laut.de-Biographie
Morlockk Dilemma
Humor und gute Laune – was für die meisten Menschen untrennbar zusammen gehört, ist für Morlockk Dilemma beinahe ein Widerspruch. "Ich habe Spaß daran, dass es den Leuten nicht gut geht", verrät der Rapper im Interview mit rappers.in.
Tatsächlich sind seine Texte aber durchaus humorig, sofern man Morlockk Dilemma glaubt. "Es ist kein wirklicher Gute-Laune-Humor. Schwarz und trocken", kommentiert er Erzählungen über Gewalt und Alkoholkonsum. Wer den gebürtigen Leipziger jedoch unreflektiert in die Gangsterrap-Sparte einordnet, irrt.
Vielmehr steckt durchaus Tiefe zwischen den Zeilen, die sich zu ergründen lohnt. Zumindest dann, wenn der Hörer genügend Energie aufwendet, die salvenartig vorgetragenen Reime zu entschlüsseln. "Ich weiß, dass das schwer zu ertragen ist. Aber das ist auch die Eingangsbarriere zu meinem kleinen Club der Feingeister. Der Narr wird sich nach oberflächlichem Hören meiner Musik angewidert abwenden. Der Weise wird sie erneut hören, um dahinter zu steigen."
Zur zweiten Gattung gehören offenbar die einschlägigen Kritiker. Die Blogosphäre kommentiert und feiert jede MD-Veröffentlichung ausgiebig, die Juice kürt das Kollabo-Album "Apokalypse Jetzt" mit Hiob zum zweitbesten deutschsprachigen Release des Jahres 2009. Es ist nicht die einzige Verbindung, die Morlockk zum größten hiesigen Hip Hop-Magazin pflegt.
Gemeinsam mit zwei Redakteuren präsentiert er bis 2011 zweiwöchentlich seine eigene Radiosendung namens "Bodega" auf byte.fm. Erste Sporen in Sachen Journalismus sammelt er einige Jahre zuvor beim Leipziger Lokalsender Radio Blau, damals unter seinem bürgerlichen Namen Falko Luniak. Ein Studium der Journalistik schließt sich an.
Zum Rap kommt Luniak wie die Jungfrau zum Kind. Gabba ist der vorherrschende Musikstil in der Plattenbausiedlung im Leipziger Stadtteil Grünau, in dem er aufwächst. Ein Umzug geht mit einer Kehrtwende in Sachen Musik einher. 1997 war das, als Hamburg und Stuttgart die deutsche Hip Hop-Szene dominieren: "Ich habe diese Fun-Rap-Epoche gehasst, weil sie ein Bild erzeugt hat, dass alles nur Party und Spaß ist."
Morlockk selbst zählt sich zum Genre des Straßenraps. "Ich bin 81er Jahrgang. Ich habe meine Jugend in der ostdeutschen Platte verbracht. Mein Leben und das meiner Generation waren immer geprägt von Gewalt und Tristesse. Hip Hop ist eine Straßensprache, das heißt, wenn du diese Dinge erlebst, werden die sich auch in deiner Musik widerspiegeln", erinnert er sich an die 1990er zurück.
Dumpfe Gewaltverherrlichung ist Luniak dennoch fremd: "Oft wünsche ich mir bei Straßenrap, dass auch die andere Seite der Medaille gezeigt wird. Mir reicht es nicht, wenn alle damit prahlen, wie viel sie ticken und wen sie alles weggestochen haben. Da müssen auch die Situationen des Zweifels rein, die Paranoia, dass jemand mal sagt, wie er sich nach so einer Action in der U-Haft gefühlt hat. Die andere Seite halt."
Gemeinsam mit anderen mehr oder minder talentierten Rappern aus Leipzig unternimmt er seine ersten Schritte im Rap. Ende der 1990er entstehen die ersten Zeilen aus eigener Feder, um die Jahrtausendwende begründet er mit einigen Kollegen die Crew NahOstK (NOK), unter deren Label er erste Kassetten unter die Jugend bringt. Von da an steigt Morlockk Dilemmas Stern unaufhörlich. Auftritte auf dem Splash! und bei der Battleveranstaltung "Feuer über Deutschland" sind nur zwei der Karrierehighlights.
Mit seinem zweiten Soloalbum "Index Finest" macht der Leipziger im Jahr 2006 gehörig Eindruck auf die Szene und hält sein Standing mit "Omnipotenz In D-Moll" und "Circus Maximus". Jedes seiner Erzeugnisse entsteht in Eigenarbeit, bis 2009 sogar über das eigene Label Snuffpro. Danach wechselt Morlockk zu Spoken View, über der auch die Kollabo-Alben mit Hiob erscheinen. In Hiob findet Morlockk einen Verbündeten, der nicht nur seine Vortragsweise teilt, sondern auch den zynischen Humor.
Der Rapper bringt neuen Output wie am Fließband, seien es EPs wie der "Eiserne Besen"-Zweiteiler, Kollaborationen mit dem Betty Ford Boy, die Hexenkessel-Doppel-EP mit Brenk Sinatra oder Instrumental-EPs unter seinem Pseudonym Morlockko Plus, unter dem er seit 2011 unterwegs ist.
Ungewohnt zugänglich präsentiert sich der Musiker 2019 auf "Herzbube". Vier Jahre später überzeugt er auf "Am Grund" nicht nur mit altbekannten Battlerappunchlines, sondern auch mit autobiografisch geprägten Lyrics.
Der Name Morlockk Dilemma zielt übrigens auf Battlesituationen ab. Es stelle für andere Rapper ein Dilemma dar, zu erkennen, wo der zweite Teil des Künstlernamens herrühre. Morlockk ist eine Metapher auf den Underground Rap. In Herbert George Wells Science-Fiction-Roman "Die Zeitmaschine" haust eine Rasse von Menschen in unterirdischen Gefilden, die Morlocks. Gute Laune ist in diesen Tiefen nahezu ausgeschlossen. Zynismus und Aggression herrschen vor, Humor und Unbeschwertheit haben es hingegen schwer – vielleicht keine optimale Namensentlehnung, denn Falko Luniak verbindet insbesondere auf seinen Tapes neueren Datums das beste aus beiden (Rap)Welten.
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