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Viv Albertine: "A Typical Girl"

Viv wer? Es gilt, eine Wissenslücke zu schließen. Weniger, weil man Albertine als Gitarristin der UK-Female-Punkband The Slits oder deren Meilenstein "Cut" von 1979 kennen müsste. Sondern weil ihre Autobiografie "A Typical Girl" aus dem Wust ach so wilder Punkrock-Erinnerungen herausragt wie der Fels aus der Brandung.

Die Britin hat ein Buch geschrieben, das ein Musterbeispiel in Haltung und Attitüde darstellt. Ob als 20-jährige Londonerin, die sich traut in der Männerdomäne Rock'n'Roll Gitarre zu lernen, ob als Geliebte von Clash-Star Mick Jones oder als strukturierte Planerin des in Szenekreisen zu Ruhm gekommenen Chaos-Mädchenhaufens The Slits, der an jeder Ecke kritisch beäugt wurde. "Sie wussten nicht, ob sie uns ficken oder töten sollen", fasst Albertine die ihrer Band entgegen geschleuderte und heute kaum noch fassbare Verachtung trocken zusammen. Versuchte Vergewaltigungen und Messerattacken auf offener Straße, dazu genügte es 1977 schon, als Frau offen Dreadlocks zu tragen wie Slits-Sängerin Ari Up.

Das Buch ist unterteilt in zwei Hälften: A- und B-Seite. Seite A ist Jugend, das erste Kapitel heißt "Masturbieren". Seite B ist Alter und dementsprechend heavy. Bemerkenswert und extrem mutig, mit welcher Prägnanz die in Kürze 62-Jährige das altersbedingte Verschwinden alter Sehnsüchte und den Verfall des eigenen Körpers thematisiert, so wie zuvor noch die Gefühle ihres 40 Jahre jüngeren Ichs mit all seinen Träumen und herzzerreißenden Ups and Downs, die jeden Twentysomething heimsuchen. Nun ist Albertines Band zerbrochen, Punk tot, sie selbst ratlos. Erstes Kapitel: "Verloren".

Nachdem sie in ihrer Slits-Zeit ein Kind abgetrieben hat, will Albertine nun unbedingt Mutter werden. Sie erleidet mehrere Fehlgeburten, aber sie kämpft weiter. Eine Ziellinie gibt es in ihrem Leben lange nicht. Schließlich kommt noch eine Krebs-Erkrankung und eine zerbrochene Ehe hinzu. "A Typical Girl" ist ein völlig anderes Buch über Punk, Feminismus und Mutterschaft geworden als Kim Gordons ebenfalls hochklassiges "Girl In A Band" aus dem Vorjahr. Am Ende schnauft man drei Mal durch, wenn man hautnah dabei ist und ungläubig verfolgt, wie Viv Albertine doch noch ihre ganz persönliche Ziellinie erreicht.

Viv Albertine, "A Typical Girl", Suhrkamp, Klappenbroschur, 478 Seiten, 18 Euro. Wertung: 5/5.

Wir verlosen drei Exemplare des Buches. Schreibt eine Mail mit dem Betreff "A Typical Girl" an gewinnen@laut.de.

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