laut.de-Biographie
Kitty
Kathryn-Leigh Beckwith ist witzig, offensiv, trashig und sophisticated zur gleichen Zeit. Sie ist außerdem auch jung, weiblich, äußerst selbstbewusst und dauer-online.
Mitte 2012 veröffentlicht die gerade einmal 19-jährige Amerikanerin das Musikvideo "Okay Cupid", das sich nicht nur im Titel sehr referenziell gibt. Im Clip räkelt sich Beckwith, die sich selbst als Spaßrapperin bezeichnet, auf ihrem Kinderzimmerbett, surft kichernd im Netz und schaut "Titanic", trinkt das Redneck-Bier Papst Blue Ribbon, mit dem schon Lana del Rey berühmt wurde …
Dazu textet sie laszive Selbstreferenzen an ihr Boytoy: "I wait for your drunk dials at 3:30 a.m.", oder "I used to be a pimp without emotion but now you got me simpin' / And singing the Frank Ocean and thinkin' 'bout you", oder "You are a tool again, but you're the one that I've chosen".
Derlei Zeilen trägt das seinerzeit noch nach der X-Men-Figur benannte Mädchen aus Daytona Beach in Florida mit verführerisch-langsamer Langweile vor. Dazu raschelt die Hi-Hat und knistert der Plastiksynthie so impertinent, dass man laut "Zeitgeist!" schreien möchte.
Der unterkühlte Appeal bedient in einem Wisch alle hippen Popidiome der 2010er von Hypnagogic Pop über Swag Rap und Shit Hop zu Witch House und kehrt über Trap wieder zurück zur Frage: Was soll das alles? Wer ist diese respektlose junge Frau, wie alt ist sie, und wie viel marktgerechte Inszenierung steckt in der amateurhaften Aufmachung?
Vice-Magazin und Co. stürzen sich jedenfalls auf die Rapperin, die zum hunderttausendfach geklickten Internet-Meme wird. Es regnet Vergleiche mit Kolleginnen wie Kreayshawn oder Nicki Minaj, die Pryde zu ihren größten Vorbildern zählt.
Wie Minaj verarbeitet sie auf einer postironischen Metaebene Teile dessen, was auf Tumblrn unter "Girl Culture" subsumiert wird, zu einer Collage: den Justin Bieber-Crush, Vintage-Mode und glitzernden Modeschmuck, kombiniert mit beiläufigen Zeilen über Pill Sniffing sowie forderndem Selbstbewusstsein dem anderen Geschlecht gegenüber.
Die Künstlerin selbst gibt sich abgeklärt und ignoriert den Hype wie den zeitgleichen Shitstorm auf den üblichen Sozialnetzwerken erst einmal. "Ganz ehrlich, es war nur ein Witz", meint Kitty, die den X-Men-Nachnamen wegen Urheberrechtsproblemen später ablegen muss.
"Meine Freunde sind alle tief drin in richtiger Hip Hop-Kultur. Deshalb haben sie 'Okay Cupid' nicht besonders ernst genommen und Sachen gesagt wie: 'Wow, du bist richtig schlecht im Rappen, aber es ist niedlich.'"
Ebenfalls niedlich finden das sowohl Mad Decents Riff Raff als auch einer der faszinierenderen neuen Rapper in 2013: Danny Brown nimmt den Teenager auf Tour mit. Für Beckwith geht ein Traum in Erfüllung. Klare Sache also, dass sie via Blog wider sexistische und rassistische Stereotypen anschreibt, als ein weiblicher Fan Brown auf der Bühne sexuell angreift.
All der Blogaktivität zum Trotz bewahrt Kitty ein paar Stücke Geheimnis. Es sickert zwar durch, dass sie früher in der Comedy-Hip Hop-Gruppe Jokers In Trousers mitwirkte; trotzdem kennt die Öffentlichkeit weder ihr genaues Geburtsdatum noch weiß jemand, wie das Verhältnis zwischen Kunstrolle und Autobiografie konkret ausfällt.
Stattdessen bemüht sich Kitty, die Ambivalenz aufrecht zu halten, ohne sich von Morddrohungen wegen der Verwendung von J Dilla-Samples einschüchtern zu lassen. Ihre seit 2011 veröffentlichten EPs tragen selbstironische Untertitel wie "I'm not gifted" und "Sorry about this, guys".
So oder so, schlussendlich bleibt Rap bis auf Weiteres vor allem Vergnügen: "Ich mach' das nicht des Geldes wegen."
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