laut.de-Biographie
Merchandise
Die Abneigung gegen Kommerz-Bands, Merch-Stände und Nießnutzer des Showgeschäfts im ironischen Namen tragend, geben Merchandise aus Tampa, Florida ganz gerne Rätsel um ihre Identität auf.
Auf ihrer Facebook-Seite liest man im ersten Satz ihrer 'Biografie', dass sich die Band von abgegriffenen Band-Biographien gerne bewusst distanziert. Stattdessen nehmen Sänger Carson Cox, Gitarrist David Vassalotti und Bassist Patrick Brady lieber das Business auf den Arm und definieren ihr Projekt als Konglomerat aus Punk-Misanthropie, Mad Science, schlechtem Humor und Pop-Genialität.
Schon in der nächsten Quelle stößt man auf die wilde These, es handle sich bei Merchandise insgeheim um ein Duo inklusive Support-Mitglied, oder aber ein Trio samt Live-Drummer.
Das musikalische Fabrikat des enigmatischen Dreigespanns (so zumidest die offizielle Angabe) lässt sich ebenfalls nur unscharf umreißen. Bands wie Fugazi oder Black Flag werden vor allem als Referenzen für die frühe Undergroundgeschichte der Rockgruppe herangezogen. Vom Hardcore, praktiziert in schwitzigen Kellern Floridas, driften Merchandise nach der Gründung 2008 in immer seichtere Post-Punk/Pop Gefilde ab und veröffentlichen 2012 "Children Of Desire". Das eigens produzierte Debüt bietet Punk-Balladen und kernigen, in Hall getränkten Slowpop. Ein wenig von der Noisyness, die etwa Joy Division oder The Smiths salonfähig machten, schimmert da auf, obwohl auch hier Merchandise ihrem Konzept getreu verbal gegenrudern und lieber Vergleiche ziehen zu "Erasure, Suicide und Otis Redding, aus einem japanischen Keyboard heraus steigend"
Schließlich wird auch die Musik-Szene auf die Amerikaner mit dem Understatement im Band-Programm aufmerksam und bekommt mit der zweiten LP "Totale Nite" im Folgejahr ein noch poppig süßeres Substrat serviert, das aber auch experimentelle Pfade beschreitet und dabei auch dem Post-Punk Core keineswegs die kalte Schulter zeigt.
Das sollte sich allerdings ändern. Denn "After The End" ist, wie der Titel besagt, geprägt vom Umbruch. Merchandise wechselten im Vorfeld nicht nur das Label und schließen sich 4AD an, sondern holen sich auch Chris Horn (Gitarre, Keyboard, Saxophon) und Elsner Niño(Schlagzeug), beide vorher bereits Teil des Live-Ensembles, ins Boot um die zehn Songs in Tampa einzuspielen. Für den Produktionsposten finden sie mit Gareth Jones jemanden, der bereits am Sound von Depeche Mode und Interpol beteiligt war.
Auch wenn die zum Quintett aufgestockten Merchandise nicht kopfüber in die Major-Falle tappen, markiert ihr dritter Wurf doch die genommene Entwicklung vom Punk hin zum Pop. Gekonnt kratzen sie dabei die Kurve zum Kitsch und erinnern an viele Bands ohne diese zu kopieren.
Wo sich allerdings in dieser Band-Historie der Jazz-Einfluss eines Miles Davis versteckt haben soll, den Merchandise beharrlich anführen, bleibt wie so vieles andere auch ein Rätsel.
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