laut.de-Biographie
Kelly Lee Owens
Nur wenigen Musiker*innen gelingt es, diverse, sich teilweise gar widersprechende Stile zusammenzuführen, ohne beliebig oder anbiedernd zu wirken. Kelly Lee Owens ist eine seltene Ausnahme dieser Regel. Die gebürtige Waliserin mischt Singer/Songwriter-Grundlagen mit Synth-Pop, straighten Techno mit Leftfield-Electronica und vereinzelten Jazz-Ornamenten.
Diese, so gelesen etwas krude anmutende Melange, speist sich aus den mannigfaltigen Einflüssen, die auf die gelernte Hilfskrankenschwester während ihrer Laufbahn einprasselten. Am Anfang steht, wie so oft, der Indie. Owens spielt zuerst in der Band The History of Apple Pie Bass. Das ist etwa 2009, nachdem sie aus ihrem kleinen walisischen Dorf nach Manchester und schließlich London zog.
Dort tritt unvermittelt die elektronische Tanzmusik in ihr Leben, gesellt sich zu Indie-typischeren Bezugspunkten wie Arthur Russell, John Cale oder Radiohead. Sie trifft auf Daniel Avery, zu dessen Durchbruchsalbum "Drone Logic" sie Vocals beisteuert, und Erol Alkan. Beide Musiker sind insbesondere in UK Techno- bzw. House-Lichtgestalten, zeigen Owens das Produzieren.
Nach einer ersten EP kulminiert diese kreative Phase im selbstbetitelten Debütalbum, das 2017 erscheint und über eine enorme Variabilität verfügt. Mal singt Owens, komplettiert die Melodien mit kristallklarer und doch verhallter Stimme, mal setzt sie auf reine Instrumentals, die hin und wieder in pochenden Techno abdriften. Assoziationen zu Julia Holter, Kara-Lis Coverdale oder Kaitlyn Aurelia Smith drängen sich nicht nur aufgrund des Geschlechts auf, Owens findet aber dennoch ihre unverkennbare Soundästhetik.
Sie kommt, bei aller Anmut, aller Erhabenheit, ohne verkopften instrumentellen Bombast aus. Verrennt sich nicht zu ausufernd in New-Age-Spielereien, sondern fügt ihren ziselierten Sounds stets die nötige Geradlinigkeit hinzu, um Fachpresse und Pop-Publikum zu begeistern. Eine belastbare Vorgehensweise, die ihr auch beim zweiten Album "Inner Song" 2020 wieder zupass kommt, auf dem sie die drei Jahre im Rampenlicht kritisch verarbeitet.
Psyche und Spiritualität spielen in ihrem Schaffen eine wichtige Rolle, Owens versucht, "die Beziehung zwischen Klang, Heilung und resonanten Frequenzen" zu erkunden, wie sie Pitchfork 2017 sagt. Am liebsten würde sie das im Rahmen einer Ausstellung tun. Interdisziplinäres Arbeiten scheint in Zukunft also nicht ausgeschlossen, ebenso wenig wie weitere Alben, die nach dem 100. Durchlauf noch immer nicht auf die Nerven gehen.
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