Dan Charnas - "Dilla Time"
Worum gehts?
"The Life and Afterlife" hat es sich explizit nicht zum Ziel gesetzt, das Leben von Detroiter BoomBap-Großmeister J. Dilla biografisch nachzuerzählen. Klar, die typischen Kapitel über Jay Dees Kindheitsfreunde und erste Rap-Kumpanen und die Zeit im Krankenhaus am Ende gibt es, aber "Dilla Time" ist mehr eine musik-nerdige Aufbereitung einer oft unqualifiziert in den Raum geworfenen Phrase: Er hat Musik verändert. Das sagen viele ja gerne über vieles. "Ja, wie denn?", möchte man dem gerne entgegenhalten.
Dan Charnas wendet sich an Kollegen wie Preemo, D'Angelo, Q-Tip oder die Pharcyde, aber auch an verdammte Jazz- und Kompositions-Wissenschaftler, die sich mit Dilla beschäftigt haben, und erzählt Dillas besonderen Swing nach, das Micro-Timing, wie es in die Wissenschaft eingegangen ist. So bekommt man unterhaltsam und einleuchtend erklärt, wie Dilla "die MPC wie ein Drumset" gespielt haben soll, ergo wieso seine Beats immer so besonders warm und organisch klangen - inklusive einer kleinen Rhythmusgeschichte und Mit-Klatsch-Übungen für zuhause.
Wer hats geschrieben?
Der Musikjournalist Dan Charnas, der seine Fühler überall in Musikwissenschaft, Geschäft und Journalismus gesteckt hat, sich aber vor allem damit hervortut, als uninvolvierter und neutraler Erzähler die pure Nerd-Faszination sprechen zu lassen. Man merkt, dass hier keine Agenda vorherrscht und er auch kein Problem hat, Dilla in seiner Lebensgeschichte an den angemessenen Stellen als ziemlichen Arsch darzustellen - aber wenn es um die Musik geht, findet er die faszinierenden Stellen, ohne in Verklärung oder Heldenverehrung abzurutschen.
Wer solls lesen?
Alle, die entweder schon um drei Uhr morgens zum Instrumental von "Life" geweint haben, oder alle, die mit der Fruity Loops-Demo unter ein von YouTube geripptes Jazz-Sample die Fruity Kick 1 und die Fruity Snare 1 auf jeweils die 1, 2, 3 und 4 gelegt haben und sich gefragt haben, was zu ihrem persönlichen "Donuts" denn jetzt noch fehlt, verdammt nochmal.
Das beste Zitat:
"James [J. Dilla] called DJ House Shoes over to hear the results. First he played the dry, a capella vocal, which sounded to Shoes something like a cross between Curtis Mayfield and Tiny Tim. Shoes fell to the floor in a fit of laughter. 'Now', James giggled, 'watch this shit.' James restarted the song, but with the music he had added. First, James's voice: Let me fuck with it. Then, the beat: A lurching, stumbling rhythm. Next, a tiny organ suspended above it, a tiptoeing bass line now a perfect dance partner for Spacek's voice. Shoes stopped laughing. The chorus opened like a sunrise, building layers of notes and texture as James himself sang a new refrain, his words pushing ahead of the dragging beat:
'IwantyouIneedyou
IwantyouIneedyou'
Shoes looked at his friend, thinking: You just had me listening to the worst shit ever. Two seconds later you made it the best shit ever. Shoes voiced his thoughts in a simpler way: 'You're an asshole, bro.'"
Wertung: 4,5/5
Text von Yannik Gölz
Kaufen?
Wenn du über diesen Link etwas bei amazon.de bestellst, unterstützt du laut.de mit ein paar Cent. Dankeschön!
Noch keine Kommentare