Nick Cave - "Glaube, Hoffnung und Gemetzel"
Worum gehts?
"Ich widerspreche mir selbst? / Nun gut, ich widerspreche mir selbst. / (Ich bin ja weiträumig, ich enthalte Vielheiten), schrieb Walt Whitman 1855 in "Grashalme". "I contain multitudes", der Vers in Klammern, beschreibt sehr gut das Wesen des Werks des australischen Musikers, der in seinem siebten Lebensjahrzehnt nach wie vor auf der Suche nach dem Sinn unserer Existenz ist und die Antworten im Wesentlichen in seinem Inneren verortet. Auch wenn sich "Gemetzel" eher auf Caves aktuelles Album "Carnage" bezieht, ist das Buch nichts für sanfte Gemüter, denn der rote Faden ist der furchtbare Tod seines heranwachsenden Sohns Arthur. Zwar geht es auch viel um Musik und Musiker, was dieses Werk aber von einer klassischen Biographie unterscheidet ist der Umgang, den Cave mit dem Schmerz gefunden hat. Ihn nämlich zu teilen, mit all denjenigen, denen Ähnliches widerfahren ist. Das Leben ist ein Tal der Tränen, so die Botschaft. Wir können nur durchhalten, wenn wir uns dem Schönen widmen und unseren Mitmenschen öffnen.
Wer hats geschrieben?
Eigentlich habe er keine Lust mehr auf Interviews, erklärt Nick Cave gleich zu Beginn. Kein Wunder, seit 30 Jahren, eher mehr, muss der australische Indie-Musiker Fragen zu "Mercy Seat" (sein berühmtester, vielleicht bester Song), Johnny Cash (der das Stück gecovert hat), Blixa Bargeld (der 20 Jahre an seiner Seite spielte, bis 2003) und seinem Seelenheil beantworten. Als Corona kam und Cave plötzlich zuhause herumhockte, rief Journalist Séan O'Hagan (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Frontmann der High Llamas) im richtigen Augenblick an. Im Laufe von zwei Jahren telefonierten sie insgesamt 40 Stunden lang und legten so den Grundstein für dieses Buch. Wie schon bei anderen Werken des Meisters, kümmerte sich Christian Lux um die wahrlich nicht einfache Übersetzung.
Wer solls lesen?
Von Nick Cave-Fans mal abgesehen, könnte das Werk auch ein Thema für ein theologisches Seminar sein. "Ich glaube, ich habe noch nie eine so umfassende und tiefgehende Auseinandersetzung damit gelesen, wie der Glaube funktioniert, wie Kreativität funktioniert und wie Trauer mit beidem zusammenhängt", so Rowan Williams. Der nichts mit Mr. Bean zu hat, sondern einst Erzbischof von Canterbury war. Ob er sich nicht an den gelegentlichen "Fucks" gestoßen hat? Zwar ist das Thema philosophisch, Cave aber eben ein Rocker.
Das beste Zitat:
"Ich habe stets eine sehr motivierende Energie in dem Gedanken gefunden, dass ich mein Leben damit verbringe, mich nach etwas zu sehnen, nennen wir es Gott, das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht existiert ... meine Songs sind Gespräche mit dem Göttlichen, die letztlich nichts anderes sein könnten als ein Wahnsinniger, der mit sich selbst spricht."
Oops, das war aus einer Antwort Nick Caves auf einen Leserbrief in seinem wunderbaren
Fanforum "The Red Hand Files". Könnte aber auch aus diesem Werk stammen.
Wertung: 5/5
Text von Giuliano Benassi
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