschaft mit dem in Los Angeles ansässigen Produzenten Steve Nalepa macht. Der ermutigt sie dazu, mit Technologie zu experimentieren und binäre Codes in ihre Melodien einzubetten. So verfolgt sie beim Komponieren einen computerfokussierten Ansatz. Des Weiteren improvisiert sie dazu mit ihrer Stimme, die sie später durch eine Software jagt, um sie zu modulieren und zu verfremden. Heraus kommt eine Art mystischer Chorgesang, der etwas Spirituelles vermittelt.
Während der 18 Monate, die Káryyn in Cherry Valley lebt, schreibt sie zwei Songs, auf die sich diese Vorgehensweise hörbar abfärbt, nämlich das emotionale "Today, I Read Your Life Story 11:11" und das nachdenkliche "Segment & The Line".
Zusätzlich gilt sie als 'Highly Sensitive Person', kurz HSP. Das bedeutet, dass sie Außenreize stärker wahrnimmt als Menschen, die nicht darunter fallen, wodurch sie immer wieder mit starken Emotionen, rasenden Gedanken, Lärmempfindlichkeit sowie körperlicher und seelischer Anspannung und innerer Unruhe zu kämpfen hat. Ihre Wahrnehmung von Raum und Zeit hört man auch diesen beiden Stücken an, wenn körperliche, bedrohliche Klänge und kaum wahrnehmbare Geräusche ihre kontinuierlich in die Höhe schraubende Stimme umschließen.
Im Anschluss geht sie nach Berlin, wo sie 2014 beginnt, eigene Kompositionen für die Oper "Of Light" beizusteuern. Dort entsteht zudem der Song "Purgatory", der um ihre Erinnerungen an ihre Kindheit in Syrien kreist, ähnlich wie "Aleppo", das ein Jahr später nach und nach Gestalt annimmt.
Der letztgenannten Nummer spendiert sie darüber hinaus einen Clip, der Videomitschnitte ihrer Familie und die Aufnahmen, die sie in der Stadt einst tätigte, zeigt. Das Visuelle, das sie beim Komponieren stets vor Augen hat, spielt für sie also eine ebenso wichtige Rolle wie die Musik.
2016 kommt es dann zur Uraufführung von "Of Light" in Reykjavik, bei der man sie zusätzlich am Mikrofon sieht. Auf die Oper stößt auch Björk, die sie seitdem nicht nur in höchsten Tönen lobt, sondern sie in einem Interview mit dem britischen Guardian als Inspirationsquelle bezeichnet.
Ihr Name spricht sich aber nicht nur bei der Isländerin, sondern auch bei Mute herum, die ja ein besonders gutes Gespür für hochwertige elektronische Klänge besitzen. Die veröffentlichen 2018 ihre Stücke nach und nach als Singles. Die bündelt man dann 2019 unter Hinzunahme noch unveröffentlichter Tracks zum Debüt "The Quanta Series". Dazwischen tourt Káryyn durch Europa. Weiterhin betreibt sie mit Antevasin ein eigenes Label. Ihre Musik bringt sie dort ebenfalls seit 2017 heraus. Die volle künstlerische Kontrolle über ihr Werk möchte sie nämlich behalten.
Auf der Platte hört man unter anderem mit "Ambets Gorav" eine Neuinterpretation eines armenischen Volksliedes. Der Albumtitel sowie andere Songs stellen wiederum einen Bezug zur Quantenphysik her, wie "Ever" und "Un-c2-See". In "Mirror Me" geht es im geistigen Sinne darum, "die Anteile in uns zu suchen", die irgendwann "verloren gegangen sind", sagt sie. Dementsprechend versucht die mittlerweile in Los Angeles lebende Musikerin, Texterin und Sängerin mit ihrer Kunst, Gegensätze aufzulösen.
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