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Die Avril Lavigne der 2010er

Ist es okay, öffentlich um einen Frauenschläger zu weinen? Billie Eilish, laut Kollegen Rinko Heidrich die "Avril Lavigne der 2010er", trauert nun jedenfalls öffentlich um den "Bad Guy" XXXTentacion. "Miss you. Hope you're okay up there. Long live you", schrieb sie auf Instagram. Eine Aktion, die ihr im Netz deutliche Kritik einbrachte.

Was uns zurück zum ewigen Thema bringt, ob man Künstler und Musik trennen kann. Es ist sicher immer der bequemste Weg, wenn man das kann. Man muss sich nicht von geliebten Werken zurückziehen, kann weiter alles genießen. Ich persönlich komme hingegen irgendwann an den Punkt, an dem mir dies nicht mehr gelingt. In dem die Taten des Künstlers eben der Musik einen unschönen Beigeschmack geben und ihr die uneingeschränkte Aufmerksamkeit nehmen. Schließlich finanziert die Kunst eben auch das Leben, die Äußerungen und Taten ihres Urhebers.

Letztendlich haben wir, denke ich, alle eine Grenze, die eben nur unterschiedlich radikal ausfällt. Manchen reicht es schon, wenn sich jemand positiv zum Brexit äußert, andere sind deutlich nachsichtiger.

Man sollte jedem Menschen aber auch zugestehen, diese Grenze selbst zu setzen, selbst zu entscheiden, wann und um wen sie trauern. Tut man dies öffentlich, muss man aber auch mit kritischen Reaktionen leben. Mehr als unglücklich ist es hingegen, wenn Kodak Black den miesen Frauenschläger in die Nähe von Malcolm X rückt.

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3 Kommentare mit 23 Antworten

  • Vor 5 Jahren

    Fake News mit Kate Bush. O-Ton: "I'm not a Tory, I blame Brexit". Einfach mal (vorher) googeln.

    • Vor 5 Jahren

      Ok. Das Beispiel stammt tatsächlich aus meinem Umfeld. Ein Bekannter von mir reagiert so auf sie. Deswegen geht es dabei mehr um ihn als um sie. Selbst wenn sie dafür wäre, würde ich sie trotzdem noch hören. Ich schau mir das aber noch mal an. Danke dir.

    • Vor 5 Jahren

      Habe es raus genommen. Sorry.

  • Vor 5 Jahren

    Hypothese: mglaw. War der dreckige Frauenschläger nicht ausschließlich und zu 100% dieses. Unter Umständen kann er, neben dieser Frauenschläger sache, sogar das unbeschwerte und lebensfrohe Enkelkind, der loyale Freund, der beste große Bruder oder liebeswerte Sohn von jemandem gewesen sein. Eventuell könnte man dann trauern. Vllt.

  • Vor 5 Jahren

    "Was uns zurück zum ewigen Thema bringt, ob man Künstler und Musik trennen kann. Es ist sicher immer der bequemste Weg, wenn man das kann."

    sehe ich piloophisch komplett anders:
    1. im gegenteil, es ist der unbequemste weg. nämlich dann, wenn man es nicht so subjektiv angeht, sondern strukturell. wenn man miteinbezieht, dass ein kunstwerk immer ein eigenleben entwickelt, welches seine eigene wirkungsgeschichte entfaltet, die ganz unabhängig vom urheber wirkt.

    2. dies muss man doch - zumindest auf der professionellen medialen ebene - auch im interesse aller mitwirkenden tun. das gebietet aus meiner sicht der respekt vor dem werk, vor der kunst per se. was kann herzog dafür, wenn kinski ein arsch war, was marr, wenn morrissey im alter abtickt, was der surrealismus, wenn dali ein franco-versteher war, was ein bahnbrechendes gemälde, wenn caravaggio ein mörder war? nichts!

    "thriller" etwa bleibt große popkultur aus ihrer zeit heraus betrachtet - egal was mit jacko ist. wäre die mona lisa weniger brillant, wenn da vinci morgen als serienkiller entlarvt würde?

    3. ich würde sogar so weit gehen, dass unsere gesellschaft mittlerweile immer unfähiger und puritanischer mit der kunst umgeht. man muss sich mal überlegen, dass es etwa in den usa schon so weit geht, dass ein schauspieler aus dem fertigen film geschnitten wird (spacey) oder großartige, intelligente werke wie woody allens theaterstücke und filme aus dem programm genommen werden.

    für mich ist das ein ausdruck völliger unfähigkeit, zwischen person und werk zu differenzieren. es gibt nur noch schwarz und weiß. denkt man das bis zum ende, landet man wieder bei der bücherbverbrennung wie vor 80 jahren. das wäre dann tatsächlich der bequemste weg.

    ich halte folgendes auch für eine nicht gesunde anspruchshaltung des publikums:
    es ist kindisch, zu erwarten, dass künstler bessere menschen zu sein haben als alle anderen. das ist nur ausdruck von idealisierender projektion. geht kaum peinlicher als so eine anspruchshaltung, die heilige einfordert und bei nichterfüllung sinnlos das jeweilige werk kriminalisiert.

    nick cave hat es neulich sehr schön am beispiel morrissey erläutert. sehr guter text.

    • Vor 5 Jahren

      Guter Beitrag!

    • Vor 5 Jahren

      "es ist kindisch, zu erwarten, dass künstler bessere menschen zu sein haben als alle anderen."

      Natürlich sollte man nicht erwarten, dass Künstler bessere Menschen sind. Es reicht ja schon, wenn man an sie exakt den gleichen moralischen Anspruch stellt, wie an jeden anderen auch.
      Sprich: du handelst menschenverachtend, also unterstütze ich dich nicht.
      Dass der Künstler, im Gegensatz zum Durchschnittsbürger dabei "Kunst" fabriziert sollte dabei dann mMn auch herzlich wenig relevant sein. Denn jedes bisschen "Respekt" vor einem so abstrakten Gebilde wie "Kunst", die letztlich nur in unserem Geiste existiert, verglichen mit der Form von Respekt, mit der wir uns als Menschen im realen Leben begegnen sollten, ist einfach absolut nichtig. Oder krasser wer meint, sein persönlicher Egotrip, den er beim Durchleben "höherer Kunst" erfährt, ließe sich irgendwie in die gleiche Wagschale werfen, wie die Art und Weise wie wir Menschen und gegenseitig be- und misshandeln hat meiner Meinung nach schlicht und einfach nicht mehr alle Latten am Zaun und sollte seine Prioritäten mal ganz schnell und ganz feste neu ordnen.

      Gut, wenn der Künstler jetzt eh schon tot ist oder durch deinen Konsum seiner Kunst nicht profitiert, dann ist das in meinen Augen natürlich herzlich latte, sofern man es dann selber schafft in seinem Geiste Künstler und Kunst zu trennen. Ich kann es jetzt auch niemandem verübeln, der das nicht schafft und würde jetzt auch nicht definitiv sagen wollen, welches von beiden die "gesündere" Haltung ist.
      Aber dann sollte es man halt in diesem konkreten Fall auch konkret trennen. Soll heißen, wenn Billie Eilish die Mukke von XXXTentation geil findet, ist das eine Sache. Wenn sie die (wenn auch tote) Person undifferenziert als vermissens- und lobenswert anpreist, aber eine komplett andere.
      Und entsorechend finde ich es auch nicht schade, wenn Woody Allen's Werke nicht mehr gezeigt werden, einfach aus der Tatsache heraus, dass sie "große Kunst" seien und nichts andere zählt, sondern höchstens aus der Tatsache heraus, dass die Beweislage in diesem spezifischen Fall alles andere als durchsichtig ist und man durchaus berechtige Zweifel haben kann, ob er sich der im Raum stehenden Vorwürfe überhaupt schuldig gemacht hat.

    • Vor 5 Jahren

      schöne gegenrede. danke :)

      du sagst: ""Respekt" vor einem so abstrakten Gebilde wie "Kunst", die letztlich nur in unserem Geiste existiert, verglichen mit der Form von Respekt, mit der wir uns als Menschen im realen Leben begegnen sollten, ist einfach absolut nichtig. Oder krasser wer meint, sein persönlicher Egotrip, den er beim Durchleben "höherer Kunst" erfährt, ließe sich irgendwie in die gleiche Wagschale werfen, wie die Art und Weise wie wir Menschen und gegenseitig be- und misshandeln hat meiner Meinung nach schlicht und einfach nicht mehr alle Latten am Zaun und sollte seine Prioritäten mal ganz schnell und ganz feste neu ordnen."

      1. da liegt schon der fehlschluss. kunst ist doch gerade nicht abstrakt. sie ist höchst konkret. sie ist ausdruck der jeweiligen kultur einer ära im jeweiligen kulturkreis. sie beeinflusst ganz konkret das leben einzelner oder sogar von millionen. hieraus ergibt sich eine prägende (!) wirkungsgeschichte, eine eigene - meist positive - qualität, die ihrerseits wieder andere künstler, eine neue generation von publikum etc beeinflusst.

      2. das alles ist ein neutraler vorgang, der meist ganz unabhängig vom schöpfer als privatperson funktioniert. denn du stimmst sicherlich zu: der wirkungskreis von "thriller" oder caravaggios bildern wird musik- und kunstgeschichtlich nicht dadurch tangiert, ob beide personen kriminelle waren. ob der urheber totist oder lebt, kann dabei nicht allen ernstes ein objektives kriterium sein. man denke sich nur die absurdität, wir sperren filme, songs, gemälde solange weg, bis der autor in der kiste liegt. eine farce!

      3. und was ist mit punkt 2? den ignorierst du. denn es ist eine strukturelle gesamtargumentation, die aufeinander aufbaut. wer etwa für die verfemng von woody-filmen eintritt, der drückt sich um die frage, was ein kunstwerk wie "der stadtneurotiker" etwa mit allen privatkrieg zu tun hat. nichts oder? was kann eine diane keaton dafür, die hier die rolle ihres lebens spielte? nichts oder?

      und noch besser: stell dir vor, es käme raus, dass mia farror alles lanciert hat? dreht sich das kita-boykottspieldann auf einmal um und wir rehabilitieren den "stadtneurotiker"m klopen dann aber "tod auf dem nil" und "rosemaries baby" in die tonne?

      worauf ich hinaus will: das ist doch zutiefst kognitiv dissonant, die wut auf eine person an einem objekt aus zu toben, welches mit dem monierten sachverhalt nichts zu tun hat.

      4. auch verlässt du den pfad aller sachlichkeit, indem du differenzierungsfähigen einen egotripp bzw fehlenden moralischen kompass unterstellst. damit ersetzt du sachliche argumente durch emotion. ab dem punkt ist eine diskussion meist verloren.

      5. stattdessen frage ich dich: wo sind denn deine kriterien? ab wann istkunst gesellschaftlich zu verbannen? ich habe einen vorschlag: dort, wo sie nicht im innerenzusammenhang mit den taten ihres urheber steht, geht sie klar. sonst nicht.

      damit wäre "derrick"ok, nicht aber riefstahl "triumph des willens". damit wäre death in junes "rose clouds of holocaust" raus, nicht aber das unpolitische "little blacvkangel". damit wäre dali ok, nicht aber bestimmte sachen von breker.

      ergebnis: ohne objektive kriterien geht es nicht. und genau deshalb ist dieser weg nicht bequem, so man ihn von fall zu fall bewusst prüfend beschreitet.

      natürlich ist das kein wettern gegen private ablehnung und boykott des einzelnen. deine argumentation "möchte ich nicht unterstützen" ist ja legitim. problematisch wird sie erst, sobald sie zur gesellschaftlich erhobenen doktrin wird, die per mehrheits- oder lautstärke- oder empörungsentscheid über kulturgüter entscheidet.

    • Vor 5 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 5 Jahren

      Okay, erst einmal zur Klärung: Wenn du meinst, es könne ja nicht sein, dass man bestimmte Kunstwerke in die Tonne kloppt, nicht aufführt, der Öffentlichkeit unzugänglich macht, etc. wem wird da deiner Meinung nach Unrecht getan? Der Kunst und/oder den potenziellen Rezipienten?

    • Vor 5 Jahren

      nicht "oder" sondern "un"; nicht alternativ, sondern kumulativ.

      allen: der kultur, dem publikum, dem möglichen erkenntnisgewnn, den am projekt beteiligten und auch der intelligenz. denn der inhalt eines films hat ja nn nix mit dem privatleben des erschaffers zu tun.

      geh doch mal auf mein mona lisa und caravaggio-beispiel ein und stell dich der strukturellen argumentation en detail. das ist ja nun extra für dich nochmal komplex gemacht.

    • Vor 5 Jahren

      Naa gut, dann eben alles der Reihe nach. Kann dann aber ein Weilchen dauern:

      1. "[kunst] ist ausdruck der jeweiligen kultur einer ära im jeweiligen kulturkreis. sie beeinflusst ganz konkret das leben einzelner...."

      Das ist sicherlich richtig so. Das ist jetzt erst einmal eine Beschreibung von Kunst an sich und im Allgemeinen und hat mit Einzelwerken und wie wir damit umgehen erst einmal herzlich wenig zu tun. Hätte es die Mona Lisa oder irgendein individuelles Werk nicht gegeben, hätte sich Kunst(geschichte) ja trotzdem weiterentwickelt und Leute wären von Kunst beeinflusst worden. Nur halt anders. Das kann also an sich noch kein Pauschalargument dafür sein, wie wir mit Kunst umgehen, sondern es ist offensichtlich immer wichtig den Einzelfall zu betrachten. Und damit zu Punkt 2.

    • Vor 5 Jahren

      2. "das alles ist ein neutraler vorgang, der meist ganz unabhängig vom schöpfer als privatperson funktioniert."

      Du drückst es ja schon ganz passend aus. Es funktioniert "meist" unabhängig vom Schöpfer. Deswegen funktioniert es aber nicht "immer" unabhängig vom Schöpfer, ist also weder unumstößliches Natursgesetz, noch taugt es alleinig als Kriterium ob es denn auch unabhängig funktionieren "sollte".

      "denn du stimmst sicherlich zu: der wirkungskreis von "thriller" oder caravaggios bildern wird musik- und kunstgeschichtlich nicht dadurch tangiert, ob beide personen kriminelle waren."

      Nein, da stimme ich dir überhaupt nicht zu. Du kannst mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass die relativ sichere Tatsache, dass Michael Jackson ein mieser Kinderschänder war, keinen Einfluss darauf hat, wie junge Künstler heute sein Werk rezipieren und wie sehr sie sich davon inspirieren lassen (können).

      "man denke sich nur die absurdität, wir sperren filme, songs, gemälde solange weg, bis der autor in der kiste liegt. eine farce!"

      Und was genau ist daran jetzt absurd, außer der Tatsache, dass es eher unüblich wäre und es dir persönlich nicht gefallen würde. Etwas als Farce zu bezeichnen ist allein für sich noch kein Argument und ein weiteres, warum das ungut wäre hast du hier nicht geliefert.

    • Vor 5 Jahren

      Wobei du da in 3 schon etwas näher drauf eingehst. Das kommt jetzt als nächstes.

    • Vor 5 Jahren

      3. "wer etwa für die verfemng von woody-filmen eintritt, der drückt sich um die frage, was ein kunstwerk wie "der stadtneurotiker" etwa mit allen privatkrieg zu tun hat. nichts oder? "

      Mal abgesehen davon, dass ich mir nicht ganz sicher bin für was "verfemng" ein Tippfehler ist, zeigst du hier nur, dass du die Position dieser Leute entweder nicht verstehst oder verstehen willst. Was es damit zu tun hat, ist dass eine Herausgabe/Vorführung des Films mit einer ganz realen monetären und nach mancher Leute Meinung auch ideellen Unterstützung des Künstlers verbunden ist. Es hat also ganz offensichtlich zumindest etwas mit dem Künstler als Mensch und Person zu tun und das muss man nicht für wichtig halten. Aber zu behaupten, dass solche Positionen komplett alogisch und unverständlich wären hilft niemandem weiter und ist keine wirkliche Grundlage für eine Erkenntnisorientierte Diskussion.

      "was kann eine diane keaton dafür, die hier die rolle ihres lebens spielte? nichts oder?"

      Ich weiß nicht, ob du das absichtlich oder unabsichtlich machst, aber du übernimmst hier das Argumentationsmuster der Seite, gegen die du eigentlich argumentierst.
      Du sagst mehr oder weniger, dase Diane Keaton ja "unschuldig" ist und deswegen nicht für ihre Glanzleistung "bestraft" werden sollte. Das ist aber nur dann ein gültiges Argument, wenn auch das Gegenteil gilt, dass "schuldige" "bestraft" werden sollten. Entweder akzeptierst du hier also unbewusst zumindesr zum Teil Argumente der Gegenseite oder baust hier einfach nur einen billigen Strohman auf. Beides hilft deiner Argumentstion nicht weiter.

      "und noch besser: stell dir vor, es käme raus, dass mia farror alles lanciert hat? dreht sich das kita-boykottspieldann auf einmal um und wir rehabilitieren den "stadtneurotiker"m klopen dann aber "tod auf dem nil" und "rosemaries baby" in die tonne?"

      Das ist jetzt das gleiche Nichtargument wie bei Punkt 2 mit dem unter Verschluss halten von Kunst. Du sagst, es wäre ja albern, wenn sich das dann so umdrehen würdest, lieferst darüber hinus aber kein Argument, "was" jetzt albern wäre oder warum oder warum das nicht gut wäre.

      "worauf ich hinaus will: das ist doch zutiefst kognitiv dissonant, die wut auf eine person an einem objekt aus zu toben, welches mit dem monierten sachverhalt nichts zu tun hat."

      Das ist nur dann kognitiv dissonant, wenn man meint, das Objekt hätte keine Verbindung zum Künstler. Das ist aber, wie oben schon erläutert, in Teilen schlicht faktisch der Fall (monetäre Unterstützung) und in Teilen schlicht Ansichtssache.

    • Vor 5 Jahren

      Und damit erst einmal genug. Die weiteren Punkte dann (wahrscheinlich) morgen.

    • Vor 5 Jahren

      whoohoo! schönes ding :)

      1. "Nein, da stimme ich dir überhaupt nicht zu. Du kannst mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass die relativ sichere Tatsache, dass Michael Jackson ein mieser Kinderschänder war, keinen Einfluss darauf hat, wie junge Künstler heute sein Werk rezipieren und wie sehr sie sich davon inspirieren lassen (können)."

      ja heute. aber das meine ich ja nicht. der wirkungskreis begann 1982. der ist als prägung längst abgeschlossen. und was ich kumulativ meine - das war evtl nicht so deutlich: "beat it" ist einfach ein guter song. er bleibt es ja. egal ob der interpret nen nobelpreis kriegt oder sich als krimineller entlarvt, ändert daran ja nichts. das kann auch die musikgeschichte nachträglich nicht ändern. die prägung ist ja durch und teil der geschichte. diese geschichte aus zu radieren ergibt rational aus meiner sicht keinen sinn.

      wie junge künstlwer sein werk heute wahrnehmen, wird sicherlich davon beeinflusst. aber das bleibt ja ne individuelle frage. es sollte keine gesellschaftskollektive frage von dogmen sein. denn die wäre ja notgedrungen geschichtsklitternd und unvollständig.

      deshalb habe ich auch den caravaggio erwähnt und die mona lisa. wenn etwas seinen geschichtlichen prägungsstempel innehat und rein werkbezogen auf die kunstentwicklung wirkte, ist es für diese entwicklung der kunst völlig unerheblich ob caravaggio ein heiliger war oder ein mörder. es gibt zwischen beidem keinen zusammenhang.

      2. "Hätte es die Mona Lisa oder irgendein individuelles Werk nicht gegeben, hätte sich Kunst(geschichte) ja trotzdem weiterentwickelt und Leute wären von Kunst beeinflusst worden. Nur halt anders. "

      aber genau deine letzten drei worte sind doch der springende punkt. die realität war so und nicht anders. eine nachträgliche radierung/verfemung ergibt ergo zwangsläufig ein schiefes bild, das rationale fakten per moralin radiert. der jeweils konkrete einfluss des einzelnen werks oder gesamtkatalogs ist doch schon nach der conditio sine qua non-theorie die entscheidende bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohna dass das ergebnis sich ändert. das ist ein rein rationaler vorgang, der durch gefühle und ethik nicht suspendiert werden kann. 1 und 1 ist ja auch dann noch 2, wenn 1 jemanden umgelegt hat.

      3. "Du sagst, es wäre ja albern, wenn sich das dann so umdrehen würdest, lieferst darüber hinus aber kein Argument, "was" jetzt albern wäre oder warum oder warum das nicht gut wäre. "

      doch, aber evtl nicht so deutlich. lass es mich so versuchen: farce, weil man damit das bestehen oder verfemen eines schöpferischen werks nicht etwa nach objektiven qualitätskriterien künstlerischer natur bemisst, sonder nach sachfremden (!) erwägungen, die sich auf irrationalen gefühlen gründen und keine fachkriterien sind.

      4. "Was es damit zu tun hat, ist dass eine Herausgabe/Vorführung des Films mit einer ganz realen monetären und nach mancher Leute Meinung auch ideellen Unterstützung des Künstlers verbunden ist. Es hat also ganz offensichtlich zumindest etwas mit dem Künstler als Mensch und Person zu tun und das muss man nicht für wichtig halten. Aber zu behaupten, dass solche Positionen komplett alogisch und unverständlich wären hilft niemandem weiter und ist keine wirkliche Grundlage für eine Erkenntnisorientierte Diskussion."

      drei gegenargumente: zum einen wird damit das publikum bevormundet, weil es nicht die chance erhält, sich über die kunst ein eigenes urteil zu bilden. desweiteren darf man bei filmen nicht vergessen, dass sie auch immer den leistungen vieler entspringen, die man kurzerhand gleich mit echnatonisiert. ich wiederhole: was kann ein werner herzog dafür, wenn kinski mutmaßlich kriminell war? nichts! der wird aber mit ausradiert. diese angeblich so moralische position der verfemer viktimisiert in wahrheit erneut. kollateralschaden? und drittens sehe ich die gefahr, dass die anspruchshaltung immer puritanischer wird. am ende muss kunst entpolitisiert sein und sein schöpfer porentief blütenweiß, weil die gesellschaft alles andere nicht mehr erträgt. die erste stufe ist dann so etwas, was wir besprechen. die letzte ist dann die einschränkung der kunstfreiheit dahingehend, dass man erst "würdig" sein muss, kunst zu erschaffen. und zu glauben, man könne so eine entwicklung in gang bringen und auf hardcorekriminelle acts begrenzen, ist aus meiner sich ein irrtum. gerade in unserem land mit der historie samt bücherverbrennung, entartete kunst etc bin ich da lieber übersensibel als leichtsinnig.

      5. "Du sagst mehr oder weniger, dase Diane Keaton ja "unschuldig" ist und deswegen nicht für ihre Glanzleistung "bestraft" werden sollte. Das ist aber nur dann ein gültiges Argument, wenn auch das Gegenteil gilt, dass "schuldige" "bestraft" werden sollten"

      nein, ist es nicht. warum? es ist vielmeehr die beweisführung, dass der moralisch motivierte verfemungsansatz immer und notwendigerweise zum scheitern verurteilt ist, weil er immer nur einen ausschnitt des problems behandelt und zwangsläufig neue viktimisierung kreirt, obgleich er das gegenteil anstrebt und sich besonders sensibel wähnt. es ist also ein sog. "selbst, wenn, dann wäre aber"-schluss, der ein völlig legitimes iskussions- und argumentationsmittel ist.

      so, mehr fällt mir gerade nicht ein. macht aber spaß mit dir. danke. würde natürlich noch mehr spaß machen, so man es imdirekten gespräch täte. aber irgendwas is'ja imma.

    • Vor 5 Jahren

      Mhh, gut, ich werde jetzt erst einmal auf deinen neuen Kommentar Bezug nehmen und dann schauen, ob ich zum noch ausstehenden Rest vom ersten noch komme:

      "die prägung ist ja durch und teil der geschichte. diese geschichte aus zu radieren ergibt rational aus meiner sicht keinen sinn."

      Ich verstehe ganz ernsthaft nicht, was du hier sagen willst. Du sagst es ja selber, die Geschichte ist durch und die Wirkungsgeschichte hat sich dadurch so und so entwickelt. Wie soll sich da denn noch irgendetwas ausradieren lassen? Hat bisher irgendjemand gefordert, alle Nennungen von Michael Jackson aus den Geschichtsbüchern zu verbannen oder seine Werke zu verbieten? Wenn überhaupt drehen sich solche Diskussionen doch nur darum, wie wir mit solchen Werken im hier und jetzt umgehen und weiter konsumieren. Die vorherige Geschichte bleibt davon doch völlig unberührt.

    • Vor 5 Jahren

      "doch, aber evtl nicht so deutlich. lass es mich so versuchen: farce, weil man damit das bestehen oder verfemen eines schöpferischen werks nicht etwa nach objektiven qualitätskriterien künstlerischer natur bemisst, sonder nach sachfremden (!) erwägungen, die sich auf irrationalen gefühlen gründen und keine fachkriterien sind."

      Mal abgesehen davon, dass mir bei einem Begriff wie "OBJEKTIVEN Qualitätskriterien künstlerischer Natur" ganz übel wird, bestreitet das ja auch niemand. Niemand behauptet, dass ein Boykott(aufruf) zu Kunstwerk XY eine direkte Kritik am Kunstwerk an sich ist, auch nicht die Person, die sich dafür ausspricht. Die Person behauptet höchstens, dass es schlicht wichtigere Dinge gibt, als die Tatsache, dass man jetzt in Erfahrung von Kunstwerk XY kommt oder nicht. Das Wohl eines anderen Menschen zum Beispiel.

      Davon einmal abgesehen verbreitet sich Kunst aber sowieso NIE allein aufgrund "objektiver" dem Kunstwerk inneliegender Kriterien. Oder meinst du etwa, dass z.B. die Tatsache, dass die frühen Beatles so viel erfolgreicher waren als ihre schwarzen Vorbilder sich ausschließlich in der Musik selber begründen lässt? Das ist jetzt aber ein andere Thema und führt vom eigentlichen Thema eher weg. Von daher werde ich das diesbezüglich bei diesem einen Einschub belassen.

    • Vor 5 Jahren

      das eine hängt mit dem anderen zusammen. scheu mal: wir haben eine wirkungsgeschichte a). durch verfemenden, echnatonisierenden umgang wie nichtaufführng etc tut man in der gegenwart so, als stünde diese werke zur disposition.

      damit negiert und nivelliert man diese kunst aus sachfremden, irrationalen und kunstfernen motiven und gesichtspunkten. da jedoch das jeweilige kunstwerk seiner beschaffenheit nach nicht in konkret inneren zusammenhang zu taten des jeweiligen schöpfers steht, tobt man sich hier am falschen sündebock aus.

      beispiel:

      a: gerade "beat it" gehört. bei den eltern auf dem dachboden gefunden. superr track. hat mich total zu ner choreografie inspiriert.

      b: (in moralisch erhabener kognitiver dissonanz) du jetzt aber mal echt, du. finde voll schlimm von dir, dass du diese kinderfickermucke hörst. wie bist du denn drauf? gehen dir die opfer am arsch vorbei?

      a: ich sage doch nur,dass das ein toller song ist. das lied hat nen klasse rthythms und hat schon vorherige generationen begeistert. das lied funktioniert auf dem dancefloor und hat auch niemanden missbraucht.

      b: (entrüsstet) du bist ignorant. das ist doch kifikakke.

      usw.... das ist genau jene irrationalität, mit der solche themen mehrheitlich im netz behandelt werden.

    • Vor 5 Jahren

      "zum einen wird damit das publikum bevormundet, weil es nicht die chance erhält, sich über die kunst ein eigenes urteil zu bilden"

      Das Argument macht aber nur Sinn unter der Annahme, dass Kunst irgendwie ein "Recht" hat, von allen gesehen zu werden oder dass es dafür eine moralische Verpflichtung gibt, (alle) Kunst zu veröffentlichen. Und das ist nicht nur eine ziemlich fragwürdige These, es ist auch eine, die mit der Realität vollkommen inkompatibel ist. Denn das Publikum wird ständig und andauernd bevormundet und es werden ihm Werke vorenthalten. Jedes Mal wenn das Radio das dritte Mal einen altbekannten Song spielt, statt etwas Neues. Jedes Mal, wenn ein Studio sich entscheidet, einen Film nicht zu veröffentlichen, weil er nicht den eigenen Ansprüchen genügt, es internen Streit gab, weil er nicht als rentabel eingeschätzt wird. Wenn der Künstler sich nicht traut etwas zu veröffentlichen, weil er zu schüchtern ist. Wenn Band X einen Plattenvertrag bekommt, aber Band Y nicht. Das sind oft Entscheidungen, die aus viel niederen Motiven getroffen werden (Geld). Müsstest du dagegen dann nicht viel mehr auf die Barrikaden gehen als gegen die Fälle, in denen Menschen zumindest versuchen eine gutgemeinte moralische Entscheidung zu treffen?
      Niemand hat an und für sich das RECHT auf die Kunst eines anderen. Und worauf so eine These letztlich hinaus läuft ist ein einfaches "Ich (bzw. die für meine Interessen vorgeschobene "Öffentlichkeit") möchte XY sehen und bin der Meinung, dass andere mir diese Dienstleistung erbringen müssen".

    • Vor 5 Jahren

      "Das Argument macht aber nur Sinn unter der Annahme, dass Kunst irgendwie ein "Recht" hat, von allen gesehen zu werden oder dass es dafür eine moralische Verpflichtung gibt, (alle) Kunst zu veröffentlichen. Und das ist nicht nur eine ziemlich fragwürdige These, es ist auch eine, die mit der Realität vollkommen inkompatibel ist. "

      oh come on, sowas kann man doch nur schreiben, wenn man den gesamtzusammenhang "kulturlynchmob without a cause", denn ich hier mit mehr nd mehr verzweifeltem appell an rationalität ausführlich darlege, komplett ignoriert.

      du kannst do nicht ernsthaft - nach allem, was ich hier strukturell (nicht persönlich, sonst hätte ich bestimmt nicht jackson als beisüiel genommen) darlege, genau denselben verkürzenden satz bringen, der schon obig in der kolumne rationale argumente durch "ihr wollt ja bloß, wa!" wiederholen.

      und du betreibst einen rhethorischen taschenspielertrick. nämlich jenen, der die these eine kulturwächterlynchmbs, der über kunst nach gutdünken bzgl wohlverhaltens des schöpfers soverdreht, dass es nur dann sinn ergäbe, so man daraus im umkehrschluss eine art rechtsanspruch auf aufführung postuiere.

      das bringt uns aber nicht weiter. denn du drückst dich weiterhin, um die ethische frage, weshalb es der gesellschaft nicht etwa darum gehen sollte, wertvolle und/oder einflussreiche kunst zu erhalten als kulturgut, sondern mittels sachfremder, rein emotionaler erwägung kunst nur dann im öfentlichen raum akzeptiert, so der künstler auch frei von fehl nd tadel wäre.

      das bedeutet nämlich, dass amende nicht etwa die interesanteste, fordernste, reevanteste etc. kunst stattfindet, sondern nur jene von quasi-heiligen. nun ist es aber kein geheimnis, dass die besten künstler, die einflussreichsten künstzler nicht automatisch die besten menschen sind.

      im endergebnis stünde also einfalt über vielfalt, weil kunst zuerst eine art inqisition durchlaufen müßte. du kannst mir nicht erzählen, hierin keinen totalitären abnsatz zu erblicken. dafür bist du zu verständig. insofern verstehe ich deine weigerung nicht, zumindest teilweise folgende, genannte kognitive dissonanz zu begreifen:

      damit negiert und nivelliert man diese kunst aus sachfremden, irrationalen und kunstfernen motiven und gesichtspunkten. da jedoch das jeweilige kunstwerk seiner beschaffenheit nach nicht in konkret inneren zusammenhang zu taten des jeweiligen schöpfers steht, tobt man sich hier am falschen sündebock aus.

      ich weiß nicht, wie du das siehst. aber ich - und dasmeine ich tatsächlich privat als mensch, möchte nicht in einer hysterischen gesellschaft leben, die ein rationales beurteilungspektrum per gefühlscocktail gen daumen hoch/daumen runter zu entscheiden anmaßt.

      deshalb zitiere ich zum schluss nick cave, der mir aus der seele spricht. ersagt am beispiel morrissey, sobald man einen song veröffentlicht, gehört er nicht mehr dem urheber, sondern auch dem publikum, der welt. deshalb führt dessen eigenleben automatisch zum schiefen ergebnis, wenn man das werk aus dem verkehr zieht, nur weil man den urheber begründet nicht mag.

      so, das war erst einmal gut. mehr fällt mir nicht ein. danke fürs mitspielen. ich muss jetzt erstmal an nen baldigen meilenstein ran. deshalb war das wohl das letzte posting zum thema für ein paar tage. bis dann :)

    • Vor 5 Jahren

      ps: sehr guter artikel in der unverdächtigen taz zum thema. kann ich nur empfehlen:

      "Aber es gibt noch etwas, das mich gegenwärtig schwer beunruhigt: Nämlich die Unfähigkeit, Ambivalenz auszuhalten. Also: dass ein Mensch zum Beispiel zugleich ein exzellenter Musiker, aber auch Kinderschänder sein kann. Das führt letzten Endes zu dem Reinheitsgedanken: Michael Jackson muss aus dem kulturellen Gedächtnis getilgt werden. Und die Kunstwerke selbst müssen natürlich auch rein sein, weil man sich sonst belästigt fühlt. Da zeigt sich eine neue Form von Sensibilität ..."

      "Sensibilität ist freundlich formuliert."

      "Aber der Begriff ist interessant! Wir sind als moderne Subjekte mit einer sensiblen Außengrenze ausgestattet: Wann tangiert mich etwas? Was verletzt mich? Wird durch dieses oder jenes meine Würde angetastet? An diesen Formulierungen merkt man schon, wie zentral das Fühlen und Empfinden für uns ist. Sensibilität ist der Motor des Anerkennungskampfes von unterdrückten Gruppen. Aber sie kann eben auch vom Progressiven ins Regressive kippen und zu moralischem Totalitarismus führen, um einen Ausdruck von Thea Dorn zu verwenden."
      https://taz.de/Von-moralischem-Totalitaris…

    • Vor 5 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 5 Jahren

      Okay gut, ich werde mich hier dann nachher auch noch einmal abschließend äußern und werde dir da wahrscheinlich sogar in bestimmten Belangen entgegen kommen. Ich hoffe dir wird das dann entsprechend auch gelingen.